Slow West

Das Genre brechen ...

Eines muss man Slow West lassen. Der Name ist Programm und man bekommt genau das, was der Titel schon verspricht: einen l-a-n-g-s-a-m-e-n Western. Und schon hier beim Titel lässt sich auch der Grundton des Erstlingswerks von John Maclean erahnen: ein bisschen ironisch augenzwinkernd, ein bisschen „anders“, ein bisschen eklektisch. Aber was bleibt einem im Jahr 2015 schon übrig, als so ein klassisches Genre zu brechen, oder zumindest zu verbiegen und auf den Kopf zu stellen. Vor allem, wenn Quentin Tarantino und die Coens schon da waren.
Schottland im Jahre 1870. Jay Cavendish (Kodi Smit-McPhee) ist ein schottischer Adliger, ein Junge um die 16 Jahre, der mehr romantische Flausen im Kopf hat, als irgendwem lieb sein kann. Seine Angebetete Rose (Caren Pistorius) ist eine schottische Bauerntochter, die ihn „ganz süß“ findet, aber von ihm nichts will. Doch das ignoriert Jay geflissentlich und verursacht damit eine Katastrophe, die Rose und ihren Vater dazu zwingt auszuwandern.

Amerika, Land der unbegrenzten Möglichkeiten (außer man ist ein Indianer) im gleichen Jahr. Jay sucht Rose. Weil: Liebe. Unendliche Liebe. Liebe über Ozeane hinweg. Zumindest auf Jays Seite. Der Junge reist quer durchs Land, als er auf Silas (Michael Fassbender) trifft, der ihn vor einem sauberen Kopfschuss durch einen Räuber bewahrt. Silas begleitet Jay und beschützt ihn, nicht ohne Hintergedanken. Kosten: 100 Dollar. Und einiges an Nerven, denn Jay ist in keiner Weise vorbereitet für das Hauen und Stechen im Westen. Da hilft auch sein Reiseführer mit dem schönen Titel Ho! Auf in den Westen! nicht weiter. Und so traben die beiden durch die Prärie, essen, schlafen, reden, essen, schlafen, reden – das ist der langsame Teil – und treffen ab und an ein paar andere Menschen: Indianer, schwarze Musiker, verhungernde Einwanderer aus Skandinavien, Kopfgeldjäger mit Pelzmänteln… Und erschießen ab und an ein paar Menschen – das ist dann der Western-Teil.

Das mag alles recht klassisch, ja gar langweilig klingen – und das ist es manchmal auch. Aber immer kurz vor dem Moment, in dem man aus dem Film aussteigen möchte, streut Maclean ein paar surreale Momente ein. Diese irritieren so sehr, dass sie ganz hellhörig machen und die volle Aufmerksamkeit wieder auf den Film lenken. Mal sind diese Augenblicke ganz klein und könnten gar als Filmfehler durchgehen. Warum reitet man ohne sonnenschützenden Hut durch die Prärie? Und wieso sieht diese so eigenartig anders aus (weil in Neuseeland gedreht wurde)? Wieso bauen Menschen, die sich verstecken müssen, ein Haus mitten auf einem riesigen Feld, durch das sie Angreifer nie sehen würden und sich selbst auch kaum verteidigen können? Mal sind sie einfach nur eigenartig, wie der Augenblick, in dem Jay an drei musizierenden schwarzen Männern in der Prärie vorbei reitet, die auf französisch von der Liebe singen und Jay, den Romantiker, dazu veranlassen im breitesten Schottisch-Französisch den wunderbaren Poesie-Album-Spruch: „Die Liebe ist so universell wie der Tod“ zu murmeln. Manchmal sind sie nur unglaubwürdig, wie die ad-hoc Freundschaft der zwei Protagonisten, wo der eigentlich harte Kopfgeldjäger Silas den rehäugigen Jay gar väterlich unter die Fittiche nimmt und ihm sogar den nicht vorhandenen Bart rasiert.

Das störendste Element des Filmes ist allerdings sein oft abrupter Wechsel zwischen Romantik, typischen Western-Bildern, komödiantischen Einlagen und dem plötzlichen Ausbrechen massiver Gewalt. Nichts davon ist in einen natürlichen Rhythmus eingebettet, die harschen Gegensätze prallen aufeinander und es knirscht an allen Ecken. Und warum das Ganze? Einfach nur das Genre ironisch brechen, die Klischees auf die Spitze treiben, die Geschichte surreal verzerren, auf grundsätzliche historische Korrektheit verzichten, das Thema asynchron halten: All das macht noch lange keinen reflektierten/reflektierenden Film, sondern in erster Linie einen eigenartigen; einen, der mit alle Macht und wenig Feingefühl sein Anderssein ausstellen will. Was also will Maclean? Man weiß es nicht genau, aber es scheint, dass Maclean dem staunenden Zuschauer vor allem vorführen will, was er alles kann, dass er nicht nach den Regeln spielt und wie viel Ironie er doch besitzt. So bleibt Slow West dann doch ein unausgegorener Hipster-Western, der manchmal sehr unterhaltsam, meistens aber nur irritierend ist und der sehr viel mehr hätte sein können, wäre er nicht an der Oberfläche stehen geblieben.

(Festivalkritik Beatrice Behn, Filmfest München 2015)

Slow West

Eines muss man „Slow West“ lassen. Der Name ist Programm und man bekommt genau das, was der Titel schon verspricht: einen l-a-n-g-s-a-m-e-n Western. Und schon hier beim Titel lässt sich auch der Grundton des Erstlingswerks von John Maclean erahnen: ein bisschen ironisch augenzwinkernd, ein bisschen „anders“, ein bisschen eklektisch. Aber was bleibt einem im Jahr 2015 schon übrig, als so ein klassisches Genre zu brechen, oder zumindest zu verbiegen und auf den Kopf zu stellen. Vor allem, wenn Quentin Tarantino und die Coens schon da waren.
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