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Die Schule ist bekanntlich ein Ort, an dem sich Gleichaltrige das Leben zur Hölle machen können. Was wird da erst den zehnjährigen Auggie mit dem vernarbten und deformierten Gesicht erwarten?

Wunder (2017)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Der Junge mit dem entstellten Gesicht

Der zehnjährige Auggie (Jacob Tremblay) stellt sich mit seiner Erzählerstimme als Junge vor, der ganz normal und doch ganz anders ist. Zu den normalen Dingen gehört, dass er für Star Wars schwärmt und sich für das Weltall interessiert. Nicht normal ist, dass er schon 27 Operationen hinter sich gebracht hat und dass sein Vater Nate (Owen Wilson) glaubt, die Middle School werde für ihn kein besserer Ort sein als für ein Lamm die Schlachtbank. Seine Mutter Isabel (Julia Roberts) hat Auggie bisher selbst unterrichtet. Sie findet aber, dass er zu Beginn der fünften Klasse regulär eingeschult werden soll. Bislang war Auggies Gesicht unter einem Astronautenhelm versteckt, doch nun nimmt er ihn ab und die Zuschauer sehen sein von Narben und Fehlbildungen entstelltes Gesicht. Aufgrund dieser genetisch verursachten Anomalie macht Auggie mit fremden Menschen immer die gleiche unangenehme Erfahrung: Sie starren ihn ungläubig an, dann schauen sie betreten weg, gehen innerlich auf Distanz.

Das Drama, das Regisseur Stephen Chbosky (Vielleicht lieber morgen) inszeniert hat, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Raquel J. Palacio. Es begleitet Auggie und seine Familie über den Zeitraum eines ganzen Schuljahres. Dem Schuldirektor Mr. Tushman (Mandy Patinkin) ist bewusst, wie heikel die Lage für seinen neuen Schüler ist. Bereits vor dem ersten Schultag lädt er drei Kinder aus Auggies Klasse zu einem Treffen mit dem Jungen ein. Wenn sie ihm die Schule zeigen, so die Hoffnung, wird das Eis brechen. Das Treffen verläuft auch artig, aber dennoch wird später einer der Beteiligten, Jack (Noah Jupe), den Neuen piesacken und mobben. Die soziale Ausgrenzung bleibt Auggie nicht erspart. Doch dann beginnen einzelne Kinder, den Kontakt zu ihm zu suchen.

Die Höhen und Tiefen dieses Schulalltags, den der wissbegierige, intelligente und freundliche Auggie tapfer zu meistern versucht, halten auch seine Familie in Atem. Auggie steht daheim wie üblich im Mittelpunkt, dabei bräuchte seine ältere Schwester Via (Izabela Vidovic) jetzt ebenfalls liebevolle Aufmerksamkeit. Ihre gute Freundin Miranda (Danielle Rose Russell) geht ihr nämlich auf einmal aus dem Weg. Auch Vias Perspektive folgt der Film eine Weile, um eindrücklich ihre Nöte als Geschwisterkind zu schildern, das im Schatten steht. Es gibt noch mehrere Perspektivwechsel, die manchmal Überraschendes offenbaren. Diejenigen, die Auggie und Via mit ihrem Verhalten so vor den Kopf stoßen, haben nämlich auch Probleme und außerdem Gewissensbisse sowie die Fähigkeit, sich zu ändern.

Der appellative Grundtenor der Versöhnlichkeit, der der Geschichte Wohlfühlcharakter verleiht, wird im Verlauf immer vernehmbarer. Und er sorgt leider auch dafür, dass das Verhalten der Figuren eher beispiel- und modellhaft wirkt als authentisch. Geradezu als Vorbilder gezeichnet sind Auggies Eltern, die Wert auf Fröhlichkeit legen und den Sohn nicht mit ihrer Sorge erdrücken. Die Rolle der herzlichen, starken Isabel ist Julia Roberts praktisch auf den Leib geschrieben. Der oft zu Späßen aufgelegte Familienvater Nate stellt sich freiwillig in die zweite Reihe und akzeptiert ihre bestimmende Rolle. Aber obwohl – oder vielleicht gerade weil – es diese Figuren so sehr darauf anlegen, zu gefallen, stimmt die Chemie zwischen Roberts und Wilson nicht wirklich.

Am stärksten ist die Geschichte, wenn es darum geht, wie Auggie seine Erlebnisse verarbeitet. Warum Halloween sein liebstes Fest ist und nicht Weihnachten, erzählt er bewegend in Voice-over. Als Maskierter kann er sich unter anderen Kostümierten endlich einmal wie ein Fisch im Wasser bewegen. Jacob Tremblay (Raum) ist als Auggie mimisch eingeschränkt, verleiht seinem Charakter aber Persönlichkeit und eine würdevolle Präsenz.

Wegen der Perspektivwechsel, der Nebengeschichten und allem, was in einem Schuljahr so passieren kann, zieht sich die Geschichte ganz schön in die Länge. Ab einem gewissen Punkt hat man den Eindruck, sie könnte jetzt ewig so weitergehen. Aber ein Film sollte vermeiden, dass das Publikum seiner überdrüssig wird, bevor er zu Ende geht.
 

Wunder (2017)

Der zehnjährige Auggie (Jacob Tremblay) stellt sich mit seiner Erzählerstimme als Junge vor, der ganz normal und doch ganz anders ist. Zu den normalen Dingen gehört, dass er für „Star Wars“ schwärmt und sich für das Weltall interessiert. Nicht normal ist, dass er schon 27 Operationen hinter sich gebracht hat und dass sein Vater Nate (Owen Wilson) glaubt, die Middle School werde für ihn kein besserer Ort sein als für ein Lamm die Schlachtbank.

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