WIR sind Papst! - Marktl am Inn

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Am 20. April 2005 schrieb die BILD-Zeitung wieder einmal Mediengeschichte: Ihre beinahe seitenfüllende Überschrift „Wir sind Papst!“, mit der sie die Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche bejubelte, wurde schnell zum geflügelten Wort und drückte ein Hochgefühl aus, wie es die Nation sonst nur zum Titelgewinn bei Fußball-Weltmeisterschaften erfasst. Und vielleicht verfiel das Boulevard-Blatt ja gerade deswegen auf diese gewagte Formulierung, weil die letzte gewonnene Weltmeisterschaft 15 Jahre zurücklag.
Die Folgen der Entscheidung im Vatikan waren enorm. Am meisten spürte man dies wohl in Marktl am Inn, dem Geburtsort Ratzingers in der Nähe der Bayrischen Wallfahrtsortes Altötting. Bereits während der Wahl zum Pontifex bangten und zitterten die Menschen hier mit und fachsimpelten, als seien sie Eingeweihte in die Geheimnisse des Vatikan: „Wenn es schnell geht, ist es der Ratzinger“, so brachte einer der Einwohner von Marktl die Spannung während der Wahl auf den Punkt. Er sollte Recht behalten.

Was nun einsetzte in dem kleinen Ort mit 2700 Einwohnern, war eine Euphorie, wie man sie bis dahin nicht kannte. Begleitet von Dutzenden von Kamerateams aus aller Welt, die nach der Wahl das kleine Dorf heimsuchten, trieb die Papst-Begeisterung schnell seltsame Blüten – beflügelt von Kreationen wie der Papst-Bratwurst (mit getrockneten essbaren Blumen) oder der „Ratzinger-Schnitte“. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt. Auch Papst-Bier, Papst-Honig, Papst-Kräuter und andere merkwürdige Devotionalien füllten bald die Schaufenster, vom Bierkrug bis zur Benedikt-Kerze gab es kaum ein Produkt in Marktl, von dem nicht der Heilige Vater grüßte. Am schönsten trieb es der ortsansässige Italiener, der eine seine Kreationen in Pizza Papa Benedetto XVI. umbenannte – früher, so erfahren wir, trug sie den Namen „Pizza Diavolo“. Was manchen Gast zu vieldeutigen Vermutungen veranlasste und selbst den Wirt nicht mehr ernst bleiben ließ. Und wer auf die Gaumenfreunde mit päpstlichem Namen nicht vertraute, für den gab es noch das Papst-Kochbuch. Kein Wunder also, dass findige Kritiker des ganzen Traras schnell das Bonmot von der „Vermarktelung“ kreierten.

Doch selbst in Marktl war die Begeisterung keineswegs einmütig: Die Besitzerin des Geburtshauses von Papst Benedikt XVI etwa beschwerte sich über Souvenirjäger, die auf der Jagd nach einem Andenken den Putz vom Haus kratzten und Steine herausbrachen. Dank einer Stiftung der Kirche konnte verhindert werden, dass das Haus einen ähnlichen Weg als Spekulationsobjekt nahm wie der legendäre VW Golf des eiligen Vaters; heute ist es ein Begegnungszentrum der Kirche.

Dass gerade ein Protestant und noch dazu einer, der freimütig bekennt, „kein großer Kirchgänger“ zu sein, diesen Film gedreht hat, mag angesichts der unterschwelligen Kritik an den Stilblüten der Kommerzialisierung vielleicht manchen strammen Katholiken auf die Palme bringen. Andererseits wird es ja auf diese Weise vielleicht doch noch mal etwas mit der Ökumene. Die Einwohner von Marktl jedenfalls fanden den Film genau richtig. „Das ist der ehrlichste Film, den es über Marktl gibt. Andere Filme waren entweder zu verherrlichend, oder sie haben uns nur in die Pfanne gehauen“, habe ein Einwohner von Marktl nach der Erstaufführung des Films zu ihm gesagt, so berichtet der Regisseur Mickel Rentsch.

Bereits wenige Tage nach der Wahl hatte er sich nach Marktl begeben und meist ohne Team in den Straßen des Dorfes gedreht. Immer und immer wieder kehrte er nach Marktl zurück, sprach mit den bemerkenswert offenen Bewohnern des Ortes und registrierte feinfühlig die Veränderungen. Dass er dabei Missstände und Fehlentwicklungen aufdeckt, ohne die Menschen vorzuführen, gehört mit Sicherheit zu den großen Stärken dieses Films, den man in vielen Momenten als beißende Satire verstehen könnte, aber auch als Auseinandersetzung mit dem (katholischen) Glauben, wie er tatsächlich gelebt wird. Und als Bestandsaufnahme eines typischen bayrischen Dorfes voller Gläubigkeit, Geschäfts- und Gemeinschaftssinn.

WIR sind Papst! - Marktl am Inn

Am 20. April 2005 schrieb die BILD-Zeitung wieder einmal Mediengeschichte: Ihre beinahe seitenfüllende Überschrift „Wir sind Papst!“, mit der sie die Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche bejubelte, wurde schnell zum geflügelten Wort und drückte ein Hochgefühl aus, wie es die Nation sonst nur zum Titelgewinn bei Fußball-Weltmeisterschaften erfasst.
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Meinungen

Anja · 01.04.2009

muss man sehen!! So war´s wirklich.