The D-Train

Ein menschenverachtender Film

Es gibt immer mal wieder Filme, die entblößen – mehr versehentlich als absichtlich –, in was für einer Gesellschaft sie entstanden sind. The D-Train ist ein perfektes Beispiel dafür. Denn was eine lustige Independent-Komödie mit einem Twist werden sollte, offenbart en detail, was die US-amerikanische Gesellschaft (und unsere?) für männlich hält und was nicht. So richtig klar ist es ihnen wahrscheinlich nicht, aber Andrew Mogul und Jarad Paul entlarven sich mit diesen Film selbst. Und es ist nicht schön anzusehen.
Dan Landsman (Jack Black) ist einer dieser Typen, die in der High School ignoriert wurden. Und das, obwohl er sich schon dort bemühte, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und endlich „cool“ zu sein sowie mit den „coolen“ Leuten abzuhängen. High Schools sind harsche soziale Systeme, in denen der Status alles bedeutet. Nicht umsonst sagt man Teenagern, die innerhalb dieser Hierarchien ganz unten stehen, es werde besser. Und auch für Dan ist es besser geworden. Immerhin hat er eine fantastische Frau, die ihn nicht nur liebt und unterstützt, ihm nicht nur einen fantastischen Sohn geschenkt hat, sondern — und das ist ganz wichtig für Dan und den Film als Ganzes – auch attraktiv ist und damals in der High School (die beiden waren im gleichen Jahrgang) cooler war und mehr Freunde hatte. Dan hat sich quasi in der High-School-Hierarchie nach oben gearbeitet. Das Problem ist nur: Selbst 20 Jahre später agiert er, als würden die eigenartigen Schulregeln noch immer gelten. Und so gesehen, ist er immer noch nicht cool, nicht Manns genug – denn das Status-Upgrade über seine Frau reicht nicht.

Er braucht noch die Bestätigung anderer, cooler Männer. Und die bekommt er nicht einmal von den inzwischen selbst recht abgeranzten Schulkameraden, die mit ihm zusammen im Komitee für das nächste Klassentreffen sitzen. Doch dann sieht er Oliver Lawless (James Marsden), einen ehemaligen Klassenkameraden, in einer Werbung und ist sofort besessen. Oliver ist quasi ein Star, der es „geschafft“ hat. Er sieht gut aus, er ist Schauspieler, ja, Oliver ist genau das, was Dan braucht. Er ist der coole Typ, in dessen Clique er sein muss, um endlich aufzusteigen. Und so fährt Dan nach L.A., um ihn zu suchen. Um nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben, fingiert er ein Arbeitstreffen mit einem neuen Kunden und zieht seinen alten Chef über den Tisch, der ihm vertraut. In L.A. trifft er Oliver, der offensichtlich nichts weiter als ein abgehalfterter Kleindarsteller ist, der es eben nicht „geschafft“ hat. Aber die beiden „Loser“ geben sich gegenseitig, was sie brauchen: eine Projektionsfläche für Männlichkeit. Der eine kann sich mit dem anderen schmücken, der andere kann in dessen Bewunderung suhlen. Und so kommt es zu der wohl schlimmsten Idee, die dieser Film hat: Oliver, geschmeichelt von der Begeisterung Dans, verführt diesen zu einem One Night Stand. Eigentlich eine schöne und interessante Sache; auf den ersten Blick könnte man meinen, die amerikanische Hysterie in Sachen Homosexualität würde endlich aufgehoben.

Aber: nein. Im Gegenteil. Ab da verliert der Film, der bisher nur wenige Pointen lieferte, völlig die Kontrolle und wird unerträglich in seiner Borniertheit und seinem Sexismus. Allein die Darstellung des Sexes ist unerträglich. Ganze drei Sekunden sieht man Dans entsetztes Gesicht während er von hinten genommen wird. Nichts deutet darauf hin, dass hier etwas Schönes stattgefunden hat. Im Gegenteil, auf visueller Ebene gleicht es einer Vergewaltigung. Und nun wird dieser sexuelle Kontakt zum einzigen Thema, zur einzigen punchline, um die sich der Film in absoluter Hysterie dreht. Denn, und das ist die eigentliche Aussage, wenn man schon Homo-Sex hat, dann muss man wenigstens der Aktive sein. Wer sich von anderen Männern in den Hintern vögeln lässt, der ist ganz unten in Sachen Männlichkeit.

Das Ärgerliche an The D-Train ist aber nicht nur, dass den Filmemachern nicht bewusst ist, was für schreckliche Aussagen sie treffen. Es ist vor allem das verlorene Potenzial, das der Film im Grunde hat und in jeder Minute weiter und weiter verspielt. Vor allem Jack Black bemüht sich hier redlich. Doch gegen die Dümmlichkeit und vor allem die Unansehnlichkeit der Charaktere und ihrer Beziehungen hat er keine Chance. Nicht eine der Hauptfiguren entwickelt sich in diesem Film, nicht eine reflektiert über sich und ihre Umwelt mehr als ein, zwei Sekunden, nicht eine von ihnen hat auch nur im Geringsten etwas Freundliches oder Liebenswertes an sich.

Und so verfehlt der Film völlig sein Genre und sein Ziel, eine lustige, transgressive Komödie zu sein und ist am Ende nur ein Werk voller Figuren, die sich an einer engen, unangenehmen, repressiven Idee von Männlichkeit festhalten und dabei freiwillig untergehen — ein menschenverachtender Film.

(Festivalkritik Filmfest München 2015 von Beatrice Behn)

The D-Train

Es gibt immer mal wieder Filme, die entblößen – mehr versehentlich als absichtlich –, in was für einer Gesellschaft sie entstanden sind. „The D-Train“ ist ein perfektes Beispiel dafür. Denn was eine lustige Independent-Komödie mit einem Twist werden sollte, offenbart en detail, was die US-amerikanische Gesellschaft (und unsere?) für männlich hält und was nicht.
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Meinungen

Anne Dwight · 01.11.2017

Meiner Meinung nach sollte dieser Film genau das sein. Zynisch, pessimistisch, und vor allem: keine Komödie. Wer die Idee hatte, alles mit Jack Black als Komödie zu verkaufen, sollte bis an sein Lebensende High School Musical in Dauerschleife gucken müssen.

Ich glaube auch nicht, dass man für Dan Landsman Sympathien aufbauen soll. Etwas Mitleid vielleicht, aber keine Sympathie. Und genau das gelingt, weil Jack Black gar nicht versucht, der Figur was Sympathisches zu geben. Wäre das Ende nicht so wischiwaschi (ich hatte etwas Drastisches wie Selbstmord erwartet), wäre es auch besser rausgekommen, denke ich.

Hallervorden hat auch lange kämpfen müssen, um als Schauspieler ernst genommen zu werden. Ich würde Jack Black von Herzen wünschen, dass er nicht derartig lange warten muss, bis die Leute mal kapieren, dass er eben nicht nur die eine Sache kann.