The Liberator

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Simón Bolívar als heroisierter Befreier

Das Vorhaben, ein derart von Mythen umwobenes Leben wie das des legendären Freiheitskämpfers Simón Bolívar (1783-1830) in ein knapp zweistündiges Historiendrama zu bannen, stellt selbst für ein 50 Millionen US-Dollar Projekt wie The Liberator aus dem Jahre 2013 eine enorme Herausforderung dar. Der selbst aus dem venezuelischen Caracas stammende Regisseur Alberto Arvelo und der US-amerikansiche Drehbuchautor Timothy J. Sexton (Children of Men), der für diesen historischen Stoff eigens in der Herkunftsregion Simón Bolívars im damaligen spanischen Vizekönigreich „Neugranada“ und heutigen Venezuela recherchiert hat, haben sich dieser mit jeder Menge Herzblut gestellt. Entstanden ist dabei in aufwändiger, bildgewaltiger Inszenierung ein Geschichtsepos mit respektvoller Verneigung vor der noch heute nicht nur in Lateinamerika verehrten bis glorifizierten Figur des „El Libertador“, der etliche Allianzen geschaffen und Schlachten angeführt hat, um den Kontinent von der spanischen Kolonialmacht zu befreien.
Hatte er auch als Kind früh seine Eltern verloren, wächst der Junge Simón Bolívar (Eric Toala) als Sprössling einer reichen Familie der kreolischen Oligarchie doch behütet und bestens gebildet auf einer Kakao-Plantage in Neugranada auf. Durch die enge Verbindung mit seinem Privatlehrer Simón Rodríguez (Francisco Denis) und dessen kritische Haltung den kolonialen Machtverhältnissen gegenüber reift in dem heranwachsenden Mann (Édgar Ramírez) früh der Geist einer freiheitlichen Grundeinstellung, die später im Zuge von Europaaufenthalten vor allem durch die Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution gefördert und gefestigt wird. In Spanien verliebt und verheiratet sich Simón Bolívar mit der so schönen wie klugen María Teresa (María Valverde) und kehrt gemeinsam mit ihr nach Neugranada zurück, wo sich in seinen Kreisen allmählich der Widerstand gegen die nunmehr seit 300 Jahren herrschende Hegemonie der Spanier formiert. Doch noch schwelgt der junge Aristokrat im frischen Liebesglück mit seiner Frau, die allerdings sein Bewusstsein für das Unrecht der Sklaverei und die Anmaßungen der dortigen Vertreter der spanischen Krone einmal mehr schärft.

In dem Bemühen, einerseits Aspekte der Persönlichkeit, sozusagen des „privaten“ Simón Bolívar sowie seiner Entwicklung und andererseits seine sozialpolitischen und militärischen Aktivitäten vor dem historischen Hintergrund zu erzählen, rückt The Liberator drei signifikante Lebensphasen in den Fokus seiner Dramaturgie, die mit zahlreichen bedeutsamen Details zu den Begegnungen und Beziehungen des Befreiers angereichert werden: Seine Zeiten als junger Liebender, sein Exil nach dem Scheitern der ersten Kämpfe und sein beschwerlicher Durchmarsch als großer Feldherr, der mit der Enttäuschung und dem Verrat seiner Werte und Ziele abschließt. Dabei konzentriert sich der Film vor allem auf markante Momente aus dem Mythos um Simón Bolívar, der allerdings hierzulande ungleich weniger zirkuliert als in den Ländern ehemals Hispanoamerikas und ohne entsprechendes Vorwissen kaum zu identifizieren ist. Doch nicht zuvorderst historische Präzision, sondern vielmehr eine fiktive Heldengeschichte soll hier einem breiten Publikum präsentiert werden, um an den Geist Simón Bolívars und seiner Errungenschaften für die Befreiung eines unterdrückten Kontinents und aus der Sklaverei zu erinnern und diese angemessen zu würdigen. Und in dieser Hinsicht gelingt dem Film trotz temporärer, durchgehetzt anmutender Raffungen das durchaus sensible Porträt einer historischen Figur und ihres Wirkens, das seit Alessandro Blasettis Simón Bolívar aus dem Jahre 1969 mit Maximilian Schell in der Hauptrolle keinen Raum mehr im Kino fand.

Édgar Ramírez vermag es als Libertador zweifellos, sein Publikum zu faszinieren, auch wenn es kaum physische Ähnlichkeiten zum historischen Vorbild gibt. Nach dem allzu raschen, durch Gelbfieber verursachten Tod seiner Frau gewinnt dieser Charakter deutlich an Konturen und Charisma, so dass er als aufrichtig agierender Befreier überzeugt und sich nach anfänglicher Blässe zu einem glaubwürdigen, großartigen Protagonisten entwickelt. Die Stärke von The Liberator liegt auch darin, seine Schwächen und Ambivalenzen zu zeigen, um seine Entwicklungen zu dokumentieren und seine Menschlichkeit zu betonen, die auch in seiner Leidenschaft für aparte, wache Weiblichkeiten verortet ist. Dass in dieser Form und diesem Format historische Fakten zugunsten erzählerischer Intensitäten vernachlässigt werden, kompensiert die DVD von Pandastorm durch die Beilage eines interessanten Booklets mit Textgestaltung des Kölner Universitätsprofessors Michael Zeuske, der als Historiker und Bolívar-Experte wertvolle Informationen zur tatsächlichen Geschichte des heroisierten Befreiers in Bezug auf die filmische Präsentation beisteuert.

The Liberator

Das Vorhaben, ein derart von Mythen umwobenes Leben wie das des legendären Freiheitskämpfers Simón Bolívar (1783-1830) in ein knapp zweistündiges Historiendrama zu bannen, stellt selbst für ein 50 Millionen US-Dollar Projekt wie „The Liberator“ aus dem Jahre 2013 eine enorme Herausforderung dar.
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