Unplugged: Leben Guaia Guaia (2012)

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Ungebunden und verkabelt

Zuerst spielen Guaia Guaia live vor der Kinoleinwand, danach ist ihr Film Unplugged: Leben — Guaia Guaia zu sehen. So lautete vorab die Ankündigung, doch die zweiköpfige Band verlegte ihr Konzert kurzerhand nach draußen. Die Musiker bauten ihre Lautsprecher schräg gegenüber des Mannheimer Odeon-Kinos auf und spielten dort eine gute halbe Stunde lang, bevor ihr Publikum ins Kino zurückging, um dort die Band-Doku zu sehen.

Sie seien Straßen- und keine Kinomusiker, hatten sie eingangs erklärt, und spielen lieber im Freien und für jeden, der vorbeikommt, als im Lichtspielhaus nur für zahlende Gäste. Mit ihren Stimmen, mit E-Gitarre, Posaune, Elektrobeats vom Laptop und Songs wie „Neues Land“ und „Alle Autos fliegen hoch“ animierten sie die Passanten zum Stehenbleiben, zum Zuhören und zum Tanz auf der Straße. Ins Kino lockten sie wohl auch mehr Zuschauer als jene, die ohnehin gezielt gekommen waren, um sich Unplugged: Leben anzuschauen.

Auch auf der Leinwand musizieren Elias Gottstein und Carl Luis Zielke, die Guaia Guaia bilden, auf Straßen und Plätzen. In Düsseldorf, Berlin, Mannheim, Frankfurt und vor einem Devotionalienladen in Oberammergau. Die Dokumentation enthält längere Sequenzen, die man gut und unverändert auch als eigenständige Musik-Videoclips ausgliedern könnte.

Der Regisseur Sobo Swobodnik, der zuletzt mit Der Papst ist kein Jeansboy den Dokumentarfilmpreis in Saarbrücken gewann, zeigt vor allem die Wege und das ungewöhnliche Leben der beiden Guaia Guaias zwischen ihren Auftritten. „Er ist recht nah an uns drangekommen, weil er die ganze Zeit dabei war“, erinnerte sich der blonde Elias Gottstein bei seinem Besuch im Kino an den Regisseur. „Die waren dabei, wo wir waren und haben da übernachtet, wo wir übernachtet haben“, beschrieb er die Zeit mit der Filmcrew.

Gottstein und Zielke, beide 23 Jahre, beide aus Neubrandenburg, haben nämlich keinen festen Wohnsitz, sind ständig unterwegs und übernachten, wo man sie (in Ruhe) lässt. Auch in Mannheim fragten sie nach der Vorstellung nach einem Unterschlupf für die Nacht und bekamen schließlich eine freie Couch angeboten.

Dieses ungebundene Dasein ist es, das der Titel Unplugged: Leben meint. Im Film sieht man Guaia Guaia nach ihren Auftritten in verschiedensten Quartieren untergekommen, bei Freunden, Fremden und bei Fans, die ihnen für eine Nacht ein Zuhause anbieten. Eine Übernachtung in der Jugendherberge kommt nicht in Frage, im Obdachlosenheim schon viel eher. Sie schlafen in einem Waggon auf dem Abstellgleis und verbringen den kalten Winter in einem notdürftig hergerrichteten Kabuff an einer Station der Berliner S-Bahn, an der kein Zug mehr hält. Ihre Kleidung und ihr Essen holen sie sich à la Taste the Waste aus dem Container und Strom zapfen sie ab, oder sie beziehen ihn über einen kleinen Dieselgenerator, den sie mit sich führen, wenn sie auf Achse sind. Früher transportierten sie ihre Musikinstrumente, den Laptop und alles, was sie brauchen, in clever umgebauten, fahrbaren Mülltonnen. Inzwischen haben sie sich, wie im Film dokumentiert, selbst die Lastenfahrräder zusammengeschweißt, mit denen sie auch vor dem Kino vorfuhren.

Sie sind obdachlos, sie haben keine Ausbildung, keine Krankenversicherung, kein Geld in der Hinterhand. Die Schule haben sie nach der zehnten Klasse abgebrochen („danach hat das Leben angefangen, vorher war es nicht so die Bombe“, sagen sie Film), und doch, erklären sie, seien selbst ihre Großeltern eins mit ihnen. „Weil sie sehen, dass wir nicht rumgammeln!“ Guaia Guaia wirken authentisch, ehrlich, sie sind idealistisch und verhalten sich hochmoralisch.

Swobodniks Unplugged: Leben — Guaia Guaia ist ein Musikfilm, der viel Dialog enthält und dem ein Stück weit die Musikalität und der Rhythmus fehlt, den der Soundtrack natürlich bietet. Einen Tag nach dem Kinostart am 11. Juli erscheint Guaia Guaias neue CD „Eine Revolution ist viel zu wenig“. Nach drei Veröffentlichungen im Eigenverlag die erste bei einem Majorlabel: Universal. Man darf gespannt sein, inwieweit und ob überhaupt diese intelligenten Jungs sich dadurch verbiegen lassen.
 

Unplugged: Leben Guaia Guaia (2012)

Zuerst spielen Guaia Guaia live vor der Kinoleinwand, danach ist ihr Film „Unplugged: Leben — Guaia Guaia“ zu sehen. So lautete vorab die Ankündigung, doch die zweiköpfige Band verlegte ihr Konzert kurzerhand nach draußen. Die Musiker bauten ihre Lautsprecher schräg gegenüber des Mannheimer Odeon-Kinos auf und spielten dort eine gute halbe Stunde lang, bevor ihr Publikum ins Kino zurückging, um dort die Band-Doku zu sehen.

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