Rockabilly Requiem

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Wo ist der Sex, wo sind die Drogen?

„The King is gone, but he’s not forgotten“ heißt ein berühmter Refrain aus Neil Youngs All-Time-Hit „My, my, hey, hey“. Und weiter: „Is this the story of Johnny Rotten?“ Nein, nicht ganz, wenn auch kurz (Post-)Punk und New-Wave-Elektrogefrickel im dritten Film von Till Müller-Edenborn auftauchen. Doch um welche Story geht es dann in Rockabilly Requiem?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten im Versuch des Karlsruher Regisseurs, eine spritzige Rock’n’Roll-Zeitreise ausgehend von den 1950ern bis in den September 1982 hinein zu starten: zum Nachteil des Films. Denn ordentliches Zeitkolorit alleine reicht eben noch lange nicht, um eine Film-Handlung mit Leben zu füttern, Haartolle hin oder her. Selbst die Rockerklamotten sind noch zu neu. Abgefuckte Lederjacken? Fehlanzeige. Seltsam starr sind auch viele Dialogsätze vom Kaliber eines „Weißt du eigentlich, wie schön du bist“ bis hin zu „Besser einen strengen Vater, als gar keinen“. Da stottert nicht nur der Opel-Motor im Film gewaltig, sondern auch der Zuschauer angesichts von solch großer Harmlosigkeit — in einem Rocker-Film!

Im Gegensatz beispielweise zu Dominik Grafs Der rote Kakadu von 2006, der ebenso unterhaltsam inszeniert — wie gleichzeitig souverän ausgestattet — vorwiegend in Jazz-Kellern und Tanz-Lokalen sowie unter jungen Leuten spielt, fehlt hier nicht nur im Ansatz das Feuer. Es lodert gerade einmal in einer Handvoll Szenen auf, so dass nicht einmal die alles in allem ordentliche Besetzung — gerade in den Nebenrollen — Rockabilly Requiem vor gepflegter Langeweile retten kann.

Da wäre zum Beispiel die frühere DEFA-Aktrice Jutta Wachowiak, die im zeitgenössischen Film leider viel zu selten zu bestaunen ist. Ihr nimmt man die Rolle der bestürzten, ihre Liebsten umsorgenden Großmama ohne Umstände ab. Denn ihr Spiel ist aufrichtig, schnörkellos und sehr präzise. Als gestandene Theaterschauspielerin in Berlin, Bochum und Potsdam kann sie sich gegenüber der mehr beobachtenden, denn agierenden Kamera von Sönke Hansen jederzeit mühelos behaupten, was man auf der anderen Seite vom Münchner Volkstheaterliebling Barbara Romaner in der Rolle der inkonsequenten, leicht verführbaren Mutter von Sebastian (Sebastian Tiede) nun wiederum überhaupt nicht behaupten kann: Seltsam fremdelnd hangelt sich die Südtirolerin (Mahler auf der Couch, Luis Trenker — Der schmale Grat der Wahrheit) durch Müller-Edenborns maue Jugendlichkeitsstudie über Auf- und Umbrüche in der bleiernen Zeit der frühen 1980er Jahre in Westdeutschland, als Hirschgeweihe, Braunglasscheiben und Bohnerwachs noch zum Standardinventar vieler BRD-Haushalte gehörte.

Eher ungewollt ironisch nennt sich die neu zusammengewürfelte Rockabilly-Band um Nachwuchssänger Hubertus (wenig aufmüpfig: Ben Münchow), der wortwörtlich noch nicht die Kohle beisammen hat, weil er sich vor allem als Aushilfe in einer Kohlenhandlung durchschlagen muss, dann auch noch Rebels. Nur ist von der großen Musik wie frechen Lebensrevolte leider wenig zu sehen. Wo ist hier der Sex geblieben? Wo sind die Drogen — und die scharfen Bräute? Stattdessen ein 90 Minuten lang gleich agierender Sebastian Tiede mit Ian-Curtis-Frisur — und blutleerem Gesang: Mehr Katzenjammer als Gold für die Hüften der Tanzenden. Der musikalische Funke will an kaum einer Stelle überspringen.

Deutlich zu klischiert tritt beispielsweise auch ein gestandener Schauspieler wie Martin Feifel als abgestürzter Nicht-Papa auf, dem sein Heroinnachschub eindeutig wichtiger ist als die Sorge um seine beiden Kinder. Besonders deutlich zeigt sich diese stets leicht überkandidelte, trotzdem merkwürdig akzentlose Spielweise ebenso in der Figur des Vaters von Hubertus (Alexander Hauff). Ausgestattet mit sprödem Blick und einem Konrad-Adenauer-Gedächtnis-Hausanzug geistert er mehr wortkarg durch Rockabilly Requiem, als dass er ihn schauspielerisch prägen würde.
Wenigstens das immerhin fast schon zynisch-naive Minenspiel von Margarita Broich in der Rolle von Hubertus‘ Mutter kann vielen Zuschauern für Momente ein herzliches Auflachen entreißen, wenn sie für Eistee zur zentralen Vater-Sohn-Konflikt-Lösung wirbt. Doch alleine diese kurzen Einstellungen in Till Müller-Edenborns reichlich glattem Jugenddrama reichen dann am Ende doch nicht. Trotzdem: Rock on! Es muss ja nicht immer ein Jugendfilm sein. Wie wäre es beim nächsten Mal mit Omas?

Rockabilly Requiem

„The King is gone, but he’s not forgotten“ heißt ein berühmter Refrain aus Neil Youngs All-Time-Hit „My, my, hey, hey“. Und weiter: „Is this the story of Johnny Rotten?“ Nein, nicht ganz, wenn auch kurz (Post-)Punk und New-Wave-Elektrogefrickel im dritten Film von Till Müller-Edenborn auftauchen. Doch um welche Story geht es dann in „Rockabilly Requiem“?

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