Victoria - Männer und andere Missgeschicke

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Zum Weinen komisch, zum Brüllen traurig

Manchmal, insbesondere im Bereich des Genrefilms, mag es durchaus angenehm sein, wenn ein Werk exakt das liefert, was man erwartet. Bei einem Film mit dem Titel Victoria – Männer & andere Missgeschicke wäre das dann wohl luftig-lockere romcom-Unterhaltung über eine Frau im Liebeschaos. Doch was uns die Regisseurin und Drehbuchautorin Justine Triet in ihrem zweiten Spielfilm präsentiert, ist weitaus mehr als das – und man muss ohne Zweifel sagen: zum Glück! Denn dieses Konglomerat aus Situationskomik und bitterem Ernst, aus Dialogwitz und vielsagenden Blicken ist nicht nur eine sehr spannungsreiche Rezeptur, die Justizdrama und Liebesfilm elegant zusammenfügt, sondern auch ein eindrückliches character piece mit einer komplex gezeichneten und empathisch gespielten Hauptfigur, deren Leben nicht lediglich von Männern und Missgeschicken bestimmt ist. Es geht um die Bewältigung des Alltags, um die (Un-)Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Verantwortungen, um innere sowie äußere Zwänge, um fatale Entscheidungen, die zum Kontrollverlust führen können, und um komplizierte Beziehungen fernab vom romantisch-komödiantischen Geplänkel zwischen den Geschlechtern.
Ausgangspunkt der Handlung ist die Hochzeitsfeier eines befreundeten Paares der Protagonistin Victoria (Virginie Efira). Dort hat die sichtlich angetrunkene Eve (Alice Daquet) plötzlich eine tiefe Stichwunde im Bauch – und behauptet, dass ihr Freund Vincent (Melvil Poupaud) ihr diese zugefügt habe. Der Beschuldigte bittet Victoria, ihn als Anwältin zu verteidigen, worauf diese sich nur widerwillig einlässt, da ihr als gute Freundin von Vincent die Distanz fehlt. Ferner hat die alleinerziehende Mutter zweier Töchter damit zu kämpfen, dass ihr Ex-Mann David (Laurent Poitrenaux) im Rahmen eines Blogs sowie auf Lesungen kaum verhüllt Victorias Privat- und Berufsleben preisgibt. Als Sam (Vincent Lacoste) – ein Ex-Mandant, der einst mit Drogen dealte, – um einen Job bittet, stellt Victoria den jungen Mann kurzerhand als Au-pair und persönlichen Assistenten ein und lässt ihn bei sich wohnen. Dass er Interesse an ihr hat, bemerkt Victoria zunächst nicht.

Die Geschehnisse befördern die Titelfigur bald in den emotionalen Ausnahmezustand; bemängeln ließe sich dabei, dass Virginie Efira (Birnenkuchen mit Lavendel) in ihrer Rolle selbst am tiefsten Punkt noch fabelhaft aussieht. In jeder anderen Hinsicht gelingt Triet mit ihren Teams vor sowie hinter der Kamera allerdings ein beachtliches Maß an Aufrichtigkeit, das die Probleme von Victoria – nicht zuletzt die psychischen – mit dem nötigen Feingefühl behandelt und dabei doch nie den Humor verliert. Die 2013 gestartete Sitcom Mom habe ihr gezeigt, wie weit man beim Erzählen von düsteren, trashigen Dingen gehen darf, solange man es mit Humor tue, erklärt die Filmemacherin im Presseheft – und ebenjener Mix aus eindringlich und lustig funktioniert in Victoria ganz wunderbar. Stets ist zu spüren, wie belastend die Situation sowohl im Job als auch zu Hause für die Protagonistin ist; gleichwohl bleibt Raum für Absurditäten, etwa für einen Dalmatiner vor Gericht oder für unerfreuliche Online-Dating-Debakel. Hinzu kommen eine experimentierfreudige Arbeit mit Bild und Ton sowie der schlichtweg perfekte (zweifache) Einsatz des Harry-Nilsson-Songs Without Her.

Mit Vincent Lacoste (Lolo – Drei ist einer zu viel) und Melvil Poupaud wird Efira gekonnt flankiert. Während die screwball-artige Liebesanbahnung zwischen Victoria und Sam in all ihren Höhen und Niederungen klug zu amüsieren vermag, ist das Verhältnis zwischen Victoria und Vincent bis zuletzt von Ambivalenz durchzogen. Am Ende des Films steht zum einen ein Triumph, der sich irgendwie falsch anfühlt, zum anderen eine Niederlage, die hart und ungerecht wirkt, sowie obendrein eine Liebe, die Angst macht. Wenn wir uns von Victoria und deren Umfeld verabschieden müssen, läuft es in deren Leben noch immer nicht so richtig rund – und genau darin liegt die große Stärke dieses sehenswerten Werks.

Victoria - Männer und andere Missgeschicke

Manchmal, insbesondere im Bereich des Genrefilms, mag es durchaus angenehm sein, wenn ein Werk exakt das liefert, was man erwartet. Bei einem Film mit dem Titel „Victoria – Männer & andere Missgeschicke“ wäre das dann wohl luftig-lockere romcom-Unterhaltung über eine Frau im Liebeschaos. Doch was uns die Regisseurin und Drehbuchautorin Justine Triet in ihrem zweiten Spielfilm präsentiert, ist weitaus mehr als das – und man muss ohne Zweifel sagen: zum Glück!
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