Violette (2013)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Ausnahmefrauen

Frankreich liebt seine Intellektuellen: Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Jean Genet usw. Jetzt kommt ein Film über eine Frau ins Kino, die mit all diesen Menschen zu tun hatte, sie verehrt hat und von ihnen für ihren Mut und ihre schriftstellerische Ehrlichkeit geschätzt wurde: Die Autorin Violette Leduc. Und wieder einmal — was ja nicht allzu häufig vorkommt — schafft es ein Biopic, ein differenziertes Bild von seiner Hauptfigur zu zeichnen, nebenbei eine spannende Geschichte zu erzählen und die Stimmung des intellektuellen Paris in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf der Leinwand spürbar zu machen.

Violette (Emmanuelle Devos) ist auf der Suche nach Liebe — zuallererst nach der ihrer Mutter Berthe (Catherine Hiegel), aber auch der ihres Schein-Ehemanns Maurice Sachs (Olivier Py), nach der von Mentorin und Mäzenin Simone de Beauvoir (Sandrine Kiberlain) und auch der von den anderen Intellektuellen, die nach der Veröffentlichung ihres ersten Romans L’Asphyxie ihr Leben bereichern. Man könne nicht einfach nur Freund von Violette sein, stellt Simone einmal fest. Eben weil Violette immer mehr will, nach mehr sucht als dem, was sie in einer gewöhnlichen Freundschaft bekommen würde, weil sie sich so sehr nach Liebe, Anerkennung, Wertschätzung sehnt.

Auch deshalb ist es so schwer für Violette, mit ihrem anfangs nur mäßigen Erfolg zurechtzukommen. Während Simone de Beauvoir für Le deuxième sexe in der ganzen Stadt und darüber hinaus gefeiert wird, muss Violette Exemplare ihrer Romane in den Buchhandlungen von Paris regelrecht suchen und sich Sorgen um ihre Existenz machen. Daran verzweifelt sie immer wieder von Neuem. Wäre da nicht Simone, die sie immer wieder in ihrem Tun und Schreiben bestärkt, sie davon überzeugt, dass sich das Weitermachen lohnt: Man werde sie als Schriftstellerin noch verehren, daran glaubt die berühmte Denkerin fest. Und so sorgt Simone auch dafür, dass die junge Schriftstellerin ein kleines monatliches Gehalt erhält, um zu leben und weiterschreiben zu können.

Es ist auch Simone, die sich um Violette kümmert, als diese nach einem Zusammenbruch in ein Sanatorium gebracht wird, und die Rechnungen bezahlt. Violette ist in eine tiefe Depression gestürzt, von der sie sich nur schwerlich erholt. Dann jedoch fängt sie von vorne an und schreibt ein neues Buch, ihre Autobiografie La Bâtarde — und diese verhilft ihr zum Durchbruch. Plötzlich berichten die Pariser Zeitungen auch über sie, Violette Leduc, die erstmals über die weibliche Sexualität und „wie ein Mann“ schreibe. Das ist es, was die beiden Frauen miteinander verbindet: Ihr Vorreiterdenken, ihr Mut, sich über traditionelle Rollen hinwegzusetzen, sich in der Liebe auszuprobieren, offen über ihre sexuellen Erfahrungen zu sprechen oder — in Violettes Fall — auch über ihre Liebe zum selben Geschlecht oder die Abtreibung, die sie hat vornehmen lassen, als sie ungewollt schwanger geworden war.

Diese Ausnahmefrauen verkörpern die Darstellerinnen auf sehr authentische Art und Weise. Sandrine Kiberlain ist die Simone de Beauvoir, die man schon immer vor Augen hatte, und in manchen Momenten ist sie so stark und überzeugend, dass man meint, man sitze in einem Film über Simone de Beauvoir: Eine starke, kluge, wohlüberlegte Frau, die trotz aller Schaffenslust und Visionen ein großes Herz hat. Und Emmanuelle Devos gelingt es, den permanenten Zwiespalt auszudrücken, in dem Violette lebt: Sie genießt es, Freundin von Simone, Jean Genet (Jacques Bonnaffé) und Jacques Guérin (Olivier Gourmet) zu sein. Und gleichzeitig verzweifelt sie daran ebenso wie an der selbst empfundenen Hässlichkeit, dem anfangs mäßigen Erfolg, den ärmlichen Verhältnissen, in denen sie immer wieder leben muss. Ihre Augen lassen auch in der größten Euphorie die Müdigkeit und Sehnsucht erkennen, die darunter liegen, und drücken den großen Schmerz aus, mit dem sie liebt und lebt.

Der Film von Martin Provost schafft außerdem ein glaubwürdiges Milieu und nimmt einen richtiggehend mit in das Paris der 1950er und 60er Jahre, versprüht dessen Atmosphäre und vermittelt auf gelungene Art und Weise, wie man sich als Kunstschaffender in der Metropole gefühlt, wie man gelebt haben muss. Auch hierbei hat man das Gefühl „Genauso habe ich mir das vorgestellt!“, ohne dass der Film zum Klischee wird.
 

Violette (2013)

Frankreich liebt seine Intellektuellen: Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Jean Genet usw. Jetzt kommt ein Film über eine Frau ins Kino, die mit all diesen Menschen zu tun hatte, sie verehrt hat und von ihnen für ihren Mut und ihre schriftstellerische Ehrlichkeit geschätzt wurde: Die Autorin Violette Leduc.

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