Zwischen Himmel und Eis

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Im ewigen Eis

Zwischen Himmel und Eis war der Abschlussfilm der 68. Filmfestspiele in Cannes, aber er ist noch viel mehr der Auftakt für ein multimediales Projekt rund um den Glaziologen Claude Lorius. Und auch der Protagonist des Films ist mehr als nur ein Glaziologe. Er ist, wenn man so will, unser aller Hiob – der Mann, dessen Forschungen eindeutig die kommende Klimakatastrophe voraussagen kann, die uns seinen Berechnungen nach innerhalb der nächsten 100 Jahre einholen und eventuell ausrotten wird.
Im Jahr 1955 bewarb sich der junge Claude Lorius auf eine Anzeige, die Menschen aufforderte, bei einer Expedition ins ewige Eis mitzumachen. Ein Jahr lang sollte man mit zwei anderen Wissenschaftlern vor Ort forschen – völlig abgeschnitten von der Außenwelt und ohne Aussicht auf Hilfestellung. Dieses erste Abenteuer prägte den jungen Mann für den Rest seines Lebens, mit 22 weiteren Expeditionen hat er mittlerweile insgesamt mehr als zehn Jahre in der Antarktis verbracht. Dort erforschte der Franzose über Jahrzehnte die Eisschichten und machte dabei die Entdeckung, dass er anhand der Zusammensetzung der Atome und des im Eis enthaltenen Kohlenmonoxids exakte Aussagen über das zur Zeit der Entstehung des Eises herrschende Klima machen konnte.

Lorius war es, der die Klimadaten der letzten 400.000 Jahre erarbeitet hat und dabei mit Erschrecken feststellte, dass die Menschheit durch die massive Erzeugung von Kohlenmonoxid aus fossilen Brennstoffen und anderen Umweltmissbräuchen die Klimabalance verändert hat. Er war es, der in den 1960er Jahren Reste radioaktiver Strahlung in der Antarktis messen konnte und herausfand, dass Atombomben für die ganze Welt eine Gefahr sind. Und er ist es, der seit Jahrzehnten unermüdlich versucht, die Menschen zum Umdenken zu bewegen, um eine Katastrophe zu verhindern. Lorius ist ein tragischer Held. Ein Wissenschaftler, der seine These perfekt beweisen und die Welt in gewisser Hinsicht ändern konnte. Doch seine These ist die des Kollapses des gesamten Planeten, ein Umstand, der ihn, so erwähnt er mehrmals, äußert depressiv macht und wünschen lässt, er hätte nicht Recht.

Lorius‘ Lebensgeschichte ist eine gute Grundlage für einen umweltbewussten Dokumentarfilm, daher scheint die Kombination aus Lorius und Luc Jacquet, der mit Die Reise der Pinguine einen Oscar gewann, nahezu perfekt. Tatsächlich geben die Biografie und die markanten, überwältigend schönen Bilder, die Jacquet vom ewigen Eis schießt, den sonst dokumentarischen Aufnahmen der Expeditionen der 1960er bis 1980er Jahre einen formidablen Rahmen.

Insgesamt liefert Jacquet einen sehr klassischen Dokumentarfilm. Lorius‘ Stimme berichtet in subjektiver Ich-Form, während die Archivaufnahmen seine Forschungen und Abenteuer dokumentieren. Zwischendurch sind Aufnahmen des inzwischen 82-Jährigen zu sehen, der in eisiger Landschaft sinniert. Und da entsteht es, das Problem: Der Film kann sich nicht zwischen Biografie und Mahnung, zwischen wissenschaftlichen Fakten und dramatischer Poetik entscheiden. Beides wäre akzeptabel, aber das stete Oszillieren zwischen diesen Polen raubt Lorius‘ Botschaft jegliche Kraft und Schwung, so dass sie einfach in der melancholischen Schönworterei stecken bleibt. Den Todesstoß erhält dieser Film dann noch von dem süßlichen Soundtrack, der die Discovery-Channel-Ästhetik von Ice and Sky ganz und gar zementiert.

Zwischen Himmel und Eis

„Zwischen Himmel und Eis“ war der Abschlussfilm der 68. Filmfestspiele in Cannes, aber er ist noch viel mehr der Auftakt für ein multimediales Projekt rund um den Glaziologen Claude Lorius. Und auch der Protagonist des Films ist mehr als nur ein Glaziologe.
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