Willenbrock

Eine Filmkritik von Gesine Grassel

Gesellschaftsstudie und Momentaufnahme

Irgendwann in Magdeburg: Bernd Willenbrock (Axel Prahl) ist Gebrauchtwagenhändler und hat es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Den Hof voller Autos und eine devote Ehefrau zuhause, der er eine Boutique finanziert. Ein kleines Eigenheim in der spießigen Eintönigkeit der Vorstadtidylle und ein Wochenendhäuschen hinterm Wasser. Auch sonst lässt er nichts anbrennen, hat seit Jahren eine Geliebte und fühlt sich in seiner kleinbürgerlichen Tristesse wohl und sicher.

Als sich die Einbrüche auf seinem Autohof häufen, stellt Willenbrock den Nachtwächter Fritz (Tilo Prückner) ein und versucht dessen Tochter (Anne Ratte-Polle), eine junge Literaturstudentin, zu erobern. Nebenbei trifft er sich weiterhin mit seiner Geliebten, der Universitätsprofessorin Vera (Dagmar Manzel), und vergisst auch darüber nicht seine Frau Susanne (Inka Friedrich), der er regelmäßig Blumen und Geschenke als versteckte Entschuldigung präsentiert.

Eines Tages gerät die sichere Welt ins Wanken, als die Willenbrocks in ihrem Landhaus überfallen werden. Obwohl beide den Vorfall körperlich relativ unbeschadet überstehen, kann besonders Susanne den Vorfall nicht vergessen. Willenbrock versucht alles, um den Seelenfrieden seiner Frau wiederherzustellen. Als er jedoch erfährt, dass die Polizei die beiden Tatverdächtigen wieder laufen lassen musste, zweifelt auch er am deutschen Rechtssystem. Keine Regeln, keine Sicherheit. Willenbrock greift zu drastischen Maßnahmen, doch auch seine privaten Beziehungen werden immer komplizierter…

Mit dem Film zum gleichnamigen Roman von Christoph Hein bleibt Regisseur Andreas Dresen der filmischen Gesellschaftskritik treu. Er fragt nach den Grundsätzen der Gesellschaft und führt diese an ihrem verletzlichsten Punkt vor — wenn selbstverständlich angenommene Sicherheit angreifbar macht. Die Hilflosigkeit deutscher Gerichte bei Bagatelldelikten wird dabei ebenso erschreckend deutlich wie die selbstverständlich in Deutschland agierende Russen-Mafia. Man erkennt in Willenbrock den Ossi, der auch 16 Jahre nach dem Mauerfall noch nicht vollständig in der neuen Gesellschaft angekommen ist. Der kämpft und es im Leben zu einem bisschen was gebracht hat, dennoch nie ganz oben ankommen wird. Die durchgängig grauen Bilder drücken aufs Gemüt und am Ende weiß man nicht mehr, ob man schmunzeln oder das Stehaufmännchen Willenbrock bemitleiden soll. Dresen erzählt humorvoll, aber nicht spöttisch, ernst, aber nicht hoffnungslos. Eine Gesellschaftsstudie und Momentaufnahme, die fesselt und Spaß macht.
 

Willenbrock

Irgendwann in Magdeburg: Bernd Willenbrock (Axel Prahl) ist Gebrauchtwagenhändler und hat es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Den Hof voller Autos und eine devote Ehefrau zuhause, der er eine Boutique finanziert.

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Meinungen

naisy · 26.03.2005

So erfinden sich halt deutsche Intellektuelle einen Autohändler; wetten, der Typ würde im wahren Leben nicht mal ein Ersatzrad verkaufen. Das erschüttert die kinematographische Glaubwürdigkeit in den Grundfesten. Und ist umgekehrtenfalls ein Erfolgsschlüssel des amerikanischen Kinos!

Urs · 17.03.2005

Endlich mal ein deutscher Film, der sich nicht Beziehungsdrama ist, sondern sich mit der Gesellschaft in der wir leben und deren aktuellen Problemen beschäftigt. Hut ab vor so viel Mut!