Stonehearst Asylum

Die Mauern des Wahns

Dank einer beachtlichen Riege an britischen Charakterdarstellern kann Brad Anderson mit der freien Edgar Allen Poe-Adaption an seine besseren Regiearbeiten anknüpfen. Schon Der Maschinist und dessen ähnlich strukturierter Vorläufer Session 9 beschäftigten sich mit schleichendem Wahnsinn, wobei die Protagonisten bald nicht mehr zwischen Realität und (Alp-)Traum unterscheiden konnten. Stonehearst Asylum dreht sich dagegen stärker um suspekte Behandlungs- und Heilungsmethoden von mental unstabilen Patienten. Sowohl die in der Filmhistorie schon mehrfach adaptierte Poe-Story Das System des Doktor Teer und Professor Feder als auch die aktuelle Verfilmung kritisieren die unmenschlichen Zustände in den psychiatrischen Anstalten des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Abgesehen vom Pro- und Epilog mit Brian Gleeson spielt die Story von Weihnachten bis Neujahr 1899 im Stonehearst-Institut für psychisch kranke Menschen. Am nebeligen Weihnachtsabend taucht Dr. Edward Newgate (Jim Sturgess) vor den Toren des in einer felsigen Berglandschaft gelegenen Geländes auf. Während ihn der sinistre Wärter Mickey Finn (David Thewlis) misstrauisch beäugt, empfängt Dr. Lamb (Ben Kingsley) seinen enthusiastischen jungen Assistenten mit offenen Armen. Newgate zeigt sich vom Umstand überrascht, dass sich die Patienten bei Feierlichkeiten oder Gemeinschaftsessen unter das Personal mischen dürfen. Weitaus mehr interessiert ihn jedoch die attraktive Eliza Graves (Kate Beckinsale), die aufgrund rabiater Attacken auf ihren Mann Charles (Ben Kingsleys Sohn Edmund) eingewiesen wurde. Trotz ihrer mysteriösen Warnung lässt sich Newgate nicht von seine positive Einstellung abbringen, was sich bald ändert, als er auf Dr. Salt (Michael Caine) trifft, den angeblichen Anstaltsleiter.

Nach dem ersten Drittel ändert sich die Stoßrichtung des Plots, der zunächst stärker an den Gothic Horror im Stil der Hammer Filme erinnert. Dagegen stellt der sozialkritisch angehauchte Mittelteil die rabiaten Behandlungsmethoden wie Elektroschocks für geistig verwirrte Patienten in Frage, wozu laut Dr. Lambs Auszählung ebenfalls Homosexuelle zählen. Gleichsam erscheint die Methode als wohlfeiles Mittel, um unliebsame Zeitgenossen mundtot zu machen. Anderson verdeutlicht, dass sich Dr. Lamb und Dr. Salt im Ernstfall doch nicht allzu sehr voneinander unterscheiden. Trotz einiger Pointen aus dem Repertoire des Irrenhaus-Repertoires zeichnet er seine Charaktere weitgehend ambivalent, was auf den typengerecht besetzten David Thewlis als gewalttätigen Hausmeister weniger zutrifft.

Obwohl sich im Verlauf mit der langsam erstarkten Zuneigung zwischen Newgate und der in Zwiespalt geratenen Eliza Graves stärker Sentimentalitäten einschleichen, bleibt Stonehearst Asylum dem Geist der klassischen Hammer-Filme stärker ergeben als die zumeist schwachen Werke des neu erstarkten Studios. Neben den soliden Darstellern ist dies der aufwändigen Ausstattung und der atmosphärischen Fotografie zu verdanken. Entwickelt sich die Handlung der zweiten Hälfte mit Anleihen beim Melodram weitgehend gradlinig, kann der Plot am Ende doch noch mit einer überraschenden Wendung aufwarten.

Mühe gab sich der Verleih zudem bei der Synchronisation, wo mit Peter Matić (Ben Kingsley) oder Jürgen Thormann (Michael Caine) mancher Stammsprecher zum Einsatz kam. Auf die Veröffentlichung selbst trifft es weniger zu, denn das Making-of der US-Scheibe sucht man vergeblich.

Gregor Ries

Stonehearst Asylum

Dank einer beachtlichen Riege an britischen Charakterdarstellern kann Brad Anderson mit der freien Edgar Allen Poe-Adaption an seine besseren Regiearbeiten anknüpfen. Schon „The Maschinist“ und dessen ähnlich strukturierter Vorläufer „Session 9“ beschäftigten sich mit schleichendem Wahnsinn, wobei die Protagonisten bald nicht mehr zwischen Realität und (Alp-)Traum unterscheiden konnten.
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