Until the Light Takes Us

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

In norwegischen Dunkelstahlgewittern

Glückliches Norwegen: Nirgendwo anders auf der Welt lebt es sich besser als in dem skandinavischen Land. Das behauptet zumindest eine Studie der Vereinten Nationen. Diesen Spitzenrang verteidigt das Land im hohen Norden übrigens schon seit einigen Jahren. Eine intakte Natur, ein ausgewogenes Sozialsystem und der enorme Reichtum an Bodenschätzen – ist also alles perfekt im Land der Fjorde und Fjells? Mitnichten. Denn hier liegen die Ursprünge einer Musikszene, deren martialisches und ambivalentes Auftreten dem Bild von den ebenso glücklichen wie wohlhabenden Norwegern diametral gegenüber steht. Norwegen gilt neben Schweden als eine der Brutstätten des Black Metal – in den 1980ern und 1990ern führten die Verherrlichung des Nationalsozialismus und diverse Brandstiftungen in norwegischen Kirchen schließlich zu Verhaftungen von weiten Teilen der Szene.
In Until the Light Takes Us untersuchen die beiden aus den USA stammenden Filmemacher Aaron Aites und Audrey Ewell (beide sind mit der Musikszene eng verbunden, wenngleich sie eigentlich keine ausgewiesenen Black-Metal-Fans sind) das Entstehen und die Entwicklung jener brachialen Spielart des Heavy Metal, die für so viel Aufruhr, Skandale und Negativschlagzeilen sorgte. Durch einen Freund, der ihnen Black-Metal vorspielte, entdeckten die beiden Regisseure zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie wider Erwarten durchaus etwas mit der Musik anfangen konnten: „Wir hatten das Gefühl, wir hörten etwas wirklich Originelles, Komplexes und Relevantes.“ Zunehmend fasziniert „von den unmittelbaren Elementen, ihrer Vitalität, der beeindruckenden Visualität und dem puren Wahnsinn der Dinge, die diese Leute sagten“ machten sie sich auf die Spurensuche nach den Ursprüngen und dem gewalttätigen Mythos der Bewegung.

Stellvertretend für die Szene bilden ausführliche Interviews mit zwei Protagonisten des Black Metal, dem Drummer Gylve „Fenriz“ Nagell und dem wegen Mord und Brandstiftung zu 21 Jahren Haft verurteilten Gitarristen Varg „Count Grishnackh“ Vikernes sowie vielen Anderen den Rahmen für die Dokumentation.

Trotz ihrer bewegten Vorgeschichte und den manchmal recht kruden Ansichten der Musiker, deren Weltbild aus einer Mischung unreflektierter Faszination für den Nationalsozialismus und dessen Ästhetik sowie einer gefährlichen Melange aus Neo-Heidentum, diffusen Globalisierungsängsten sowie radikalem Antiamerikanismus besteht, hört man den beiden durchaus eloquenten Männer zu. Dass die Aufarbeitung der Geschichte des Black Metal dennoch ambivalent ausfällt, liegt vor allem an der Komplexität der Materie und den fehlenden Verweisen auf die politischen Strukturen und Einflüsse, die vor allem Varg Vikernes für einen Teil der Szene zu einer Symbol- und Märtyrergestalt machen. Die Bewegung ist durchaus komplexer und vielschichtiger, als es der Film darzustellen vermag. Als Einführung in das Phänomen Black Metal liefert Until the Light Takes Us vor allem Hinweise auf extreme und extremistische Entwicklungen, ohne diese in den politischen Kontext einzuordnen. Das muss der (wenig in der Materie bewanderte) Zuschauer dann nach dem Film schon selbst leisten.

Until the Light Takes Us

Glückliches Norwegen: Nirgendwo anders auf der Welt lebt es sich besser als in dem skandinavischen Land. Das behauptet zumindest eine Studie der Vereinten Nationen. Diesen Spitzenrang verteidigt das Land im hohen Norden übrigens schon seit einigen Jahren. Eine intakte Natur, ein ausgewogenes Sozialsystem und der enorme Reichtum an Bodenschätzen – ist also alles perfekt im Land der Fjorde und Fjells? Mitnichten.
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