Wendy and Lucy (2008)

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Mittwoch, 8. August 2012, ARTE, 22:35 Uhr

Eine Frau, ein Hund und ein Auto stehen im Mittelpunkt dieses Sozialdramas, das mit minimalistischem Einsatz große Wirkung erzielt. In der heutigen Gesellschaft kann man eigentlich nur bestehen, wenn man beruflichen Erfolg hat und ein normgerechtes Leben führt. Beides kann Wendy — gespielt von der ehemaligen Lebensgefährtin Heath Ledgers – nicht vorweisen, sie lebt am Rande der Gesellschaft in sozialer Isolation und zieht ihre einzige Lebensenergie aus ihrer Hündin Lucy. Ein weiteres Phänomen unserer sogenannten modernen Gesellschaft: Wenn es mit den zwischenmenschlichen Beziehungen nicht so recht gelingen will, dann werden treue Vierbeiner rasch zum Liebesersatz.

„Where are you going?“ „I’m going to Alaska!“ Ob Wendy (Michelle Williams) ihr Reiseziel allerdings erreichen wird, steht in den Sternen, denn einerseits macht ihr Auto schlapp, andererseits wird sie beim Ladendiebstahl erwischt und ihre Hündin Lucy wird von Unbekannten entführt. Diese drei Tatsachen lassen die nun obdachlose junge Frau notgedrungen einen Zwischenstopp in einer amerikanischen Kleinstadt einlegen, und fortan ist ihr Leben nur noch davon bestimmt, ihre heiß geliebte Hündin wiederzufinden. Dabei wird sie von einem hilfsbereiten Wachmann unterstützt, der ihr mit seinem Handy, ein paar Dollar und vor allem seiner Menschlichkeit unter die Arme greift. Jenseits eines idyllischen Roadmovies angesiedelt, zeigt Wendy and Lucy vielmehr den harten Überlebenskampf einer Aussteigerin, die an den kapitalistischen und moralischen Werten der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft fast zu Grunde geht. Ihr Reiseziel Alaska entsteht dabei nicht etwa aus einer romantischen Verklärtheit sondern aus einer ökonomischen Notlage heraus, damit Wendy dort in einer Fischfabrik jobben kann, denn Arbeitsplätze sind im Rest der USA rar gesät.

Kelly Reichardt nahm den Wirbelsturm Katrina, durch den viele Menschen obdachlos geworden sind, zum Anlass, einen Film über eine Frau zu drehen, die — entgegen des allgemeinen Vorurteils, „dass es an der eigenen Faulheit liegt, wenn man arm und erfolglos ist“ – nach allen Kräften versucht, sich aus ihrer Arbeitslosigkeit herauszukämpfen. Michelle Williams, die ihre schauspielerische Karriere bei – man mag es kaum glauben – „Baywatch“ begann, ist immer häufiger in Independent Produktionen zu sehen. Und das macht sie ausgesprochen gut. Eindringlich vermittelt sie die Rolle von Wendy und verleiht ihr eine so große Authentizität, dass der Film bisweilen einen dokumentarischen Charakter annimmt. Dadurch wird die Botschaft Reichardts umso intensiver vermittelt, denn sie zeigt auf, dass der Einzelne heutzutage kaum noch etwas zählt, erst recht nicht, wenn er (in diesem Fall sie) ökonomisch nicht abgesichert ist und keine beruflichen Höhenflüge aufzuweisen hat. Die westlichen leistungsorientierten Länder grenzen diejenigen aus ihrer Gesellschaft aus, die einer bestimmten Schicht angehören. Da sind die Lebenswege bereits mit der Geburt vorgezeichnet und münden wohl zwangsläufig in Armut und Ausgrenzung. Auch wenn Wendy ihr bestmöglichstes tut, um dem Abstieg zu entgehen, so führen sie die äußeren widrigen Umstände immer weiter nach unten, und Reichardt zeigt mit ihrem Drama, dass der Weg ins gesellschaftliche Aus bisweilen sehr schnell gehen kann.

Wendy and Lucy ist ein melancholisch berührender, sehr realistischer Film, der die Werte unserer westlichen Gesellschaft arg in Frage stellt, der aufzeigt, dass der amerikanische Traum vom Tellerwäscher zum Millionär reine Fiktion ist, und der das harte Leben einer Frau zum Mittelpunkt macht, die ungewollt zur Aussteigerin und somit Außenseiterin wird. Trotz der misslichen Lage, in der sie sich befindet, versucht Wendy ihre Würde zu bewahren und ihren Stolz nicht zu verlieren. Mit einem großen emotionalen Spagat schafft sie es denn auch, obwohl ihr Herz dabei auf der Strecke bleibt…
 

Wendy and Lucy (2008)

Eine Frau, ein Hund und ein Auto stehen im Mittelpunkt dieses Sozialdramas, das mit minimalistischem Einsatz große Wirkung erzielt. In der heutigen Gesellschaft kann man eigentlich nur bestehen, wenn man beruflichen Erfolg hat und ein normgerechtes Leben führt. Beides kann Wendy — gespielt von der ehemaligen Lebensgefährtin Heath Ledgers – nicht vorweisen, sie lebt am Rande der Gesellschaft in sozialer Isolation und zieht ihre einzige Lebensenergie aus ihrer Hündin Lucy. Ein weiteres Phänomen unserer sogenannten modernen Gesellschaft: Wenn es mit den zwischenmenschlichen Beziehungen nicht so recht gelingen will, dann werden treue Vierbeiner rasch zum Liebesersatz.

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