Utopia Ltd.

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Im Schlund des Musikgeschäfts

Mit 18 „Superstar“ und mit 20 schon wieder vergessen – das Musikgeschäft spuckt in immer schnelleren Verwertungszyklen neue Talente auf den Markt. Aber der überstürzte Hype ist kein Naturgesetz, wie Sandra Trostel in ihrer ebenso mitreißenden wie klug analysierenden Dokumentation über die Hamburger Band „1000 Robota“ zeigt. Der Film eröffnete die Berlinale-Reihe „Perspektive deutsches Kino“. Eine Ehre, die in den vergangenen Jahren meist Spielfilmen zuteil wurde.
Für die 2007 gegründete Postpunk-Band kommt der Erfolg quasi über Nacht. Der 18-jährige Sänger und Gitarrist Anton Spielmann und seine jüngeren Freunde Basti Muxfeldt (Bass) und Jonas Hinnerkort (Schlagzeug) spielen gerade mal ein paar Monate zusammen, als sie von dem Indie-Label „Tapete Records“ einen Plattenvertrag bekommen. Mehr noch: Anton Spielmann kann bei der Firma eine Ausbildung machen – sozusagen ein „bodenständiger“ Beruf parallel zu der künstlerischen Karriere. Denn in seinem Habitus und Auftreten ist das Trio nicht gerade marktkonform. Die Texte sind aggressiv und gesellschaftskritisch, der Sound rau und rotzig. Die Musik ist so wild und ungeschliffen, dass es darüber zum Streit mit der Plattenfirma kommt. Seinen eigenen Weg gehen oder sich reinreden lassen – das wird zum Dreh- und Angelpunkt von Utopia Ltd., weit über das Musikgeschäft hinaus.

Schon der Bandname macht klar, in welch postpubertärem Spannungsfeld sich die hinausgeschriene Wut der äußerlich braven Punker bewegt. Als Roboter betrachten sie den „normalen“ Menschen, den vorgezeichneten Lebensweg mit all seinen Kompromissen und Abstrichen an den ursprünglichen Idealen. So wollen die drei jungen Hamburger aus der schicken Eigenheimsiedlung natürlich nicht enden. Deswegen schreiben sie das Wort „Robota“ am Ende mit einem „a“. Ein Symbol für das Anderssein und vielleicht für eine gute Portion Anarchie.

Keine Frage: Gerade bei Band“leader“ Anton Spielmann gerinnt der Freiheitsdrang nicht selten zur selbstverliebten Pose. In schönster pubertärer Manier grenzt er sich von allem und jedem ab, wittert überall Agenten des Systems, die ihm seine ans Arrogante grenzende Einzigartigkeit rauben wollen. Aber jenseits der Egomanie lässt der Film immer auch das berechtigte Anliegen spüren, den Wunsch nach unverfälschtem künstlerischen Ausdruck, nach einem selbstbestimmten Leben.

Man fühlt, wie sehr Regisseurin Sandra Trostel, die ursprünglich als Cutterin begonnen hat, in ihrem ersten langen Dokumentarfilm diese Sehnsucht teilt. Und obwohl sie eine eher beobachtende Haltung an den Tag legt und sich jedes Kommentars enthält, lebt ihre Arbeit von der Einfühlungskraft, die in den klug montierten Bildern zum Ausdruck kommt. So entsteht ein Mix aus Konzertfilm, Roadmovie und Gesellschaftskritik, das den Zuschauer mitnimmt auf eine Reise mit unbekanntem Ziel.

So offen, aber auch so hoffnungsvoll wie die Karriere von „1000 Robota“ ist ja letztlich das Leben selbst. Jedenfalls dann, wenn man sich einlässt auf die Höhen und Tiefen einer Karriere, die – wenn sie menschenfreundlich verlaufen soll – niemals so steil nach oben (und dann wieder nach unten) gehen kann, wie es in trendigen Talentshows vorgegaukelt wird.

Utopia Ltd.

Mit 18 „Superstar“ und mit 20 schon wieder vergessen – das Musikgeschäft spuckt in immer schnelleren Verwertungszyklen neue Talente auf den Markt. Aber der überstürzte Hype ist kein Naturgesetz, wie Sandra Trostel in ihrer ebenso mitreißenden wie klug analysierenden Dokumentation über die Hamburger Band „1000 Robota“ zeigt. Der Film eröffnete die Berlinale-Reihe „Perspektive deutsches Kino“. Eine Ehre, die in den vergangenen Jahren meist Spielfilmen zuteil wurde.
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