Willkommen bei den Hartmanns (2016)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Angelika und ihr Flüchtling

Manchmal reicht schon ein Blick auf das Filmplakat, um skeptisch zu werden. Sechs Schauspieler_innen sind auf dem Plakat zu Willkommen bei den Hartmanns zu sehen. Aber nur fünf Namen werden gut sichtbar angegeben. Es fehlt Eric Kabongo, der umrahmt von Senta Berger, Palina Rojinski, Heiner Lauterbach, Elyas M’Barek und Florian David Fitz auf dem Sofa sitzt. Natürlich sind nicht immer alle Namen auf Plakaten angegeben und hoffentlich wollte man sich lediglich auf die bekanntesten Namen beschränken. Aber diese Gedankenlosigkeit verweist auf die grundlegende Schwierigkeit mit dem Film von Simon Verhoeven: Willkommen bei den Hartmanns wird als Film zur Flüchtlingskrise beworben, ohne über Flüchtlinge zu erzählen.

Die pensionierte Lehrerin Angelika Hartmann (Senta Berger) langweilt sich in ihrem schönen Haus in einem Vorort von München. Ihr Ehemann Richard (Heiner Lauterbach) geht weiterhin jeden Tag zur Arbeit ins Krankenhaus, wo er eine Station leitet, und befindet sich in einer verspäteten Midlife Crisis, ihr Sohn Philipp (Florian David Fitz) ist ein Workaholic, der höchstens mal seinen Sohn bei ihr unterbringen will, ihre Tochter Sofie (Palina Rojinski) sucht weiterhin nach dem richtigen Studium. Also bleiben Angelika Weißwein und angetrunkene Anrufe bei den Kindern, um den Alltag zu füllen. Doch dann kommt sie auf die Idee, dass auch sie sich engagieren könnte – und bringt nicht nur Kleidung zu einem Flüchtlingsheim, sondern beschließt, dass sie einen Flüchtenden aufnehmen will. Kurzerhand setzt sie sich über die Bedenken ihrer Familie hinweg und so finden nach Absprache mit dem Leiter der Unterkunft Bewerbungsgespräche statt, die eher an ein Casting in einschlägigen Shows erinnern und bei denen die Klischees der kinderreichen Flüchtlingsfamilie aufgegriffen werden, dann zieht der Nigerianer Diallo (Eric Kabongo) bei ihnen ein.

Mit Diallo und den Hartmanns prallen nun zwei Lebenswelten aufeinander: der Nigerianer, der der Gewalt entkommen ist und in Deutschland den Frieden sowie die Ordnung genießt, trifft auf eine Familie in der Münchener Oberschicht, in der es um Sinnsuche, Äußerlichkeiten und Geld verdienen geht. Es kommt zum erwartungsgemäßen culture clash, in denen der Familiensinn Diallos auf das als egoistisch konnotierte Dasein der Familie trifft. Hier gibt es immerhin wenige, begrüßenswerte Abweichungen von dem Üblichen: Allein schon die Besetzung von Senta Berger und Heiner Lauterbach als Ehepaar ist bemerkenswert, da hier die Frau wesentlich älter ist. Zudem ist es in diesem Film auch der Mann, der mit dem Älterwerden und Aussehen hadert und der sich behandeln lässt, um jünger auszusehen. Insgesamt jedoch treffen in Tradition ähnlicher Komödien wie Monsieur Claude und seine Töchter vermeintlich einfache Weisheiten auf die ach so leicht zu belächelnden Anforderungen des modernen Lebens. Dabei streift Verhoeven zum einen so ziemlich alle Themen, die innerhalb der vorigen zwölf Monate in der Zeitung zu finden waren: Kapitalgier und Instagram, Burn-out und Boko Haram, Stalking und Gutmenschentum, Ausländerhass und Singledasein. Zum anderen rückt der Film insbesondere in der zweiten Hälfte immer mehr von der eigentlichen Ausgangssituation – die Aufnahme eines Flüchtenden – ab und konzentriert sich auf die Probleme einer gut situierten bürgerlichen Familie.

Dadurch bleiben Handlung und Witz stets innerhalb der Wohlfühlzone, für jede auch nur im Ansatz bissig-kritische Pointe folgen sofort zwei Gags, die auf Nummer sicher gehen und die es mit bekannten und gewohnten Anspielungen versuchen: Uwe Ochsenknecht als frauenaufreißender Schönheitschirurg beispielsweise, oder die Läuterung des arbeitswütenden Sohnes. Deshalb fehlt diesem Zusammenprall der Biss und die Schärfe. In einer Gesellschaftssatire müssen die Witze auch einmal weh tun, hier aber bleiben sie stets innerhalb dessen, was eine bürgerliche Mehrheit als akzeptabel ansieht. Deshalb stellt sich auch bei diesem Film nicht die Frage, ob man eine Komödie über die Flüchtlingskrise drehen darf. Natürlich „darf“ man das, Welcome to Norway hat es ja beispielsweise gerade vorgemacht, zudem gibt es Komödien über den Holocaust und Nationalsozialismus. Aber sie muss dem Publikum auch etwas zumuten wollen, sie muss tatsächlich Grenzen überschreiten wollen. In Willkommen bei den Hartmanns erhält man indes eine vorhersehbare Handlung garniert mit minimal überzogenen Inszenierungen von vermeintlichen Ängsten. Denn es ist wesentlich einfacher, sich über Alt-Hippies lustig zu machen, die nun als „Gutmenschen“ ihren Narzissmus und ihr Weltverbessererdasein ausleben, die gutmütige Freundlichkeit des schwarzen Flüchtlings zu betonen, der sich im HipHop-Videos des Enkels als gangsta geriert und selbst dabei nicht „böse“ aussieht, und Stalking zu verharmlosen. Viel schwieriger hingegen scheint es, sich der Gefährlichkeit der zunehmenden Akzeptanz von Rassismus und der Absurdität von Asylanträgen zu widmen, die anscheinend mit einem einfachen Schülervideo zu beseitigen ist.

Dabei ist die Intention von Willkommen bei den Hartmanns eigentlich offensichtlich – und wird in den pädagogisch wertvollen Dialogen auch betont, die von den Schauspieler_innen angesichts ihrer Gesteltzheit erstaunlich gut vorgebracht werden: Dieser Film unterstützt das Merkelsche „Wir schaffen das“, er will deutlich machen, dass wir das tatsächlich schaffen. Jedoch wird diese gute Absicht in einem Meer von Wohlfühl-Witzen und München-Tourismus-Bildern begraben.
 

Willkommen bei den Hartmanns (2016)

Manchmal reicht schon ein Blick auf das Filmplakat, um skeptisch zu werden. Sechs Schauspieler_innen sind auf dem Plakat zu „Willkommen bei den Hartmanns“ zu sehen. Aber nur fünf Namen werden gut sichtbar angegeben. Es fehlt Eric Kabongo, der umrahmt von Senta Berger, Palina Rojinski, Heiner Lauterbach, Elyas M’Barek und Florian David Fitz auf dem Sofa sitzt. Natürlich sind nicht immer alle Namen auf Plakaten angegeben und hoffentlich wollte man sich lediglich auf die bekanntesten Namen beschränken.

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Meinungen

Gertrud Junghans · 07.01.2017

Ich möchte für Sonntag, 8.1.17 zwei Karten für die Vosrtellung um 20.15 Uhr reservieren.
Ich bitte um kurze Bestätigung, da ich keinen anderen Weg für Email finden konnte.

Freundliche Grüße

Gertrud Junghans