Vielleicht in einem anderen Leben

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die letzten Tage

Im April des Jahres 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als alles bereits vorbei schien, zeigte sich die hässliche, die menschenverachtende Seite des Nationalsozialismus noch einmal derart ungeschönt, dass es einem auch heute noch die Sprache verschlägt. In den so genannten „Todesmärschen“ wurden die Überlebenden Insassen der Konzentrationslager im Osten des Großdeutschen Reiches nach Westen gebracht, wo das Vernichtungswerk zu seinem Ende gebracht werden sollte. Nicht selten endeten diese Märsche in schrecklichen Massakern, die nicht zuletzt dazu dienen sollten, Zeugen der Massenvernichtung zum Schweigen zu bringen. 1994 thematisierte der österreichische Regisseur Andreas Gruber, basierend auf realen Ereignissen in seinem Film Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen, solch einen Fall. Mit Vielleicht in einem anderen Leben von Elisabeth Scharang folgt nun fast 20 Jahre später ein ähnlicher Film, der ebenfalls auf die schrecklichen Realitäten des Kriegsendes Bezug nimmt. Die Geschichte basiert auf dem Theaterstück Jedem das Seine von Silke Hassler und Peter Turrini.
Plötzlich sind sie da und ihre Gegenwart wirkt wie ein Schock auf die Anwesenden: 19 ausgemergelte und zerlumpte ungarische Juden, unter der Führung von SS-Obersturmbannführer Schöndorf (Alexander Meile), stranden in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in einem kleinen Dorf in Niederösterreich. Weil die Bewacher nicht mehr weiter wissen, wie man mit den Gefangenen verfahren solle, werden diese kurzerhand in die Scheune des verbitterten Bauern Stefan Fasching (Johannes Krisch) gesteckt, der früher mal ein glühender Nazi war. Durch den Tod seines Sohnes hat Fasching aber alle seine Überzeugungen und beinahe auch jeden Lebensmut verloren. Ganz anders seine Frau Traudl (Ursula Strauss) und die getreue Magd Poldi (Franziska Springer), die Mitleid haben mit den Gefangenen und sie mit Suppe und Brot versorgen. Zum Dank für die gute Tat und um die weitere Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen, kommt der frühere Tenor Lou Gandolf (Péter Végh) auf die Idee, die Operette „Wiener Blut“ einzustudieren. Und wieder einmal zeigt sich, dass Musik die Fähigkeit besitzt, Grenzen zu überwinden und Menschen miteinander zu versöhnen. Was allerdings nicht für alle Dorfbewohner gleichermaßen gilt.

So lobenswert das Aufgreifen eines gerade in Österreich gerne verdrängten Themas auch ist – Vielleicht in einem anderen Leben macht es sich ein wenig zu einfach und dadurch wiederum dem Zuschauer unnötig schwer, sich auf den Film einzulassen. Fast scheint es so, als habe sich die Theaterhaftigkeit des Ursprungstextes und nicht die Realität der historischen Ereignisse wie ein Schleier über die Inszenierung Scharangs gelegt. Vielfach erinnert der Film eher an abgefilmtes Freilufttheater. Das liegt nicht allein an den Darstellern, sondern auch an der schwerfälligen mise-en-scène und an der Klischeehaftigkeit der Figurenzeichnung, die niemals darüber hinausreicht, bloße Funktionsträger in einem klar definierten Schwarzweiß-Schema von Gut und Böse zu sein. Wo so viel Eindeutigkeit herrscht, dass man jede einzelne Figur allein durch den bloßen Augenschein in die jeweilige Gruppe einordnen kann und wo jegliche Nuance der zweifellos guten Absicht geopfert wird, verpufft die humane Botschaft des Films nahezu wirkungslos.

Die Holprigkeiten und dramaturgischen Löcher setzen sich zudem in anderen Bereichen nahtlos fort: Eine Bewachung der Gefangenen scheint im Verlauf des Films nicht mehr vorzukommen, doch statt die Gelegenheit zur Flucht zu nutzen, harren die Inhaftierten aus und scheinen geradezu darauf zu warten, wie die Lämmer zur Schlachtbank geführt zu werden – ein Verhalten, das ebenso unverständlich wie ärgerlich (weil vor allem von Klischees inspiriert) ist. Gleichermaßen unmotiviert ist auch das Verhalten Stefan Faschings, der sich allein durch die Kraft der Musik in Windeseile vom resignierten Nationalsozialisten in einen erbitterten Verteidiger der Juden verwandelt, ohne dass es zuvor für solch einen Sinneswandel auch nur das geringste Anzeichen gegeben hätte.

Die mangelnde Faszination, die trotz des interessanten Themas von Vielleicht in einem anderen Leben ausgeht, ist das Ergebnis vieler kleiner und größerer Schnitzer, die von der guten Absicht nicht sehr viel mehr übriglassen als die Erkenntnis, dass solch ein Thema eine überzeugendere Form, eine schlüssigere Dramaturgie und mehr Fingerspitzengefühl bei der Psychologie der Figuren verdient gehabt hätte.

Vielleicht in einem anderen Leben

Im April des Jahres 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als alles bereits vorbei schien, zeigte sich die hässliche, die menschenverachtende Seite des Nationalsozialismus noch einmal derart ungeschönt, dass es einem auch heute noch die Sprache verschlägt. In den so genannten „Todesmärschen“ wurden die Überlebenden Insassen der Konzentrationslager im Osten des Großdeutschen Reiches nach Westen gebracht, wo das Vernichtungswerk zu seinem Ende gebracht werden sollte.
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