Stopping - Wie man die Welt anhält (2015)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Suche nach innerer Ruhe

Die Sehnsucht nach innerer Ruhe und Ausgeglichenheit ist geradezu symptomatisch geworden für unsere Zeit, in der alles immer schneller, effizienter, optimierter von der Hand gehen muss. Das alltägliche Hamsterrad der Doppelt- und Dreifachbelastung, der ständigen Erreich- und Verfügbarkeit, die permanente Reiz- und Informationsüberflutung, all das betrifft keineswegs nur „High Performer“, wie mancher fälschlicherweise glauben mag, sondern nahezu jeden von uns. Burn-out, psychische Krankheiten in Folge von Überlastung oder das chronische Erschöpfungssyndrom sind längst auf dem besten Weg dahin, zu echten Volkskrankheiten zu werden. Ein Weg aus der Krise, der auch als Präventionsmaßnahme bestens funktioniert, ist die Meditation. Diese Jahrtausende alten Kulturtechnik widmet sich der Filmemacher Bernhard Koch in seinem Dokumentarfilm Stopping – Wie man die Welt anhält und zeigt dabei vier verschiedene Fallstudien, Richtungen und Wege auf dem Weg zu mehr Gelassenheit, Ausgeglichenheit und Harmonie mit sich selbst.

Friedrich beispielsweise ist Anästhesist und will im Allgäu in einem buddhistischen Zentrum die Kunst der Vipassana-Meditation erlernen, die nicht an die Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft gebunden ist. Dorothea, eine Lektorin aus London hingegen hat für sich den Weg der Achtsamkeitsmeditation MBSR (Mindfulness-Base Stress Reduction) gewählt, die der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn in den 1970er Jahren in den USA entwickelte. Uta, eine Mutter dreier Kinder, die sich mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Nachwuchs wünscht, hat sich der anthroposophischen Meditation zugewandt, während der Theologe Nico in einem norddeutschen Kloster Zazen-Übungen aus der Zen-Meditation absolviert.

Ergänzt werden die Geschichten von Interviews mit Lehrern der unterschiedlichen Denk- und Glaubensschulen, wobei der Benediktiner-Pater Anselm Grün zu jenen gehören dürfte, die in der breiteren Öffentlichkeit am bekanntesten sind. Die Prominenz Grün wird aber aufgewogen durch die Eloquenz, das Charisma (und ja, auch) die Weisheit von Menschen wie Lama Ole Nydahl, dem Mitbegründer des Diamantweg-Buddhismus in Deutschland und anderen Meistern der Meditation.

Das Schöne an Stopping – Wie man die Welt anhält ist, dass der Film sich nicht auf eine Denk- oder Glaubensrichtung festlegt, sondern vielmehr die Vielschichtigkeit verschiedener Strömungen darstellt. Auf diese Weise wird der Film nicht zu einem Plädoyer für eine Geisteswelt, die sich im Besitz der alleingültigen Wahrheit glaubt, sondern es steht vielmehr die Praxis im Mittelpunkt des Interesses. Und genau deswegen verfolgt man die unterschiedlichen Wege mit größerem Interesse – weil sie dem Zuschauer die Wahlfreiheit lassen, für sich selbst das Passende zu finden. Grundvoraussetzung ist natürlich eine gewisse Aufgeschlossenheit dem Gegenstand gegenüber, aber die ist bei Filmen mit einer solchen oder ähnlichen Thematik sowieso vorauszusetzen. Bisweilen hat man freilich das Gefühl, dass hier oftmals mit verschiedenen Worten das Gleiche ausgesagt wird — die Grundfigur des Films gleicht einem Kreisen um ein inneres Zentrum, was andererseits die prinzipielle Herangehensweise an das Meditieren wiedergibt: Es ist ein Kreisen um das Nichts als innersten Kern.

Doch so lebensbejahend und humanistisch (im Sinne von „auf den Menschen zentriert“) Stopping – Wie man die Welt anhält auch sein mag: Ungeklärt bleibt die Frage, ob Meditation bei allem Nutzen nicht doch nur wieder ein weiterer Weg ist, an den Symptomen herumzudoktern, statt die Ursachen für das Gefühl der permanenten Überforderung anzugehen. Aber wahrscheinlich wäre das eine derartige Herkulesaufgabe, dass keine Macht der Welt sie bewältigen könnte.
 

Stopping - Wie man die Welt anhält (2015)

Die Sehnsucht nach innerer Ruhe und Ausgeglichenheit ist geradezu symptomatisch geworden für unsere Zeit, in der alles immer schneller, effizienter, optimierter von der Hand gehen muss. Das alltägliche Hamsterrad der Doppelt- und Dreifachbelastung, der ständigen Erreich- und Verfügbarkeit, die permanente Reiz- und Informationsüberflutung, all das betrifft keineswegs nur „High Performer“, wie mancher fälschlicherweise glauben mag, sondern nahezu jeden von uns.

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Meinungen

Karl Jena · 18.03.2015

" Ungeklärt bleibt die Frage, ob Meditation bei allem Nutzen nicht doch nur wieder ein weiterer Weg ist, an den Symptomen herumzudoktern, statt die Ursachen für das Gefühl der permanenten Überforderung anzugehen."
Genau das geschieht durch Meditation in Verbindung mit Erklärungen aus der buddhistischen Philosophie/Psychologie. Man lernt die Ursachen der Überforderung kennen. Durch Meditation und Übung kann jeder diese bei sich beseitigen. Ich kann diesen Weg nur empfehlen.

Giovatra · 13.03.2015

In dem Film "Stopping", ein Film über Meditation !?. Inhaltlich werden nur "Entspannung- und Achtsamkeits Übungen" behandelt. Technik die einen Weg zur Meditation vorbereiten. Was Meditation wirklich ist bleibt für Herrn Koch und Herrn Landmark noch geheim.

Dodo · 09.03.2015

Sehr anregender Film. Besonders eindrucksvoll ist, dass das Thema von so verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Es können sowohl erfahrene Meditationslehrer ihre Philosophie und ihr Verständnis vom Sinn und Zweck von Meditationen zum Ausdruck bringen als auch Neugierige und Novizen, die gerade anfangen, sich mit dem Thema zu befassen. Der Film regt an nachzudenken und sich vertieft mit der Materie auseinanderzusetzen.