Tu nichts Böses

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Cesare und Vittorio

Ostia ist ein Stadtteil von Rom, an der Tiber-Mündung gelegen, mit einem Strand. Die Ragazzi di Vita, schon von Pier Paolo Pasolini in seinem gleichnamigen Roman beschrieben, sind Vergangenheit, das Leben dort wird von Geld, Nachtlokalen und Kokain bestimmt. Das war bereits in Stefan Sollimas Suburra (nach dem gleichnamigen Roman von Giancarlo de Cataldo und Carlo Bonini) zu sehen, als ein Bauvorhaben an den Begehrlichkeiten verschiedener mehr oder weniger krimineller Vereinigungen zu scheitern drohte. Und auch Claudio Caligaris Tu nichts Böses erzählt von diesem Leben.
Cesare (Luca Marinelli) und Vittorio (Alessandro Borghi) schlagen sich in Ostia im Jahre 1995 als Kleindealer durchs Leben. Sie schauen auf die Süchtigen herab, sind aber selbst ihre besten Kunden und müssen mehr als einmal verzweifelt versuchen, ihren Eigenverbrauch wieder auszugleichen. Also werden ihre Tage von dem An- und Verkauf von Drogen sowie jeder Menge freie Zeit bestimmt, die sie in einer Bar, diversen Clubs oder am Strand verbringen, vorzugsweise berauscht. Vor der Polizei müssen sie sich nur selten fürchten, weit mehr ärgert sie da schon die Konkurrenz durch neue Dealer. Cesare unterstützt mit dem Geld außerdem seine Mutter und schwerkranke Nichte, deren Mutter an AIDS starb. Sie alle haben nicht wirklich eine andere Perspektive in diesem Leben. Daher machen sie sich keine Hoffnung auf ein Veränderungen oder ein besseres Leben, vielmehr suchen sie den nächsten Rausch und das schnelle Geld.

Es ist vor allem die Freundschaft dieser beiden jungen Männer, von der Claudio Caligari erzählt. Vittorio ist der überlegtere von beiden, er hat sein Temperament im Gegensatz zu Cesare weitgehend unter Kontrolle. Zusammen haben sie Spaß, teilen sich Arbeit und Drogen. Oftmals erfolgt in Filmen über Freundschaften in Verbrecherkreisen nun der unvermeidliche Aufstieg des Überlegteren, der sich früher oder später zwischen der Loyalität zum alten, unberechenbaren Freund und einem weiteren Aufstieg entscheiden muss. Tu nichts Böses aber will nicht von großen verbrecherischen Organisationen erzählen, sondern von den randständigen Menschen in Ostia. Von Männern wie Cesare, die eigentlich ein gutes Herz haben, aber eben auch vom schnellen Reichtum und einem anderen Leben träumen. Er solle nicht aufs Meer schauen, warnt ihn während eines Deals ein älterer Gauner, sonst komme er auf dumme Gedanken. Außerdem erzählt Caligari von Männern wie Vittorio, der eines Nachts zu viele Drogen nimmt und sein eigenes Spiegelbild anspuckt. Fortan will er aufhören mit den Drogen und mit dem Dealen. Er versucht, sein Leben eine neue Richtung zu geben: er wird clean, lebt mit der resoluten Linda (Roberta Mattei) und deren Sohn zusammen und verdingt sich als ungelernter Arbeiter auf dem Bau. Es ist ein hartes Leben, am Rand zum Existenzminimum. Und schon bald wird klar, dass diese Menschen hier nur dann nichts Böses tun können, wenn sie ein Leben in Armut hinnehmen.

Schon einmal hat Claudio Caligari, der in mehr als 30 Jahren nur drei Spielfilme realisierte, von den Menschen in Ostia erzählt. In seinem ersten Spielfilm Amore tossico aus dem Jahr 1983 ging es um Heroin-Junkies, die sich am Strand von Ostia den Stoff in die Adern spritzen. Dieser Film, mit Laiendarstellern gedreht, sorgte in Italien für einiges Aufsehen. Von den Heroinjunkies ist in Tu nichts Böses noch eine Spritze am Strand geblieben, in die Cesara am Strand versehentlich greift. Geblieben ist indes das Interesse des Regisseurs für die randständigen Menschen. Während Vittorio nun versucht, Cesare ebenfalls ins bürgerliche Leben zu ziehen, kann dieser den Verlockungen des prompten Rauschs nicht widerstehen. Mit ruhiger Kamera, die meist einfach dort ist und dichte Unmittelbarkeit erzeugt, entsteht eine Nähe zu diesen Figuren, die einen nicht mehr verlässt. Und dadurch wird dieser Film auch zu einer wunderbaren Erzählung über Loyalität, Wärme und lebenslange Freundschaft.

Tu nichts Böses

Die Vorstädte von Rom und Ostia, in den 90er Jahren. Die „Ragazzi di vita“, einst von Pasolini beschrieben, gehören nun zu einer Welt, in der Geld, schnelle Autos, Nachtlokale und Kokain scheinbar leicht zu haben sind. Es ist die Welt, in der sich Vittorio und Cesare, beide 20 Jahre alt, auf der Suche nach Erfolg und Bestätigung bewegen. Das neue „dolce vita“ fordert jedoch einen sehr hohen Preis. Und irgendwann trennen sich die Wege: Vittorio verliebt sich, versucht eine Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft, Cesare hingegen versinkt immer tiefer in einem Sumpf aus Drogen und Dealen. Doch Vittorio gibt seinen Freund nicht auf.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen