The Nightmare

Eine Filmkritik von Stephan Langer

Alptraum mit roten Augen

Regisseur Rodney Ascher (Room 237) leidet an Schlafparalyse. Also beschäftigt er sich mit dem Thema und macht darüber einen Dokumentarfilm mit dem Titel The Nightmare. Das ist naheliegend und nachvollziehbar. Nur: Die Art und Weise, wie er das macht, gibt einem zu denken – oder sagen wir besser: Sie gibt einem doch leider nicht allzu viel Substantielles zum Nachdenken.
Nun ist ein Film ja keineswegs verpflichtet, etwas zum Nachdenken zu liefern, aber… beginnen wir beim Thema, der Schlafparalyse oder auch Schlaflähmung. Dieses Phänomen zeichnet sich durch die nahezu vollständige Lähmung der Muskulatur während des Schlafs aus, nicht betroffen ist die Augenmuskulatur. Menschen liegen also nachts bewegungsunfähig und wach im Bett. Zu diesem völligen Bewegungs- und Reaktionsversagen kommt eine Unfähigkeit zu sprechen oder auch nur willentlich den Atem zu steuern. Oft wird ein solches Erlebnis durch außerkörperliche Erfahrungen und Halluzinationen verschiedenster Sinne begleitet, die starke Ängste auslösen.

Ascher hat nun acht Personen, die an Schlaflähmung leiden, zu ihren Erfahrungen befragt und präsentiert in The Nightmare ihre persönlichen Erzählungen des nächtlichen Schreckens. Sie sind allesamt unheimlich faszinierend und faszinierend unheimlich, nur leider vertraut der Film dem Gruselgehalt des gesprochenen Wortes nicht, sondern bebildert die Geschichten. Das nimmt ihnen leider einen Großteil des Effekts: Sie werden nachgestellt mit Schauspielern, Kostümen und auf audiovisueller Ebene durch reißerische Low-Budget-Effekte ergänzt. An vielen Stellen verursacht die gewählte Optik der nachgestellten Szenen insgesamt eher Komik als Grauen. Mit zunehmender Dauer des Films stellt sich dann noch ein fades Gefühl ein, weil die erzählten Geschichten sich immer mehr gleichen. Der Filmtitel deutet durch seinen bestimmten Artikel und seine Singularform The Nightmare ja bereits eine gewisse repetitive Struktur an. Das Erleben der Schlafparalyse beginnt meist mit einem Kribbeln wie bei einem leichten Elektroschock. Dann schildern die Gesprächspartner ein schweres Gewicht auf der Brust, das sie belastet und unbeweglich macht. Gleichzeitig spüren sie eine deutliche Präsenz im Raum, die sich ihnen langsam nähert, oft von hinten. Das ist dann ein Schattenmann, manchmal auch ein Hutmann – beide zeichnen sich durch ihre roten Augen aus.

Mehrmals deutet The Nightmare während der Interviews visuell eine wissenschaftliche Ebene an, indem Wissenschaft-TV-Bilder von feuernden Synapsen gezeigt werden. Auf eine tiefergehende Analyse wartet man indes leider vergebens. Stattdessen driften die Meinungen immer mehr in Richtung Mystery und Esoterik: eine Frau hat über das Erleiden der Schlaflähmung zum Glauben (und ihrem Mann) gefunden, andere sehen Aliens in den nächtlichen Erscheinungen. Gemeinsam ist ihnen aber die Bezeichnung der ungebetenen Schlafzimmergäste als „böse“. Immer wieder ist von diesem Bösen die Rede, das einen heimsucht, was immer es auch sein soll. Der inneren Logik von The Nightmare folgend erscheint es allerdings wieder schlüssig, dass die geheimnisvolle Atmosphäre des Films hingebungsvoll kultiviert wird, ohne mit einem Gegengewicht zu konfrontieren, denn: Ascher hat sich auf formaler Ebene für einen Hybrid entschieden, nämlich für einen Horror-Dokumentarfilm anstatt eines gewöhnlicheren Dokumentarfilms.

Diese Form beinhaltet eben unerklärliche Momente. Zu viel dargebrachte Rationalität würde dem Mystery- und Horroranteil des Films entgegenlaufen, nüchterne, analytische Töne wären fehl am Platz innerhalb einer Inszenierung, der es vorrangig darum geht, möglichst aus erster Hand erfahrbar zu machen, wie es diesen Menschen in ihrem Erleiden ergeht. Das ist keinesfalls bedauernswert, aber indem durchweg eine erklärende Ebene verweigert wird, in die die Geschichten eingebettet werden könnten, hat The Nightmare eine oberflächliche Eindimensionalität. Und das ist wiederum in jedem Fall zu bedauern.

Ein Kontext hätte dem Film und den Zuschauenden gut getan. Dabei geht es nicht darum, Aschers gewählten Ansatz zu bekämpfen, sondern ihm weitergehendes Verständnis hinzuzufügen, indem durch etwa neurowissenschaftliche Betrachtungsweisen das behandelte Phänomen differenzierter dargestellt wird. Auch verpasst es der Film zu fragen, inwiefern Menschen von einem kollektiven Filmgedächtnis beeinflusst sind, wenn viele von ihnen von ähnlichen halluzinativen Bildern oder Figuren sprechen, die aus Filmen entstammen. Ohne diese zusätzlichen Stufen verbleibt der Erkenntnisgehalt des Films auf der anfänglichen Stufe: Die Schlafkrankheit ist ein unheimliches Mysterium, den Zuschauenden wird der Zutritt zum kollektiven Alptraum der acht Menschen mithin verweigert. Sie erfahren nur, wie sich eine Schlaflähmung anfühlen mag, nicht aber, was dieser Zustand ist und wie er funktioniert. Damit bleibt von The Nightmare trotz des überaus ansprechenden Themas im besten Fall nichts weiter als der flüchtige Eindruck eines inhaltlich leider etwas dünnen Films voll atmosphärisch aufgeladener Stimmung.

The Nightmare

Regisseur Rodney Ascher („Room 237“) leidet an Schlafparalyse. Also beschäftigt er sich mit dem Thema und macht darüber einen Dokumentarfilm mit dem Titel „The Nightmare“. Das ist naheliegend und nachvollziehbar. Nur: Die Art und Weise, wie er das macht, gibt einem zu denken – oder sagen wir besser: Sie gibt einem doch leider nicht allzu viel Substantielles zum Nachdenken.
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