What Is Left

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Gesucht: die italienische Linke

Was ist nur aus der politischen Linken in Italien geworden, fragen sich die Filmemacher Gustav Hofer und Luca Ragazzi konsterniert. Es ist das Wahljahr 2013, und die beiden Anhänger der sozialdemokratischen Partei PD müssen eine Enttäuschung nach der anderen verkraften: Der Populist Beppe Grillo stiehlt dem angestammten Politbetrieb im Wahlkampf die Schau, dann tritt der PD-Vorsitzende Pier Luigi Bersani zurück und seine Partei koaliert mit Berlusconis Popolo della Libertà. „Verwirrung ist typisch links“, konstatiert die unsichtbare weibliche Ich-Erzählerin am Ende dieser quirligen filmischen Exkursion.
Die satirische Bestandsaufnahme folgt dem Titel What is Left? in seiner doppelten Bedeutung: Erstens, stellen der Südtiroler Hofer und der Römer Ragazzi fest, scheinen sich weder die Wähler, noch die Politiker selbst einig über linke Positionen zu sein. Zweitens sind die glorreichen Tage der Kommunisten und Sozialisten wohl vorbei, in denen die Parolen vom Kampf der Arbeiterklasse noch fortschrittlich klangen. Die Dokumentarfilmer besuchen Parteiversammlungen, befragen Politiker. Ohne falsche Scheu führen sie vor, wie erschreckend hohl sich die Absichtserklärungen oft anhören. Aber sie demonstrieren auch mit fröhlicher Selbstironie, wie weit ihre eigenen Meinungen auseinandergehen, sogar beim Kauf des richtigen Toilettenpapiers: Luca fremdelt mit Gustavs ökologischer Haltung.

Wie schon in Italy – Love It or Leave It aus dem Jahr 2011 nennen sich die Regisseure, die privat liiert sind, in ihren lustigen Wortgefechten vor der Kamera beim Vornamen. Ihre häuslichen Dialoge und ihre Interviews mit Bürgern und Politikern demaskieren Widersprüche, konfrontieren Wunsch und Wirklichkeit, abstrakte Ideale und praktische Naivität. Man muss sich in der italienischen Politik nicht auskennen, um diesen Film zu genießen. Die Unzufriedenheit der Bürger mit den etablierten Parteien ist ein europaweites Phänomen, die Schwierigkeiten der Linken, ihr Profil zu erneuern, ebenfalls.

Bei einem parodierten TV-Quiz treten Luca und Gustav gegeneinander an, um ihre Positionen im Links-Rechts-Spektrum zu testen: Sorgt der befristete Arbeitsvertrag für mehr Freiheit und muss man für die philippinische Putzfrau Sozialabgaben zahlen? In dieser Kabarettnummer verheddern sie sich in Wenn und Aber. Die Realität ist doch viel zu komplex für einfache Antworten! Am 1. Mai 2013 zieht es die beiden auf die Piazza San Giovanni in Rom, dem traditionellen Kundgebungsort der Kommunisten. Aber das bunte Treiben ähnelt mehr einem Stadtteilfest, als einer Demonstration von Arbeitern. Sie wundern sich über einen Mann mit Indianerkopfschmuck, der eine Weltregierung der Frauen fordert. Auch eine neu ins Parlament gewählte Aktivistin hat eine sehr spezielle Meinung darüber, was linke Politik tun soll: „Alles aus dem Blickwinkel der Schwächsten betrachten.“ Wer eine bessere Gesellschaft für alle schaffen wolle, müsse sich um die überfüllten Gefängnisse kümmern. Luca sucht Rat im Thesenpapier des im April 2013 zur PD gestoßenen Politikers Fabrizio Barca. Vielleicht kann sein Manifest zur Erneuerung der Partei endlich die dort nach all den Rückschlägen grassierende Ratlosigkeit beenden. Aber Luca stellt fest, dass er nicht versteht, was Barcas vollmundige Worte bedeuten.

Das flotte Tempo, der in Teilen eingestreute TV-Sketch und bunte kleine Animationen sorgen dafür, dass die Atmosphäre locker bleibt und auch theorielastigere Abschnitte verkraftet. Lucas und Gustavs geistreiche Schlagfertigkeit verblüfft immer wieder aufs Neue. Die Ich-Erzählerin verrät ihre Identität übrigens erst ganz am Schluss. Da haben die beiden Autoren aber schon längst vorgeführt, dass politische Aufklärung auch funktioniert, wenn man alle Klarheiten beseitigt.

What Is Left

Was ist nur aus der politischen Linken in Italien geworden, fragen sich die Filmemacher Gustav Hofer und Luca Ragazzi konsterniert. Es ist das Wahljahr 2013, und die beiden Anhänger der sozialdemokratischen Partei PD müssen eine Enttäuschung nach der anderen verkraften: Der Populist Beppe Grillo stiehlt dem angestammten Politbetrieb im Wahlkampf die Schau, dann tritt der PD-Vorsitzende Pier Luigi Bersani zurück und seine Partei koaliert mit Berlusconis Popolo della Libertà.
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