Yossi

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Trauerarbeit

Es hat schon fast etwas von Echtzeit – die Fortsetzung von Yossi & Jagger von Eytan Fox spielt nicht nur zehn Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils, sondern kommt auch annähernd zehn Jahre später in die Kinos. Obwohl der Film die Geschichte von einst fortführt, kann man sich Yossi aber auch anschauen, ohne den ersten Teil gesehen zu haben bzw. ihn allzu genau zu erinnern. Schließlich ist eine Dekade eine verdammt lange Zeit.
Genau das muss auch Yossi (Ohad Knoller) selbst erfahren: Seitdem er seinen Geliebten verloren hat, ist die Zeit nicht stillgestanden. Yossi, mittlerweile ein geachteter Herzspezialist, hat einige Kilos zugelegt; wenn er mit Männern via Internet flirtet, verschickt er stets alte Bilder aus glücklicheren, schlankeren Tagen. Doch selbst diese schüchtern anmutenden Kontaktaufnahmen und die gelegentlichen Affären mit jüngeren Menschen, die ihn dann kaum als den Mann von dem Bild erkennen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Yossi sich zurückgezogen hat und immer noch um den Verlust trauert, ohne sich zu outen. Weil er sich stattdessen völlig in die Arbeit stürzt, balanciert er am Rande eines Zusammenbruchs, wehrt die Annäherungsversuche einer in ihn verliebten Krankenschwester ab und hat überhaupt seine Mühe damit, das Leben einigermaßen im Gleichgewicht zu halten. Erst als er im Krankenhaus zufällig Jaggers Mutter (Orly Silberschatz) begegnet, beginnt sich in ihm etwas zu lösen, bröckelt die mühsam aufrecht erhaltene Fassade aus Trauer und Verdrängung ab und er offenbart sich Jaggers Eltern. Als sein Chefarzt ihm aufgrund der offensichtlichen Überlastung einen Zwangsurlaub verordnet, fährt Yossi nach Eilat und trifft unterwegs auf eine Gruppe Soldaten, von denen der charmante Tom (Oz Zehavi) sich ganz ungezwungen zu seiner Homosexualität bekennt. Und bald schon versucht dieser Tom nun Yossi näherzukommen, wodurch dessen Erinnerungen an Jagger erneut lebendig werden. Kann er seine Trauer nun endlich abstreifen und wieder zu einem weitgehend normalen Leben zurückkehren?

In den zehn Jahren, die zwischen Yossi & Jagger und Yossi liegen, ist in der Tat viel passiert – am wenigsten vielleicht im Leben der Hauptfigur (sehen wir einmal von dessen äußerlicher Veränderung ab), aber umso mehr im Kino. Spätestens seit Ang Lees Brokeback Mountain ist das Thema Homosexualität nicht mehr ausschließlich eines für die Nische des Gay-/Lesbian Cinema, sondern auch durchaus im Mainstream angekommen. Ähnliche Rückschlüsse kann man auch aus dem Film selbst ziehen: War die Liebe zwischen den beiden Soldaten Yossi und Jagger vor zehn Jahren noch ein Geheimnis, das keinesfalls ans Licht kommen durfte, ist Homosexualität in der Armee nun kein Thema mehr, das unter den Tisch gekehrt werden muss – so zumindest behauptet es der Film anhand der Person Toms. Ob diese Einschätzung der Realität entspricht, ist indes schwer zu beurteilen; glauben möchte man das wohl, doch es bleiben Zweifel.

Andererseits geht es in Yossi eher am Rande um Gesellschaftspolitisches, sondern vielmehr um Trauerarbeit und die schwierige Rückkehr ins Leben. Insofern ist es konsequent, dass Eytan Fox den Film auch durch seinen Titel auf die Figur des trauernden Yossi fokussiert und nicht so sehr auf die neu aufkeimende Liebe zwischen dem Arzt und dem jungen Soldat Tom abhebt. Diese Entscheidung spiegelt sich auch im Film selbst wieder, der sich viel Zeit lässt für die Beschreibung des Zustandes der Lähmung, in dem es sich Yossi eingerichtet hat. Die Liebesgeschichte hingegen bleibt Stückwerk und entwickelt zu keiner Zeit die emotionale Wucht des ersten Filmes. Man kann und muss dies als Schwäche von Yossi begreifen, zugleich aber spiegelt sich darin eine Ernüchterung und die Erfahrungen einer langen Zeit der Einsamkeit wider, die jede neue Liebe wie ein müdes Abbild der einen großen und verlorenen Liebe des Lebens erscheinen lassen. Die Müdigkeit und milde Resignation, die sich hinter diesem Konstrukt verbirgt, bekommt durch Ohad Knoller ein Gesicht, das dem Film über so manche Schwächen und etliche Klischees hinweghilft.

Yossi

Es hat schon fast etwas von Echtzeit – die Fortsetzung von „Yossi & Jagger“ von Eytan Fox spielt nicht nur zehn Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils, sondern kommt auch annähernd zehn Jahre später in die Kinos. Obwohl der Film die Geschichte von einst fortführt, kann man sich „Yossi“ aber auch anschauen, ohne den ersten Teil gesehen zu haben bzw. ihn allzu genau zu erinnern. Schließlich ist eine Dekade eine verdammt lange Zeit.
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Meinungen

Olli · 15.03.2013

Ich kann die Rezension nicht so ganz verstehen!
Zum Thema Homosexualität in der Armee! Man sollte vielleicht bedenken, dass es sich hier nicht um die Bundeswehr, sondern den IDF handelt! Eytan Fox als homosexueller israelischer Regisseur hat da eventuell mehr Einblicke in die Armee Israels. Zudem wird es nirgendwo erklärt, dass es für die gesamte Armee gilt, lediglich Tom meint, dass ER keine Probleme hat und akzeptiert wird!
Die Liebesgeschichte hat nicht die Wucht von "Yossi & Jagger". Nicht die fehlende Wucht ist die "Schwäche", sondern die beiden Geschichten miteinander zu vergleichen! Denn während Yosse und Jagger ein Paar waren, ist Yossi hier in seinem Schneckenhaus gefangen und ist emotional verschlossen. Toms Art, eine hervorragende Mischung aus Leichtig- und Ernsthaftigkeit, sein offene und einnehmendes Wesen brechen die Kruste auf. Der Film endet mit dem zarten Beginn einer - vielleicht großen - Liebe, und der Bereitschaft, sich wieder mit einem Menschen einzulassen. Das ist eben die große Stärke des Films. Sensibilität und gut dosierte Zurückhaltung.
Und "etliche Klischees" kann ich auch beim wiederholten Anschauen nicht finden!