Wer ist Oda Jaune?

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Die mehrdeutige Sprache der Malerei

Wie nähert man sich KünstlerInnen dokumentarisch an, wie verlockt man sie dazu, sich zu öffnen und Einblicke in ihre Arbeitsweise zu geben? Die deutsch-bulgarische Malerin Oda Jaune, die in Paris lebt, stellt dort in der Galerie von Daniel Templon aus, die schon Werke von Andy Warhol und Roy Lichtenstein zeigte. Mit ihren surrealen Bildern, die menschliche Gestalten und herausquellende Organe, Lächeln und Verstörung, Liebe und Tod kombinieren, hat sich die Mittdreißigerin in der Kunstszene längst einen eigenen Namen gemacht. Dabei ist der Künstlername ganz konkret eine Erfindung ihres 2007 verstorbenen Mannes Jörg Immendorff: Er schenkte ihn ihr, seiner einstigen Meisterschülerin Michaela Danowska, in Form eines liebevoll gestalteten Passbüchleins, wie die Malerin in einer anrührenden, intimen Szene dieses filmischen Porträts erzählt. Es bildet den Abschlussfilm von Kamilla Pfeffer an der Kunsthochschule für Medien Köln.
Wie nähert man sich also einer solchen Künstlerin an? Pfeffer beschreitet mehrere Wege und macht dabei alles richtig, auch wenn sie nicht immer Erfolg hat. Sie schaut der Malerin im Atelier über die Schulter, stellt ihr vor einem dunklen Hintergrund alle möglichen Fragen vom künstlerischen Vorbild bis zum inneren Lebensalter, hört ihr auch in Arbeitspausen oder auf dem Sofa zu. Außerdem befragt sie Dritte wie den Galeristen Templon, den Schauspieler Lars Eidinger, den Regisseur Thomas Ostermeier, eine Kunstsammlerin und den Künstlerkollegen Jonathan Meese über die Malerin oder ihre Bilder.

Doch schon beim Zuschauen im Atelier fangen die Probleme an: Oda Jaune fühlt sich gestört, das Filmteam soll nicht die ganze Zeit vor Ort sein. Sie könne sich nicht auf ihr inneres Erleben konzentrieren, sagt sie. Dennoch sind diese Szenen im Atelier am ergiebigsten, denn Oda Jaune erklärt und führt auch praktisch vor, wie prozesshaft sie ihre Bilder malt. Statt eine fertige Idee vor Augen zu haben, lässt sie sich von ihren Eingebungen und Stimmungen leiten. Sie malt eine liegende Frau, die den Mund geöffnet hat, als würde sie vor Schmerz schreien. Oda Jaune sagt, es könne sich auch um ein Gähnen handeln, da sei noch alles völlig offen. Das Bild wird im Laufe des Films nicht vollendet, die Malerin wendet sich anderen Werken zu, etwa einem Feuerball in Herzform. Er entsteht auf einer schwarzen Leinwand, die später hell übermalt wird.

Doppel- und mehrdeutig, geheimnisvoll wirken ihre Bilder. Haben Motive wie Sexualität und Tod etwas Gewalttätiges oder sind sie nur aufrichtig, vielleicht sogar tröstlich? Oda Jaune erzählt, dass sie ihren Werken lange Zeit gar keine Titel gab, um den Betrachtern die Freiheit der Interpretation nicht zu rauben. Dieser Maxime des Kryptischen bleibt Oda Jaune in den Interviews treu. Sie nach der großen Liebe, dem Wesen der Kunst, den Quellen ihrer Inspiration zu fragen, stellt sich als naiv heraus. Wiederholt verweist die sanft, aber bestimmt auftretende Künstlerin darauf, dass ihre Sprache die Malerei sei. Sie liebe unter anderem Picasso, Dürer, Gauguin – nun ja, wer tut das nicht? Nie ist die Rede von einer Stilrichtung, einer künstlerischen Gruppe, der sich Oda Jaune eventuell zugehörig fühlte. Es bleibt dem Maler Jonathan Meese überlassen zu sagen, dass Oda Jaune „keine Netzwerkerin“, sondern eine „ganz hermetische Figur“ sei.

Vielleicht wird Kamilla Pfeffer in zehn oder 20 Jahren noch einen weiteren Film über Oda Jaune drehen und dabei neue, andere Antworten erhalten. So aber bleibt die Titelfrage weiterhin als halbes Rätsel stehen, das den Blick mit sanfter Macht von der Person auf ihr Werk und dessen Sprache zurücklenkt.

Wer ist Oda Jaune?

Wie nähert man sich KünstlerInnen dokumentarisch an, wie verlockt man sie dazu, sich zu öffnen und Einblicke in ihre Arbeitsweise zu geben? Die deutsch-bulgarische Malerin Oda Jaune, die in Paris lebt, stellt dort in der Galerie von Daniel Templon aus, die schon Werke von Andy Warhol und Roy Lichtenstein zeigte. Mit ihren surrealen Bildern, die menschliche Gestalten und herausquellende Organe, Lächeln und Verstörung, Liebe und Tod kombinieren, hat sich die Mittdreißigerin in der Kunstszene längst einen eigenen Namen gemacht.
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