Population Boom

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Verbrüderung mit den gefürchteten Massen

Dass das Bevölkerungswachstum auf dem Planeten eingedämmt werden muss, ist einer der beständigsten Pfeiler der etablierten Weltanschauung. Die Angst vor der Überbevölkerung wird immer aufs Neue geschürt, wenn die Zahl der Erdenbürger die nächste spektakuläre Stufe erreicht, wie die Sieben-Milliarden-Marke Ende 2011. „Sind da zu viele Menschen auf meinem Planeten?“, fragt der Dokumentarfilmer Werner Boote ketzerisch. In Population Boom demontiert er die Theorie von der gefährlichen Überfüllung des Planeten mit genüsslicher Ironie. Armut, Hunger, Ressourcenknappheit und Umweltzerstörung sind, so die These seines als Denkanstoß beabsichtigten Films, nicht Folgen von Überbevölkerung, sondern von ungerechter Verteilung und von überzogenem Konsum in den westlichen Industrieländern.
Der Österreicher Boote, der 2009 mit der Dokumentation Plastic Planet weit über seine Heimat hinaus bekannt wurde, reist kreuz und quer um die Welt zu Orten, an denen Familienplanung entweder konzipiert wird oder umgesetzt werden soll. Er spricht mit Experten wie einem Vertreter der Vereinten Nationen, besucht junge Eltern, etwa in einem Slum in Mumbai. Die Direktorin des Bevölkerungs- und Entwicklungsprogramms am amerikanischen Hampshire College, Betsy Hartmann, bestätigt Bootes These, dass das Bevölkerungswachstum nicht länger als ein globales Hauptproblem gelten kann und dass es für den Klimawandel, im Gegensatz zur westlichen Wirtschaft, nicht verantwortlich ist.

Bootes Film hält sich im Umgang mit Zahlen und Statistiken angenehm zurück und begnügt sich mit einigen wesentlichen Fakten. Laut Prognosen soll die Weltbevölkerung Mitte dieses Jahrhunderts mit ungefähr 9,5 Milliarden Menschen ihren Zenit erreichen. Wenn die Bevölkerung eines Landes konstant bleiben soll, muss ein Paar im Durchschnitt 2,1 Kinder bekommen. In Indien werden Paare finanziell gefördert, die nicht mehr als zwei Kinder in die Welt setzen wollen. Und auch in Mexiko ging die Geburtenrate von durchschnittlich sechs Kindern pro Frau auf 2,1 Kinder zurück. Boote lässt sich dort von einem politischen Insider erläutern, dass dies eine Folge der amerikanischen Außenpolitik der 1970er Jahre ist, die von den Vereinten Nationen übernommen wurde. Aus Angst vor einem Erstarken des Kommunismus stellte Außenminister Henry Kissinger die Forderung auf, dass die Bevölkerung in 13 Ländern – darunter Mexiko — schrumpfen müsse. Solche zeitgeschichtlichen Fakten sind sicherlich interessant, um zu verstehen, wie die Furcht vor der Überbevölkerung entstand.

Aber damit erschöpft sich die Ernte, die Bootes filmische Weltreise einfährt, auch schon im Wesentlichen. Denn viele der nur kurz angerissenen Gespräche in den USA, Kenia, Japan, Bangladesch dienen lediglich zur Untermauerung seiner These, dass das Gerede von der Überbevölkerung vom wahren Übel ablenken soll: der Habgier von Konzernen und Konsumenten. Selbst ein Verschwörungstheoretiker und eine Aktivistin, die glaubt, dass die armen Gesellschaften die reichen überleben werden, weil sie mehr arbeiten, finden Eingang in dieses bunte Statement-Sammelsurium. Zwar lässt Boote auch einen Vertreter der chinesischen Familienplanungskommission zu Wort kommen, der die offizielle Ideologie erklärt: Kinderreiche Familien belasten die Gesellschaft und wenn Eltern weniger Nachwuchs bekommen, steigt ihre Wirtschaftskraft. Die Inszenierung dieser Aussagen spekuliert dann aber damit, dass sie zynisch wirken mögen.

Stilistisch hüllt der Filmemacher seine meist wenig fundierte Kritik in einen fröhlich-ironischen Mantel. Man sieht ihn mitten auf einer vielbefahrenen Straße mit der Zeitung in der Hand stehen, mit einem Regenschirm bewaffnet über trockenes Massai-Gebiet stapfen. Selbst slapstickhafte Einlagen scheut Boote nicht, um schließlich auf dem Dach eines völlig überfüllten Zuges in Bangladesch unter Hunderten Mitreisenden sentimental zu werden und für ein globales Gemeinschaftsdenken zu plädieren. Sicherlich ist es an der Zeit, die chauvinistische Angst zu hinterfragen, die das Gespenst einer unkontrollierten Vermehrung armer Dritte-Welt-Analphabeten an die Wand malt. Aber eine Steuerung der Bevölkerungsentwicklung generell abzulehnen, wie es der Film nahelegt, erscheint ebenfalls wenig durchdacht und wird nicht ausreichend begründet.

Population Boom

Dass das Bevölkerungswachstum auf dem Planeten eingedämmt werden muss, ist einer der beständigsten Pfeiler der etablierten Weltanschauung. Die Angst vor der Überbevölkerung wird immer aufs Neue geschürt, wenn die Zahl der Erdenbürger die nächste spektakuläre Stufe erreicht, wie die Sieben-Milliarden-Marke Ende 2011.
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