Spuren (2013)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Allein in der Wüste

Raus aus dem Alltagstrott und rein in ein unvorhersehbares Abenteuer. Davon hat sicher jeder schon einmal geträumt. Den Mut, sich wirklich ins Ungewisse zu stürzen und dafür an seine Grenzen zu gehen, bringen am Ende aber nur die Wenigsten auf. Zu verführerisch sind geregelte Abläufe und wohldosierte Beständigkeit. Nicht so im Fall der Australierin Robyn Davidson, die in den 1970er Jahren ihr Großstadtleben konsequent hinter sich ließ und durch eine außergewöhnliche Wüstenwanderung weltweit auf sich aufmerksam machte. Spuren heißt das 1980 erstmals veröffentlichte Buch, in dem sie ihre Erfahrungen beschreibt. Und das nun als Vorlage für John Currans Rekonstruktion ihrer Reise diente. Ein filmisches Abenteuer, das prächtige Landschaftsaufnahmen zu bieten hat und existenzielle Fragen umkreist.

1975 kommt die 25-jährige Davidson (Mia Wasikowska) ins staubige Wüstenstädtchen Alice Springs, wo sie den Umgang mit Kamelen trainieren will, um zu Fuß das Outback bis zum Indischen Ozean durchqueren zu können. Das alles ohne menschliche Begleitung. Familie und Freunde halten ihr Vorhaben schlichtweg für verrückt, können Robyn aber nicht zum Umdenken bewegen. Verbissen arbeitet sie für ihren Traum, muss jedoch einige Rückschläge hinnehmen und erkennt irgendwann, dass sie finanzielle Unterstützung braucht. Als glückliche Fügung erweist sich hier die Bekanntschaft mit dem umtriebigen Fotografen Rick Smolan (Adam Driver), der Robyns Reise für das National Geographic-Magazin sporadisch dokumentieren will. Gemeinsam mit ihrem treuen Hund Diggity und vier Lastkamelen stürzt sich die junge Frau im Jahr 1977 schließlich in ihr wagemutiges Abenteuer. Eine 2700 Kilometer lange Odyssee durch größtenteils unbewohntes Gebiet, das für den Menschen so manche Tücken bereithält.

Schon die Tatsache, dass Davidson ihre Reise überhaupt antreten konnte, zeugt von einem beträchtlichen Durchsetzungswillen. Von Mut und Entschlossenheit, wie sie keineswegs allgegenwärtig sind. John Currans filmische Aufarbeitung zeichnet vor diesem Hintergrund das Bild einer eigenwilligen, faszinierenden und starken Frau, die gleichzeitig von einer großen Verunsicherung angetrieben wird. Den Lebenssinn, der im hektischen Zivilisationsalltag nicht greifbar scheint, hofft sie auf ihrer einsamen Wanderung zu finden. Sie will sich selbst neu entdecken und wird dabei mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Erinnerungen an den Selbstmord ihrer Mutter brechen hervor und lassen vermuten, dass Robyn dieses Ereignis noch lange nicht verarbeitet hat. Eindeutige Aussagen vermeidet Spuren allerdings konsequent. Auch wenn die Protagonistin die Gründe für den Aufbruch gelegentlich aus dem Off kommentiert, bleibt sie dank des differenzierten Spiels der Hauptdarstellerin stets ein wenig rätselhaft.

Hat die Reise ins Unbekannte einmal begonnen, legt sich eine nahezu meditative Stimmung über den Film. Nicht zuletzt erzeugt durch die beeindruckenden Bilder der australischen Weite, die Mensch und Tier klein und unbedeutend erscheinen lässt. Wir beobachten Robyn, wie sie mit ihrem Hund und den Kamelen durch karges, aber wunderschönes Busch- und Wüstenland zieht, Ruhepausen einlegt und sich mit der Stille vertraut macht. Kontrastiert werden diese Phasen durchdringender Einsamkeit mit Momenten der Interaktion. Etwa wenn der redselige Aborigine Eddy (Rolley Mintuma) Davidson ein kleines Stück begleitet, da sie nicht alleine über heiliges Territorium laufen darf. Respekt vor den Ureinwohnern Australiens kommt hier ebenso zum Ausdruck wie die Erkenntnis, dass freundschaftliche Annäherung auch über sprachliche Barrieren hinweg möglich ist.

Eine recht zwiespältige Beziehung verbindet die Hauptfigur hingegen mit ihrem Sponsor Smolan, den Robyn sporadisch trifft, damit er die vereinbarten Fotos schießen kann. Eine lästige Pflicht, die dem eigentlichen Zweck der Wanderung entgegensteht und die Abenteurerin zusätzliche Nerven kostet, da Rick allzu sehr um eine launige Atmosphäre bemüht ist. Zuneigung und Abweisung der jungen Frau schwanken unaufhörlich, was dem pragmatischen Amerikaner sichtlich Kopfzerbrechen bereitet und einige durchaus komische Situationen heraufbeschwört.

Ähnlich wie seine Protagonistin befindet sich der Film auch in erzählerischer Hinsicht in einer Art Schwebezustand. Das Geschehen fließt bedächtig vor sich hin und unterläuft damit ganz bewusst vorherrschende Dramaturgie-Regeln. Wirklich große Wendepunkte gibt es nicht. Dafür eine Reihe kleinerer Zwischenfälle, die jedoch stets sehr schnell ihren bedrohlichen Charakter einbüßen. Mit zunehmender Dauer schleicht sich so eine gewisse Monotonie ein, die das Gefühl eines einsamen Wüstenmarsches vielleicht treffend übersetzt, den Zuschauer aber auch ein ums andere Mal zu verlieren droht. Das ist trotz all der reizvollen Impressionen dann doch etwas schade.
 

Spuren (2013)

Raus aus dem Alltagstrott und rein in ein unvorhersehbares Abenteuer. Davon hat sicher jeder schon einmal geträumt. Den Mut, sich wirklich ins Ungewisse zu stürzen und dafür an seine Grenzen zu gehen, bringen am Ende aber nur die Wenigsten auf. Zu verführerisch sind geregelte Abläufe und wohldosierte Beständigkeit. Nicht so im Fall der Australierin Robyn Davidson, die in den 1970er Jahren ihr Großstadtleben konsequent hinter sich ließ und durch eine außergewöhnliche Wüstenwanderung weltweit auf sich aufmerksam machte

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Meinungen

wignanek-hp · 12.06.2014

Die letztliche Kritik kann ich nicht verstehen. Was hätte denn da noch eingebaut werden sollen? Oder sind es unsere eigenen Sehgewohnheiten, denen der Film entgegensteht? Halten wir so viel "Nichts" gar nicht mehr aus? Ich jedenfalls fand den Trip bis zur letzten Minute spannend. Und die Hauptdarstellerin war phänomenal. Ich habe selten einen so guten Film über Australien gesehen.