Niko 2 - Kleines Rentier, großer Held

Eine Filmkritik von Lida Bach

Eine Familie zu Weihnachten

„Die Guten sind ja immer so berechenbar“, knurrt in Niko 2 – Kleines Rentier, großer Held die heimtückische weiße Wölfin. Sie will dem Protagonisten und seinen tierischen Freunden ans Fell, denn an das ging es ihrem Bruder im für den Europäischen Filmpreis nominierten ersten Teil mit dem Titel Niko – Ein Rentier hebt ab. Damit, dass es zu dem Animationsabenteuer um den kleinen Rentier-Jungen Niko vier Jahre später eine Fortsetzung geben würde, hat allerdings keiner so richtig gerechnet. Womöglich weil das artige 3D-Kinodebüt des Co-Regisseurs Kaari Juunsonen gar keines von den Guten war; jedenfalls nicht von den guten Kinderfilmen?
Die Geschichte von Nikos Suche nach seinem Vater, der als Mitglied der fliegenden Truppe des Weihnachtsmanns der Rentier-Mutter Oona und ihrem Sohn den Rücken gekehrt hat, ist in knapp 80 Minuten gründlich auserzählt — sofern die Filmemacher die Möglichkeit, mehr als beschauliche Familiensentiments zu den Festtagen zu vermitteln, überhaupt nutzten. Da Niko mit seinen flinken Flugszenen und seiner naiv-erbaulichen Botschaft allerdings mehr als 700.000 Zuschauer in die Kinos lockte, erwarten das Wiesel Wilma, das Flughörnchen Julius und den Protagonisten selbst nun trotzdem neue Erlebnisse. Der Kleine ist jetzt, wie im Titel anklingt, der Große. Genauer gesagt, der große Bruder des noch etwas tapsigen Jonni. Der schaut mit großen Kulleraugen in die verschneite Winterwaldlandschaft und auf zu seinem neuen Bruder. Dem aber rauben Jonnis Anhänglichkeit und Bewunderung die Nerven – dabei braucht er die für Flugstunden bei seinem Vater und der fliegenden Truppe.

In den verwegenen Schlittenzieher-Verein des Weihnachtsmanns will Niko auch eines Tages aufgenommen werden und übt darum fleißig mit seinem im ersten Teil wiedergefundenen Vater Prancer. Dessen Draufgängertum beim Vater-Sohn-Treffen, die den Wochenendbesuchen von Trennungskindern entsprechen, zeugt von Papa Prancers gewohnter Verantwortungslosigkeit – so zumindest sieht es Oona. Sie präsentiert Niko mit ihrem unbeholfenen neuen Freund Lenni ein denkbar anderes väterliches Vorbild. Das Entstehen einer Patchwork-Familie beendet abrupt Nikos kindliche Hoffnungen auf eine elterliche Wiedervereinigung. Der dickköpfige Held kann sich mit einem Ersatz für den meist abwesenden leiblichen Vater und Lennis Sohn Jonni als neues Geschwisterkind überhaupt nicht anfreunden; dafür umso schneller mit dem Rentier Tobias. Der ergraute Einzelgänger hilft Niko bei der Suche nach Jonni, für den ein von Niko vorgeschlagenes Suchspiel im Versteck der weißen Wölfin und ihrer Adler-Gehilfen endet.

Tobias, der grantige Veteran der Fliegenden Truppe und der aufgeschlossene Titelheld teilen mehr als ein Faible für ungestüme Luftkunststückchen, die das junge Zielpublikum unterhalten, ohne durch wilde 3D-Action zu überfordern. Beide haben aus Eigennutz anderen geschadet und verlieren deshalb Familienangehörige. Der Familienbegriff des pädagogisierenden Kinoabenteuers umfasst dabei das gesamte Repertoire der Patchwork-Verwandtschaft von Lebenspartnern, Ersatz-Großeltern, Halb- und Stiefgeschwistern bis zu Freunden und Kollegen. Dem gegenüber steht das Bedürfnis nach Ungebundenheit und Alleinsein, verkörpert von Prancer und Tobias. Der erscheint als Opfer selbstauferlegter Zurückgezogenheit, mit der sich Niko nie eingehend auseinandersetzt. Genauso beiläufig abgetan wird das zuvor ausführlich etablierte Motiv der Aufrichtigkeit. Fast alle flunkern: Niko, Wilma, Julius, die weiße Wölfin sowieso und sogar Lenni.

Auch Kaari Juunsonen, der schon den Vorgängerfilm inszenierte, und Co-Regisseur Jorgen Lerdam beteiligen sich an diesem Spiel. Sie haben die zeitgemäßen Konflikte ihres Weihnachtsfilms so adrett verpackt, dass sie gar nicht mehr hinter die possierliche Aufmachung blicken wollen. Wie Tobias sagt: „Die Unterhaltung sollten wir auf ein Mindestmaß reduzieren.“ Das tut Niko 2 – Kleines Rentier, großer Held am liebsten dort, wo tiefgehendere Gespräche der Handlung und den Figuren die fehlende Kontur verliehen hätten.

Niko 2 - Kleines Rentier, großer Held

„Die Guten sind ja immer so berechenbar“, knurrt in „Niko 2 – Kleines Rentier, großer Held“ die heimtückische weiße Wölfin. Sie will dem Protagonisten und seinen tierischen Freunden ans Fell, denn an das ging es ihrem Bruder im für den Europäischen Filmpreis nominierten ersten Teil mit dem Titel „Niko – Ein Rentier hebt ab“.
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Meinungen

JoJo · 03.11.2012

Wie gut diese Kritik recherchiert ist sieht man schon daran, dass die Kritikerin schreibt es handle sich um einen norwegischen Film. Niko 2 ist eine finnische Produktion (in Coproduktion mit Dänemark, Deutschland und Irland).