Wonder Woman (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die wunderbare Macht der Frauen

Schon bei ihrem kurzen Auftritt in Batman v. Superman: Dawn of Justice brachte Diana Prince alias Wonder Woman (Gal Gadot) einen dermaßen frischen Wind in das inzwischen recht heruntergenudelte Superhelden-Genre, dass man sofort mehr von ihr sehen wollte. Es hat sehr lang gedauert, bis eine weibliche Superheldin endlich ihren eigenen Film bekommen hat. Das Ergebnis zeigt, dass sich das Warten gelohnt hat und dass Hollywood dringend seine Publikumsstrategien überdenken sollte.

Mit Wonder Woman bekommt die Figur die übliche SuperheldInnen-Verarztung, sprich: alles beginnt mit der klassischen Origins-Story, der Geschichte ihrer Herkunft und ihres Werdegangs. Denn bevor sie Wonder Woman wird, ist Diana zuallererst einmal die Prinzessin der Amazonen, jenen mythologischen Frauenfiguren und wagemutigen Kriegerinnen, die in den griechischen Sagen „männergleich“ in die Schlacht zogen, Städte gründeten und Völkern als Königinnen dienten. In Wonder Woman haben sie sich allerdings zurückgezogen und leben auf einer mythologischen Insel namens Themyscira, die von Zeus vor der Welt versteckt wurde. Der Grund dafür ist Diana, erschaffen aus Ton und die Tochter von Zeus und der Amazonen-Königin Hippolyta (Connie Nielsen). Sie wächst auf Themyscira auf und wird dort – nachdem ihre Mutter ihr Zaudern aufgegeben hat – zu einer perfekten Kriegerin ausgebildet.

Der erste Akt des Films konzentriert sich komplett auf dieses Geschehen und auf die Gemeinschaft der Kriegerinnen und zeigt dabei eine Welt, die in jeglicher Hinsicht der Gegenentwurf zu der Welt ist, in der wir alle leben und in der der Film später weiterspielt. Nicht nur gibt es keine Männer, es gibt kein Patriarchat und keine der damit verbundenen Regeln, Gesetze und Ideen, die Frauen davon abhalten, zu tun und zu lassen, was sie wollen. Jede Frau auf Themyscira ist selbstbestimmt und fähig, sich auszuleben, und das Ergebnis ist nicht nur erfrischend, es ist geradezu revolutionär, insbesondere wenn man es im Lichte des amerikanischen Blockbuster-Kinos betrachtet. Es geht nicht um die kurzfristige Eliminierung von Männern, sondern darum, Frauen endlich einmal als machtvolle Wesen auf der Leinwand zu sehen. Man bedenke nur, wie viele männliche Superhelden seit 2005 den Jungs und Männern dieser Welt zeigen, wie man ein machtvoller Mensch sein kann und das Beste aus sich herausholt. Und wie viele Archetypen gab es für Frauen? Keine einzige, die eine Hauptrolle spielte, keine einzige, die nicht im Verlauf getötet, entmachtet oder entthront wurde. Die alleinige Existenz dieser Amazonen wird für viele Mädchen und Frauen, und ja, auch Jungs und Männer, eine ganz neue Welt bedeuten, denn Repräsentation ist wichtig. Sehr wichtig. Das gilt auch für die Frauenkörper, die hier gezeigt werden, denn sie sind weitab von dem üblichen Hollywood-Ideal. Dies sind keine dünnen Frauen, nein, sie sind muskulös und sportlich, ohne jemals in die Mannweib-Ecke gestellt zu werden. Sie bieten einfach eine Alternative. Umso enttäuschender ist jedoch die Repräsentation von nicht-weißen Figuren. Keinerlei Asiaten zieren diesen Film, es gibt nur wenige Figuren mit anderer Ethnizität und diese kommen kaum zu Wort.

Doch wichtig an Themiscyra ist auch, dass der moralische Kodex und der Gemeinsinn, die dieser an die frühe Form der griechischen Demokratie angelehnten Gesellschaft zugrunde liegen, erörtert werden. Sie sind es, die Diana und später auch Wonder Woman zu einer Superheldin formten, die ganz anders agiert als sonst üblich. Das zeigt sich im weiteren Verlauf des Filmes, der im Europa zur Zeit des Ersten Weltkriegs stattfindet. Als der britische Spion Steve Trevor (Chris Pine), verfolgt von Deutschen, zufällig auf die Insel trifft, bringt er den Krieg auf ihre Insel. Seine Erzählungen über die Schlachten und Gemetzel erwecken Erinnerungen an eine alte Prophezeiung und Diana lässt sich fortan nicht mehr halten. Sie geht mit Steve nach Europa, um dort zu tun, was ihre Aufgabe ist: den Menschen zu helfen. Hier wandelt der Film seinen Ton hin zum Komödiantischen, denn Diana hat große Schwierigkeiten, sich in das von Männern dominierte England einzufinden. Von den Klamotten, die sie tragen soll, bis hin zur Idee, dass Frauen bei Besprechungen draußen zu bleiben haben, hält sie nicht viel und vermag hier nicht nur einige gute Gags zu liefern, sondern auch eine bedenkenswerte Metapher auf die Absurdität weiblicher Existenz zu liefern. Doch lange bleibt der Film nicht in diesem Metier, es geht immerhin darum, sie zur Superheldin zu machen und ihren Halbgöttinnen-Status auf ein Schlachtfeld zu stellen. Doch hier kommt der Film in die Bredouille, kann er sich doch nicht so richtig vom sonst auf Männer (als Helden und im Publikum) zentrierten Geschichten erzählen lösen. Und so stellt man Diana immer wieder Steve an die Seite, der als eine Art Indiana Jones die Erzählung immer wieder an sich nimmt und sie von der Heldin wegträgt. Er scheint eine Art Angebot an das männliche Publikum zu sein, nicht, dass dies nötig wäre, denn andersherum vermögen Frauen seit Jahrzehnten, sich in männliche Helden hineinzuversetzen und sich wenigstens zum Teil zu identifizieren. Hier merkt man, dass die Produktion ihrem eigenen Versuch nicht traut, und das schmerzt doch sehr. Und es fällt bemerkenswert stark auf, denn Gal Gadot spielt ihre Wonder Woman mit so viel Charme, Wärme und Stärke, dass ihre Szenen die des freundlich-verschmitzten, aber nicht sonderlich interessanten Chris Pine immer überstrahlen. Und so ist vor allem die erste Schlacht, in der sie einmal so richtig zeigen kann, was ihre Kräfte sind, ein unglaublicher starker Moment.

Doch der wirklich relevante Unterschied von Wonder Woman zu den anderen Superhelden des Marvel- und DC-Universums ist ihr Vermögen und ihr Wunsch, immer wieder abzuschätzen, ob ihr Handeln sinnvoll und moralisch ist. Nur weil sie potentiell Massen an Feinden töten könnte, ist dies für sie noch lange kein Grund, es auch zu tun. Und so sieht man sich mit großer Überraschung plötzlich in einem Blockbuster gezwungen, das ethische Verhalten dieser Figuren zu bedenken und auch die Idee von „gut“ und „böse“, auf die so oft in diesen Filmen rekurriert wird, mit viel mehr Grautönen zu betrachten. Und diese Entwicklung kann man parallel zu Wonder Woman tun, denn auch sie muss sich aus den ewig über SuperheldInnen schwebenden Mythen und Metaphern befreien, die es manchmal zu einfach machen, über die dunklen Seiten dieser Supermenschen hinwegzusehen.

Es bleibt nach diesem Film nur zu sagen: Mehr davon! Mehr Frauen, mehr Diversität, mehr SuperheldInnen-Filme, die sich Komplexitäten annehmen. Wonder Woman hat hier auf jeden Fall einen neuen Standard gesetzt, der nach den Flops von Batman v. Superman: Dawn of Justice und Avengers: Age of Ultron doch wieder Lust macht auf solche Filme.
 

Wonder Woman (2017)

Schon bei ihrem kurzen Auftritt in „Batman v. Superman: Dawn of Justice“ brachte Diana Prince alias „Wonder Woman“ (Gal Gadot) einen dermaßen frischen Wind in das inzwischen recht heruntergenudelte Superhelden-Genre, dass man sofort mehr von ihr sehen wollte. Es hat sehr lang gedauert, bis eine weibliche Superheldin endlich ihren eigenen Film bekommen hat. Das Ergebnis zeigt, dass sich das Warten gelohnt hat und dass Hollywood dringend seine Publikumsstrategien überdenken sollte

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Meinungen

Robin · 17.06.2017

"Wonder Woman hat hier auf jeden Fall einen neuen Standard gesetzt, der [...] doch wieder Lust macht auf solche Filme."

Nö, eher nicht; der Trailer verspricht die übliche, ermüdende "Materialschlacht", die im SuperheldlInnen-Genre mitterweile üblich ist.