Tropa de Elite

Krieg den Hütten, Frieden den Palästen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Als im Jahre 1997 der Besuch des Papstes in Rio de Janeiro ansteht und dieser in der Nähe einer Favela nächtigen will, erhält die Polizei-Elite-Einheit BOPE (Batalhão de Operações Policiais Especiais) von höchster Stelle den Auftrag, in den kommenden Wochen und Monaten in dem Slum für Ruhe zu sorgen. Denn der Schlaf des (h)eiligen Vaters soll durch keinen einzigen Schuss gestört werden. Mit unglaublicher Härte gehen die Totenköpfe – so das Emblem und der Spitzname der Anti-Drogen-Einheit – nun gegen Dealer und Banden vor, binnen kurzer Zeit glaubt man sich eher in einem Bürgerkriegsgebiet. Chef eines Einsatzkommandos ist Hauptmann Nascimento (Wagner Moura), doch der, ein eigentlich erfahrener Mann zeigt zusehends Nerven, was auch mit der bevorstehenden Geburt seines Sohnes zusammenhängt. Immer häufiger bekommt er Panikattacken und Zitteranfälle und übersteht die brutalen Einsätze oft nur mit Beruhigungspillen, bis er um seine Entlassung aus dem BOPE-Dienst ersucht. Doch so schnell lassen die Totenköpfe einen der Ihren nicht los – Nascimento muss erst persönlich einen möglichen Nachfolger aus einem großen Kreis von Kandidaten auswählen. Und dieser Auswahl- und Ausbildungsprozess ist mindestens ebenso zynisch und menschenverachtend wie das Vorgehen der Totenköpfe gegen mutmaßliche Drogendealer und Verbrecher. Das bekommen auch die beiden Neulinge in der Truppe Neto und Matias zu spüren, zwei normale Polizisten, von denen sich der eine durch hohe Intelligenz und der andere durch brutale Skrupellosigkeit auszeichnet...
José Padilhas Filme beginnt wie ein Musikvideoclip – zu mitreißenden, aufpeitschenden Beats zeigt er punktgenau auf den Rhythmus geschnittene Bilder einer Party in einer Favela, bei der immer wieder auch Waffen als selbstverständlicher Bestandteil des Alltags zu sehen sind. Genauso hart, laut und rasant geht dieser Film auch weiter. Padilha führt schonungslos den Kampf gegen die außer Kontrolle geratenen Favelas vor Augen und er lässt keinen Zweifel daran, dass dies ein Krieg ist, der mit unlauteren Mitteln und aus manchmal denkwürdigen abstrusen Motiven geführt wird – in diesem Falle sind es der bevorstehende Papstbesuch und die Sorgen um die Nachtruhe des Hl. Vaters, die eine Gewaltwelle unvorstellbaren Ausmaßes lostreten.

In Brasilien löste der Film heftige Kontroversen aus und kam zu der zweifelhaften Ehre, bereits vor dem eigentlichen Start zu den am häufigsten illegal downgeloadeten Werken überhaupt zu gehören, 12 Millionen Exemplare sollen so in Umlauf gelangt sein. Und selbst beim Kinostart wollten noch 2,5 Millionen Zuschauer den Polizei-Thriller sehen. Doch es gab auch heftigen Widerspruch gegen Tropa de elite: So wurde dem Film etwa vorgeworfen, das Vorgehen von BOPE zu rechtfertigen und zu implizieren, gegen die Lage in den Favelas sei kein anderes Vorgehen möglich. Ein Vorwurf, gegen den sich Padilha mit einem Verweis auf seinen vorherigen dokumentarischen Film Ônibus 174 verwehrt, in dem er den Lebensweg eines Jugendlichen nachzeichnete, der als einziger ein Polizeimassaker überlebte. Der Name dieses Jugendlichen ist derselbe wie der des Hauptmannes in Tropa de elite – Nascimento. Und vielleicht muss man tatsächlich beide Filme zusammen sehen, um ein differenziertes Bild der tiefen Verwerfungen und Risse in der brasilianischen Gesellschaft zu bekommen. In Tropa de elite jedenfalls sieht man einen zwar durchaus auch kritischen Blick auf die Methoden der Polizei, doch angesichts der Hilflosigkeit der Politiker erscheinen sie oft als letztes Mittel der Wahl. Wenn dem tatsächlich so wäre, dann wäre dies die Bankrott-Erklärung Brasiliens und das Eingeständnis, in einem permanenten Kriegszustand zu leben – mit zahlreichen Toten, Verwundeten und seelischen Krüppeln auf beiden Seiten.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/tropa-de-elite