Whatever Works

Welcome home, Woody!

Eine Filmkritik von Tomasz Kurianowicz

Im hohen Alter kann man dem nahen Lebensende mit selbstironischer Überlegenheit gegenübertreten oder ganz im Gegenteil: die eigene Endlichkeit krampfhaft in den Mittelpunkt der letzten Existenzperiode stellen. Der Held aus Woody Allens neustem Film Whatever Works ist ein Wesen, das aus beiden Schichten besteht - ein sympathischer Stadtneurotiker, der zwischen Sarkasmus, Zynismus und Todesangst pendelt.
Der New Yorker Rentner Boris (Larry David) kann dabei auf ein Leben voller Ereignisse zurückschauen. Fast wäre er für den Physik-Nobelpreis nominiert worden, was ihm nicht nur Ruhm, sondern auch den galanten Ruf eines Genies eingebracht hat. Auch seine Ehe scheint wie vom Schicksal zurecht gelegt: Verheiratet mit einer Intellektuellen, die sich für Kunst, klassische Musik und Theater interessiert, kommt Boris’ Leben wie eine perfekt komponierte Großstadtnovelle daher. Zu perfekt für den Neurotiker, dessen permanentes Zweifeln und Sinnieren gerade aus der Weisheit und Folgerichtigkeit seiner Entscheidungen herrührt. "Unsere Ehe ist zu rational", moniert Boris, der sich in eine selbstreflexive, im Jazz versunkene und Sein und Zeit hinterfragende Single-Existenz begibt.

Doch Boris wäre kein Alter Ego Woody Allens, wenn nicht der Spott eines ergrauten Zynikers auf die Schönheit jugendlichen Leichtsinns treffen würde: Eines Nachts entdeckt Boris die junge Melodie (Evan Rachel Wood) in einem Müllcontainer. Aus den Südstaaten, den Weiten der amerikanischen Provinz nach New York gereist, sucht die 20-Jährige das große Glück im Großstadtchaos, ohne über einen konkreten Plan, eine Wohnung oder gar Arbeit zu verfügen. Bei Boris sucht sie Unterschlupf, diesem exzentrischen Eigenbrödler, der das naive Mädchen erst widerwillig aufnimmt, ihr dann missmutig die Stadt zeigt, um sich schlussendlich von der Attraktivität und vom Lebenseifer der Provinzlerin gefangen nehmen zu lassen. Sie tröstet ihn, wenn er Schweiß nass gebadet die Treppe hinunterstürzt, dabei die Worte "Ich sterbe, ich sterbe" lauthals ausrufend. Noch kann sie nicht wissen, dass Boris’ Panikattacken nicht Ausdruck körperlichen Leidens sind, sondern ganz tiefenphilosophisch die Abwesenheit menschlichen Sinns thematisieren. "Nein, ich meine nicht jetzt. Ich meine irgendwann, irgendwann muss ich sterben."

Mit amüsanter Leichtigkeit führt die Liebschaft des ungleichen Paars in eine beziehungsreiche Großstadtkomödie, in der Melodies bigotte Mutter (Marietta Celestine), die sich auf der Suche nach ihrem Kind nach New York begibt, zur promiskuitiven Künstlerin und Galeristin mutiert. Und ihr Vater (Ed Begley junior) wiederum, erzkonservativer Republikaner, in einer schummrigen Kneipe seine unterdrückten homosexuellen Gefühle entdeckt. Zwischen den Szenen spricht der Film mit der Stimme des besserwisserischen Boris, der das kuriose Treiben mit philosophischer Abgeklärtheit auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen versteht – bis er sich selbst mit der Endlichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen konfrontieren muss.

Die New York Times ließ kein gutes Haar an Woody Allens neuer Komödie. Und man wird wohl den Schreibern Recht geben müssen, wenn sie monieren, dass diese typisch woodyeske Satire dem Werk des Altmeisters nichts wesentlich Neues hinzuzufügen vermag. Manhattan ist wie immer ein kleines Dorf in der Großstadt, wo einige Bessergestellte zwischen Philosophieseminaren, Galerieeröffnungen, Kinobesuchen und Theaterabenden ihre Zeit in Cafés und gemütlichen Kneipen verbringen. Das Alter ist immer noch eine Hürde fürs Glück, aber kein Grund zur Verzweiflung. Und das Leben immer noch dieses komische Gemisch aus Zufälligkeiten und Kuriositäten, die allesamt dazu raten, das eigene Schicksal nicht allzu ernst zu nehmen. Und trotzdem ist Whatever works eine Satire, die nur ein Woody Allen so beschwingt und pointenreich herausarbeiten kann, eine Ode an die ewige Stadt New York, diesen Mythos, der keinen Kinogänger kalt lassen kann. Zuletzt ist Woody Allens neuester Film, der nach europäischen Stippvisiten an den Ursprung seiner Entwicklung zurückgekehrt ist, eine große, ehrliche Freude – gerade dann, wenn es dem Zuschauer gelingt, diese Selbstironie und Distanz des Helden auf sich selbst zu übertragen und das Leben als endliches, dabei nicht witzloses und für Überraschungen sorgendes Glück zu begreifen. Diese phantastische Leichtigkeit macht Woody Allen zu einer einmaligen Erscheinung des internationalen Kinos.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/whatever-works