Wilde Maus (2017)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Bobo in Nöten

Dass Kritiker es nicht leicht haben, weiß sowieso jeder, der sich vom eitlen Gepose und intellektuellen Schaulaufen der Zunft nicht beeindrucken lässt. Wenn einem die Unbilden des Lebens allerdings so vor Augen geführt werden wie in Josef Haders Regiedebüt Wilde Maus, dann erscheinen die Malaisen und Marotten real existierender Kritiker (ganz gleich, ob sich diese professionell mit Musik, Theater oder Film beschäftigen) vergleichsweise harmlos.

Denn was der Musikkritiker Georg (dargestellt vom Regisseur selbst) dort erleiden muss, ist schon mehr als eine ausgewachsene Midlife Crisis: Er verliert nach über 20 Jahren seinen Job, was er seiner Frau verheimlicht, bei der er regelmäßig und auf Anruf zum Geschlechtsverkehr antanzen muss, weil bei der Psychologin Johanna (Pia Hierzegger) mit 43 Jahren die biologische Uhr überlaut tickt, die Befruchtung aber nicht so recht klappen will. Daran sind natürlich seine Spermien schuld, die wegen seines fortgeschrittenen Alters an Geschwindigkeit verloren haben. Und seine Rachepläne an seinem ehemaligen Chef Wallner (Jörg Hartmann), der ja immerhin Auslöser der ganzen verdammten Situation ist, verlaufen ebenfalls nicht wirklich befriedigend.

Während Georg nun also seine Tage im Prater verbringt, damit die Entlassung zuhause nicht auffällt, lernt er dort Erich (Georg Friedrich) kennen, sozial einige Stufen unter dem Schreiberling angesiedelt, aber ein herzensguter Mensch, dem Georg die erste Rate für den Erwerb einer „Wilden Maus“ (also einer Achterbahn) leiht und der ihn im Gegenzug bei seinen kleinen Racheaktionen an dem smarten Wallner unterstützt. Doch der Geschädigte ist keinesfalls blöd, ahnt sehr schnell, wer hinter dem zerkratzten Porsche, dem lädierten Cabriodach und dem toten Fisch im Naturschwimmteich steckt und holt zum Gegenschlag aus, indem er sich als vermeintlicher Auftraggeber um die Coachingdienste von Johanna bemüht und dabei erfährt, dass die von der Kündigung nichts weiß. Gleichwohl spürt die Psychologin schnell, dass mit Georg etwas nicht stimmt, und so nimmt das Unglück und der Kampf an allen Fronten seinen Lauf.

Für sein Regiedebüt ist der Kabarettist und Schauspieler Josef Hader bei seinem Freund Wolfgang Murnberger in die Lehre gegangen, mit dem er zusammen die Kinoreihe um den ebenso mindestens ebenso traurigen und gescheiterten Privatdetektiv Simon Brenner (Komm, süßer Tod, Silentium, Der Knochenmann und Das ewige Leben) realisiert hat. Tatsächlich steckt viel von dieser Figur auch in der Hautperson von Wilde Maus: Derselbe Hundeblick, die gleiche beschädigte Männlichkeit, die gleiche Mischung aus Melancholie und Komik. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Privatdetektiv und dem Musikkritiker besteht indes darin, dass Brenner stets am Abgrund strauchelt, während Georg gerade erst aus seinem behaglichen Bobo-Dasein hinausbefördert wird.

Nach eher verhaltenem Beginn gewinnt Wilde Maus mit zunehmender Länge an Witz und Tempo und wird vollends absurd, wenn die Verzweiflung des Protagonisten immer tollere Kapriolen schlägt und der frustrierte Schreiberling im knallgelben Ami-Schlitten auf Rachetour in die Berge driftet. Was folgt, ist die wohl lächerlichste Prügelei unter Männern, die man seit langem im Kino gesehen hat, sowie eine Nacktverfolgungsjagd zu Fuß im Schnee. Dieses Finale furioso tröstet am Ende darüber hinweg, dass Haders Regiedebüt sich zu Beginn viel Anlauf gönnt und dass man sich seine Dekonstruktion der Abstiegsängste der bürgerlich-alternativen Eliten an einigen Stellen noch schärfer und pointierter gewünscht hätte. Aber seine Karriere als Regisseur hat ja gerade erst begonnen. Und als Autor und Darsteller ist er ja sowieso über fast jeden Zweifel erhaben.
 

Wilde Maus (2017)

Dass Kritiker es nicht leicht haben, weiß sowieso jeder, der sich vom eitlen Gepose und intellektuellen Schaulaufen der Zunft nicht beeindrucken lässt. Wenn einem die Unbilden des Lebens allerdings so vor Augen geführt werden wie in Josef Haders Regiedebüt „Wilde Maus“, dann erscheinen die Malaisen und Marotten real existierender Kritiker (ganz gleich, ob sich diese professionell mit Musik, Theater oder Film beschäftigen) vergleichsweise harmlos.

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Meinungen

walter schneider · 28.03.2017

Unterhaltsam ,kommt jedoch leider nicht an frühere Filme ran.Skurrile Szenen allein reichen nicht.Tonqualität unterirdisch,nicht der Dialekt.2 von 5 Sternen.

Achim · 14.03.2017

So ein unverständliches Wienerisch - eine Zumutung!
Vielleicht untertitelt 3sat den Film ja für´s Fernsehen, wie sie´s bei schweizer Filmen machen.
Im Kino hier so unmöglich, obwohl sicher ein sehenswerter Film.

Gabriele Habers · 13.03.2017

Leider ist die Sprache zu schlecht zu verstehen. Das wird mich daran hindern in diesen Film zu gehen, obwohl ich ihn höchst interessant finde