Von Bananenbäumen träumen

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ein Dorf investiert in die Zukunft

In Deutschland sinkt die Einwohnerzahl in zwei Drittel aller ländlichen Gemeinden. Die Menschen wandern, wie in anderen Gegenden Europas auch, in die Städte ab. Die Dokumentarfilmerin Antje Hubert, die selbst auf dem Land aufgewachsen ist, stellt ein Dorf im norddeutschen Landkreis Cuxhaven vor, das sich mit Tatkraft und innovativen Ideen gegen die Landflucht stemmt.
In Oberndorf, einem Ort mit 700-jähriger Geschichte, gab es vor 20 Jahren noch 70 Bauernhöfe, diese Zahl hat sich mittlerweile halbiert. Während der Dreharbeiten, die Anfang 2014 begannen, wurde den 1400 Einwohnern auch die Grundschule und die Sparkassen-Filiale genommen. Dennoch hat das Dorf seither eine vielversprechende Entwicklung durchgemacht. Die Oberndorfer gründeten eine Bürgeraktiengesellschaft und betreiben nun eine Biogasanlage mit angeschlossener Fischzucht. Die Gewinnausschüttung der Ostewert AG, benannt nach dem örtlichen Fluss Oste, ist gedeckelt, um in soziale Projekte investieren zu können.

Eine Weile sah es so aus, als würde aus den hochtrabenden Plänen, die mit Berliner Projektentwicklern erarbeitet wurden, nichts. Denn allein der Bauantrag für die Biogas- und Fischzuchtanlage lag ein Jahr bei verschiedenen Behörden. Jetzt aber steht sie: Mit der Abwärme der Biogasanlage wird die Aquakultur beheizt. Dabei wird ein Rohstoff verwertet, den es in der Region im Überfluss gibt: Gülle. Ursprünglich wollten die Oberndorfer auch noch Bananenbäume anpflanzen, die mit dem Kot der afrikanischen Welse gedüngt werden sollten. Vielleicht bleibt dieser Teil weiterhin nur ein Traum, aber die Oberndorfer haben gelernt, sich Träume zu gestatten. Und auch die Kinder wetteifern den Erwachsenen im Pläneschmieden nach, der Begriff „Projekt“ gehört längst zu ihrem Wortschatz.

Antje Hubert verfolgt bis ins Jahr 2016 hinein nicht nur die Entstehung des neuen Unternehmens, sondern auch, was sonst noch zum Dorfalltag gehört: das Beisammensein in der gemütlichen Kneipe, die eine aus der Stadt zugezogene Bewohnerin mit anderen gründete, den Aufbau einer Nachmittagsbetreuung in der verwaisten Schule. Als das unternehmerische Projekt dann langsam Gestalt annimmt, tauchen neue Probleme auf. Zum Beispiel fürchten die Oberndorfer um ihre Entscheidungshoheit, als immer mehr Auswärtige in die Aktiengesellschaft investieren. Auch muss bei der Mitsprache ein Kompromiss gefunden werden zwischen Spezialisierung und Basisdemokratie.

Animierte Welse schwimmen gelegentlich in der Luft, durch die Dorfstraße, an den Häusern vorbei oder sogar bis hoch zum Vollmond. Und auf der Wiese wachsen einmal gezeichnete Bananenbäume. Mit solchen verspielten Einlagen und einer naiv-unternehmungslustigen Musikbegleitung spiegelt der Film die Amateurhaftigkeit, die das Projekt der Oberndorfer lange ausstrahlt, sie aber nicht entmutigt. Auch die Unterteilung der Narration in Kapitel, die „Ich will jetzt einen schnellen Erfolg“ oder „Gebt uns noch zwei Jahre Zeit“ heißen, verweist darauf, dass es sich hier um eine abenteuerliche Reise in unerforschtes Terrain handelt. Die Oberndorfer erweisen sich als humorvoll und schätzen den Zusammenhalt, der sich beim Aufbau des gemeinsamen Wirtschaftsunternehmens gebildet hat.

Dieser Film kann anderen ländlichen Gemeinden und Dorfgemeinschaften Mut machen, sich mit ähnlichen Projekten gegen die Landflucht und die Resignation zu stemmen. Dass solche Prozesse einen langen Atem erfordern, wird nicht verschwiegen. Aber engagierte Bürger können, wie das Beispiel Oberndorf zeigt, ihr Lebensumfeld aktiv und nachhaltig gestalten, statt sich nur über zaudernde Politiker zu ärgern.

Von Bananenbäumen träumen

In Deutschland sinkt die Einwohnerzahl in zwei Drittel aller ländlichen Gemeinden. Die Menschen wandern, wie in anderen Gegenden Europas auch, in die Städte ab. Die Dokumentarfilmerin Antje Hubert, die selbst auf dem Land aufgewachsen ist, stellt ein Dorf im norddeutschen Landkreis Cuxhaven vor, das sich mit Tatkraft und innovativen Ideen gegen die Landflucht stemmt.
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