Oscar Shorts 2016: Animation

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Bärige Superhelden auf Zeitreisen

Es ist 15 Jahre her, dass Pixar mit dem großartigen For the Birds einen Oscar in der Kategorie bester animierter Kurzfilm gewonnen hat – ganz im Gegensatz zu den Dauer-Siegen in den Langkategorie. In diesem Jahr ist das Studio aber mit einem vielversprechend starken Beitrag vertreten. In dem sieben Minuten langen Sanjay’s Super Team erzählt Regisseur Sanjay Patel (Animator bei Toy Story 2) die autobiographisch angehauchte Geschichte eines indischen Jungen, der sich nicht für die täglichen religiösen Rituale seines Vaters interessiert, aber jedes Abenteuer einer Superhelden-Serie im Fernsehen verfolgt. Eines Tages jedoch vermischen sich diese beiden Welten in einer phantasievollen und bunten Schlacht, in der mit der Hilfe von Superhelden Religion erklärt wird. Dynamisch inszeniert, liebenswert erzählt und mit den typisch großäugigen Figuren ist der sympathische Sanjay’s Super Team zweifellos ein guter Kandidat für den Preis.
Erzählerisch und inhaltlich weitaus sperriger, erstaunt Prologue vor allem visuell. Die sechs Minuten lange, mit Blei- und Buntstiften auf Papier gezeichnete und dann am Computer animierte Geschichte spielt vor 2400 Jahren und beginnt mit einer Biene. Über einen Schmetterling und eine Blume gelangt der Kurzfilm dann zu Kämpfern aus Sparta und Athen, die sich erst gegenseitig belauern und dann töten. Wenn das Blut über das Papier fließt, die schmerzverzerrten Gesichter der Kämpfer zu sehen sind, entfaltet sich inmitten dieser facetten- und detailreichen Zeichnungen grausame Brutalität. Insgesamt jedoch fehlt diesem wortlosen Kurzfilm von Richard Williams (Falsches Spiel mit Roger Rabitt, The Thief and the Cobbler) eine runde Geschichte, so dass Prologue vor allem als Kunstprobe überzeugt.

Ebenfalls ohne Worte kommt der russische Kurzfilm We Can’t Live Without Cosmos von Konstantin Bronzit aus, der zwei Freunden im Trainingslager für eine Weltraumreise folgt. Ihre Erfolge, ihre Gemeinsamkeiten, ja, ihr Gleichklang werden in fast schon traditionelle Bilder gefasst, die an russische Animationsfilme der 1970er Jahre erinnern. Dabei berührt dieser nostalgische Film weniger durch die hervorsehbare Geschichte als vielmehr die kleineren, originellen Einfällen – beispielsweise wird die Uhr eines Schachspiels aus dem Gleichklang gerissen, um eine dramatische Wendung anzudeuten und bekommt der metallene Raumanzug des Kosmonauten eine wundersame schützende Funktion.

Dass keine Worte für große Emotionen notwendig sind, zeigt sehr deutlich der chilenische Film Bear Story. Erzählt wird die Geschichte eines Bären, der zu Beginn eine Bären-Metallfigur repariert, dann traurig durch die Zimmer seines Hauses geht und schließlich mit einem Diorama-Kasten durch die Straßen zieht. Ein kleiner Bär wird von der Aussicht auf eine Gescichte angelockt, bekommt von seinem Vater ein Geldstück und schaut in den Guckkasten. Darin wird das Abenteuer eines Bären erzählt, der von bösen Zirkusmenschen von seiner Frau und seinem Kind weggerissen und entführt wurde. Nachdem er dort festgehalten und zu Auftritten mit Misshandlungen gezwungen wurde, gelingt ihm eine atemberaubende Flucht – und er kehrt zu seiner Familie zurück. Damit ist diesem Bären ein glücklicheres Ende beschert, als dem Bären mit dem Schaukasten, der in seinem leeren Haus ist. Der Film bezieht beträchtlichen Reiz aus den Gegensätzen zwischen den realistischen Bären in der Rahmenhandlung und den metallenen Spielzeug-Bären in der Diorama-Geschichte. Zudem thematisiert Bear Story nicht nur die Behandlung von Tieren in Zirkussen, sondern verweist auch auf das Pinochet-Regime, das Familien in den 1970er Jahren auseinandergerissen hat.

Der Höhepunkt der animierten Kurzfilme ist indes fraglos Don Herztfeldts World Of Tommorrow, ein Science-Fiction-Film, in dem ein zukünftiger Klon namens Emily („third generation Emily“) mittels Zeitreisen das vierjährige, noch unschuldige Kind besucht, von dem sie abstammen wird und ihr Einblicke in die Zukunft gewährt. Mit monotoner Stimme erzählt Emily Three von den schrecklichen Zukunftsszenarien, in denen es um Zeitreisen, das Bewusstsein, Arbeitsroboter und die Fragen nach Humanität und Identität geht. Aber es ist eine emotionslose Reise in ihre eigene Psyche, die nichtsdestotrotz auf grimmige Weise witzig ist – und an Douglas Adams und Philip K Dick erinnert. Zumal diese Reise begleitet wird von der fröhlichen vierjährigen Emily Prime, die in jeder noch so tristen Welt etwas Schönes und Freudiges findet – und weil sie ein Kind ist, kann sie nach dieser Reise in ihre Welt unbekümmert zurückkehren. Herztfeldt verwendet hier nach Rejected und Everything Will Be OK abermals Strichfiguren, die in einer bunten, mal fröhlichen, mal düsteren Welt unterwegs sind. Ein überbordender, phantasievoller Kurzfilm.

Oscar Shorts 2016: Animation

Es ist 15 Jahre her, dass Pixar mit dem großartigen „For the Birds“ einen Oscar in der Kategorie bester animierter Kurzfilm gewonnen hat – ganz im Gegensatz zu den Dauer-Siegen in den Langkategorie. In diesem Jahr ist das Studio aber mit einem vielversprechend starken Beitrag vertreten.
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