Spectre

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Die Vergangenheit gibt keine Ruhe

Viel wurde in letzter Zeit darüber diskutiert, ob Daniel Craig die James-Bond-Rolle nach Spectre, seinem vierten Agentenabenteuer, an den Nagel hängen würde. Interviewäußerungen ließen auf eine Amtsmüdigkeit des Schauspielers schließen. Und auch der fertige Film legt einen Abschied nahe, verkündet der berühmte Geheimdienstler gegen Ende doch, dass er nun Besseres zu tun habe. Gleichzeitig spricht sich die mächtige Bond-Produzentin Barbara Broccoli vehement für einen Verbleib ihres jetzigen Hauptdarstellers aus, da sie ihn für die ideale Besetzung hält. Das Publikum darf also gespannt sein, wie es in dieser Causa weitergeht, wobei man Craig einen etwas überzeugenderen Abschied wünschen möchte. Denn auch wenn Spectre die Verbindungen zwischen seinen vorherigen Auftritten enthüllt und so zu einem erzählerischen Schlusspunkt findet, wirkt der neue Film nach dem tragisch-überwältigenden Skyfall an manchen Stellen schlichtweg unausgegoren.
Als die MI6-Allzweckwaffe James Bond bei einer nicht autorisierten Mission in Mexiko-Stadt eine Spur der Verwüstung hinterlässt, sieht sich der Vorgesetzte M (Ralph Fiennes) gezwungen, den Spezialagenten von seinen Aufgaben zu entbinden. 007 hält die Suspendierung allerdings nicht davon ab, nach den Hintermännern des Kriminellen Marco Sciarra (Alessandro Cremona) zu suchen, den er in Mittelamerika liquidiert hat. Bei dessen Beisetzung in Rom trifft er auf die Witwe Lucia (leider nur Beiwerk: Monica Bellucci) und kann ihr den Hinweis auf ein Treffen der Geheimorganisation Spectre entlocken. Angeführt wird die Zusammenkunft internationaler Terroristen von Franz Oberhauser (Christoph Waltz), mit dem Bond mehr verbindet, als er zunächst ahnt. Unterdessen schlägt sich M in London mit Max Denbigh alias C (Andrew Scott) herum, der dem Centre for National Security vorsteht und die Geheimdienstarbeit in Kürze revolutionieren will. Statt Agenten im Feldeinsatz bevorzugt er Drohnenoperationen und einen umfassenden Überwachungsstaat, der das Ende des Doppelnull-Programms bedeuten würde. Während die Umwälzung immer konkretere Formen annimmt, treibt Bond seine eigenmächtigen Ermittlungen mit Hilfe von Quartiermeister Q (Ben Whishaw) und Ms Assistentin Moneypenny (Naomie Harris) voran und stößt dabei auf die Ärztin Madeleine Swann (Léa Seydoux) – niemand anders als die Tochter seines früheren Gegenspielers Mr. White (Jesper Christensen), die den Agenten auf die Spur von Oberhauser führen kann.

Sam Mendes, der auch den Vorgänger Skyfall inszenierte, versucht sich hier an einer ambitionierten Verbindung von klassischen und modernen Elementen. Die Mythologie der Bond-Figur kommt schon in der titelgebenden Geheimorganisation Spectre zum Tragen, die in einigen älteren Filmen der Reihe eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielte. Parallel werden die Zusammenhänge der bisherigen Craig-Abenteuer aufgedeckt. Und die Macho-Ikone 007 endgültig ins 21. Jahrhundert katapultiert. Das digitale Zeitalter, in dem Agenten seines Schlags wie Überbleibsel einer fossilen Ära erscheinen.

Seit den Enthüllungen Edward Snowdens verhandelt auch das Blockbuster-Kino – beispielsweise die Comic-Adaption The Return of the First Avenger – die Fragen nach größtmöglicher Sicherheit und dem Preis, den wir für die Informationsbündelung zahlen müssen. Gerade vor diesem Hintergrund wirkt das, was Mendes und Co. zum Thema „Totale Überwachung“ vorbringen, wenig originell. Zwei konträre Auffassungen werden gegenübergestellt, substanzielle Einsichten gibt es aber nicht. Auch deshalb, weil der Nebenstrang rund um M und Widersacher Denbigh eher halbherzig in die übergeordnete Bond-Mission eingebunden ist. Folgerichtig wirkt dieser Handlungsfaden am Ende vor allem wie ein hübsches Etikett mit der Aufschrift: „Nah am Puls der Zeit.“

Nur wenig überzeugend ist außerdem die innige Verbindung, die der Film nach anfänglichem Geplänkel zwischen Bond und Madeleine Swann heraufbeschwört. Ihre erste Liebesszene fühlt sich mehr nach Pflichtprogramm denn großem Verlangen an. Und das tiefe Verständnis, das die Tochter eines Killers für den Agenten mit der Lizenz zum Töten hegt, will sich trotz mehrmaliger Hinweise nicht ganz vermitteln. Schuld daran ist keineswegs Schauspielerin Léa Seydoux, die eine starke Leinwandpräsenz und reichlich Ausstrahlung besitzt, sondern das nicht immer durchdachte Drehbuch, das ihre Figur gegen Ende auf recht plumpe Weise vom Protagonisten abkoppelt, um einen dramatischen Showdown auf den Weg zu bringen.

Dass der insgesamt 24. Bond-Streifen dennoch enorm unterhaltsam ist, liegt an der Inszenierungskunst des Regisseurs. Schon der aufwendige, grandios gestaltete Prolog im Getümmel der Feierlichkeiten zum Día de los Muertos dürfte so manchem Zuschauer den Atem rauben. Schaurig maskierte Menschenmassen, eine Plansequenz, die an den Auftakt des Orson-Welles-Klassikers Im Zeichen des Bösen erinnert, und ein spektakulärer Kampf in einem Hubschrauber, der über dem Zócalo-Platz von Mexiko-Stadt kreist – wer sich hier nicht mitreißen lässt, hat für Actionszenen wahrscheinlich generell nichts übrig. Klotzen statt kleckern ist auch im weiteren Verlauf das Mendes-Mantra. Etwa wenn sich Bond mit Oberhausers wortkargem Handlanger Hinx (Dave Bautista) eine wahnwitzige Autoverfolgungsjagd durch die nächtlichen Straßen Roms liefert oder aber ein Flugzeug im Schnee zweckentfremdet. Tempo und Schauwerte sind mehr als imposant. Und auch der Bösewicht ist dank Christoph Waltz‘ zurückgenommen-diabolischer Performance wohltuend charismatisch – selbst wenn die Motivation seiner Figur ausbaufähig bleibt. Vorbereitet wird Oberhausers mysteriöse Aura durch die schleierhafte Einführung während des großen Spectre-Treffens, bei dem er lange Zeit im Schatten sitzt und andere für sich sprechen lässt. Bereichernd sind auch die ironischen Scharmützel zwischen Bond und Q, der stellvertretend für den im Vergleich zu den anderen Craig-Filmen lockereren Tonfall steht.

Alles in allem präsentiert Mendes einen mitreißenden Agententhriller mit deutlichen Vorzügen und offensichtlichen Macken, wobei vor allem erkennbar ist, dass Spectre nicht an die emotionale Wucht seines Vorgängers heranreicht. Schon deshalb sollte Craig über ein weiteres Abenteuer definitiv nachdenken.

Spectre

Viel wurde in letzter Zeit darüber diskutiert, ob Daniel Craig die James-Bond-Rolle nach „Spectre“, seinem vierten Agentenabenteuer, an den Nagel hängen würde. Interviewäußerungen ließen auf eine Amtsmüdigkeit des Schauspielers schließen. Und auch der fertige Film legt einen Abschied nahe, verkündet der berühmte Geheimdienstler gegen Ende doch, dass er nun Besseres zu tun habe.
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Meinungen

Der AlterWolf · 30.11.2015

Gut gemachte Action, bezaubernde Wüsten-Aufnahmen, ein genialer Bösewicht (wieder mal ein in Deutschland geborener, die überzeugen immer...) machen diesen Bond durchaus sehenswert, aber an den großartigen Vorgänger Skyfall kommt er nicht ran. OK, da war die Latte auch hoch gelegt...

Joachim · 12.11.2015

@Robert Sauer 148 Minuten, um exakt zu sein.

Robert Sauer · 12.11.2015

Filmlänge (150 Min.), Kinozeit jeweils 105 Min....??