Tristia – Eine Schwarzmeer-Odyssee

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Die Anrainer - Eine fröhliche Kulturschau

Von der Ukraine aus über Russland, Abchasien, Georgien, Türkei bis Bulgarien und Rumänien: Stanislaw Mucha konnte mit seinem Filmteam als erster überhaupt die nicht kleinen Schwierigkeiten bei der Umrundung des Schwarzen Meeres meistern. Auch dank der deutschen Filmförderlandschaft, die die oft immensen Bestechungsgelder, die an Unterwelt und an Grenzübergängen gezahlt werden mussten, auch ohne Quittungen durchgewinkt haben.
Von den Schwierigkeiten, für alles bezahlen zu müssen, von Tchibo-Kaffee bis 10.000 Euro, erzählt der Film nicht. Nein: Er bietet eine fröhliche Kulturschau und kommt mit seinem gewitzten, witzigen Blick den porträtierten Menschen und Gesinnungen nahe genug. Die Menschen, denen er begegnet, nimmt er mit Humor, er kitzelt auch aus ihnen den ihnen eigenen Humor heraus; und verdichtet dabei die Kuriosiäten, die Absurditäten, denen Mucha auf seiner Reise nachspürt, zu lakonischer Komik.

Das geht vom Verkauf von Hunden und Kalaschnikows auf dem Straßenmarkt von Odessa über die immer wieder aufblitzende Abneigung gegen das jeweilige Nachbarvolk – das Mucha natürlich in eigener Anschauung ebenfalls zeigt –, über die Sotschi-Olympia-Baustelle (gedreht wurde im Sommer 2013) und die vielen zerfallenen Bauruinen bis hin zu bizarren Tourismus-Szenen in Bulgarien, wo „Botox mobil, Botox to fuck“ – die Spritze für 100 Euro – angeboten wird und die abendliche Unterhaltung aus dem „Miss Silikon“-Wettbewerb besteht.

Dem Untertitel „Eine Schwarzmeer-Oodyssee“ gemäß kommt Mucha immer wieder auf die antiken Mythologien zu sprechen, in der Türkei, wo die Amazonen lebten, in Georgien, wo eine gigantische Medea-Statue steht (2diese Prostituierte!“); und gleich zwei Städte, in der Ukraine und in Bulgarien, nehmen für sich in Anspruch, das Exil von Ovid gewesen zu sein, mit jeweils unterschiedlichen Auslegungen: Ovid als politischer Gegner Caesars, als Autor anstößiger Gedichte, oder als Liebhaber von Caesars Schwester…?

Diesen Reminiszenzen an antike Sagen stellt Mucha die modernen Mythologien gegenüber, die sich Politik und Gesellschaft in den Staaten um das Schwarze Meer herum angeeignet haben; was gerne zu Krieg führt, die Kriege um Georgien werden direkt thematisiert (und der aktuelle Ukrainekonflikt nimmt nicht wunder, wenn man diesen Film gesehen hat); massenhaft Leninstatuen in unterschiedlichem Zustand des Verfalls sind zu sehen, ab und zu hat einer auch mal einen freundlichen Hitlergruß für das deutsche Filmteam übrig.

Dabei ist der Film bei allem satirischen Aspekt eine Liebeserklärung an die Bewohner der Schwarzmeer-Anrainerstaaten, die in ihren Eigenarten porträtiert, in ihrer Freundlichkeit gezeigt werden (die, hinter den Kulissen, durch kleine Gegengeschäfte entgolten wurden). Nur manchmal, zur humorigen Atmosphäre des Films, überbeansprucht Mucha seine Protagonisten. Lässt einen jungen Mann ein Dutzend mal seinen Rückwärtssalto wiederholen, wieder und wieder; oder interviewt eine beleibte, alte Touristin aus Leningrad, die wie ein gestrandeter Wal im Sandstrand in den anrollenden Wellen liegt und ein Lied übers Schwarze Meer singen soll.

Tristia – Eine Schwarzmeer-Odyssee

Von der Ukraine aus über Russland, Abchasien, Georgien, Türkei bis Bulgarien und Rumänien: Stanislaw Mucha konnte mit seinem Filmteam als erster überhaupt die nicht kleinen Schwierigkeiten bei der Umrundung des Schwarzen Meeres meistern. Auch dank der deutschen Filmförderlandschaft, die die oft immensen Bestechungsgelder, die an Unterwelt und an Grenzübergängen gezahlt werden mussten, auch ohne Quittungen durchgewinkt haben.
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