Log Line

Mit Meine schöne innere Sonne erfindet sich Claire Denis neu. Dabei versucht sie sich an einem lockeren Ton – und setzt auf die Unterstützung von Juliette Binoche …

Meine schöne innere Sonne (2017)

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Für den Preis eines Lächelns

In seiner Autobiografie schrieb die französische Regielegende Jean Renoir über den Grund seiner Zusammenarbeit mit Ingrid Bergman bei seinem Weiße Margeriten (Elena et les Hommes), dass er sie mal wieder lächeln sehen wollte. In den Filmen mit ihrem Ehemann Roberto Rossellini wären ihre Mundwinkel herabgesunken. Tatsächlich strahlt sich Bergman durch den wundervollen Film. Auf eine sonderbare Weise hat sich auch Claire Denis auf die Suche nach diesem Lächeln gemacht und versucht, es in einem Starantlitz zu finden: Juliette Binoche, die nie verlegen war, schwierige Rollen anzunehmen. Nur ist es im Fall von Denis so, dass sie das Lächeln eher selbst sucht, als es Binoche schenken zu wollen. Schließlich kennt man die herausragende Filmemacherin vor allem für schwere, philosophisch tiefgehende Werke wie den famosen Der Fremdenlegionär (Beau travail) oder den hypnotischen Herzensfilm Der Feind in meinem Herzen (L’intrus). Ein komödiantischer oder zumindest auf den ersten Blick „leichterer“ Stoff wie Meine schöne innere Sonne (Un beau soleil intérieur), dazu äußerst dialoglastig, kommt da eher als Überraschung.

Tatsächlich mutet der Plot wie ein Muster romantischer Komödien an. Isabelle, eine geschiedene Malerin, springt von einer Beziehung in die andere und sucht nach dem perfekten Mann. Sie trifft auf allerhand schräge, bemitleidenswerte, verführende und unnötige Formen der Männlichkeit. Allerdings wirft Denis, die das Drehbuch zusammen mit der bekannten französischen Autorin Christine Angot inspiriert von Roland Barthes‘ Fragmente einer Sprache der Liebe aus dem Jahr 1977 schrieb, den Diskurs der möglichen und unmöglichen Romantik schnell zurück auf die Protagonistin. In dieser Hinsicht ist Meine schöne innere Sonne keine Komödie, nicht mal im Ansatz, sondern eine Entblößung sexueller Unzufriedenheit. Diese wird in den vielen Dialogen und beinahe schon Monologen offenbar, etwa wenn Isabelle beschreibt, was sie sich vorstellt, um mit einem bestimmten Mann zum Orgasmus zu kommen. Die schöne innere Sonne, die Komödie und das Lächeln stehen also zur Disposition, ihr Fehlen wird bemerkt und immer wieder unternimmt der Film Versuche, dort hinzugelangen, aber letztlich könnte man ihn auch als klare Absage an sich selbst verstehen. Es bleibt oft mehr beim Versuch, als bei einer wirklichen Nuancierung des Geschehens. Damit identifiziert sich der Film womöglich mit Isabelle. Man spürt ein Begehren der Filmemacherin, mal einen solchen Film zu machen, aber wenn es dann so weit ist, verharrt Denis auf einer Schauspielerin.

Es ist klar, dass man Binoche folgen können muss, um in den Film zu kommen. Ein solches Vertrauen auf eine einzelne Figur und Darstellerin ist sehr untypisch für Denis, die sonst oft durch ihre Charaktere und deren Relationen driftet, sich gar nicht wirklich festlegen mag, weil alles immer im Werden und Verschwinden begriffen ist. Man muss deshalb auch akzeptieren, dass die starke Stille, die viele ihrer Filme auszeichnet und sich in den wenigen Szenen mit ihrem Stammdarsteller Alex Descas auch hier zeigt, von sogenannten Schauspielmomenten und Dialogen ersetzt wird. Das heißt nicht, dass Agnès Godard nicht wieder wundervolle Bilder auf die Leinwand zaubern würde. Es ist der zweite digital gedrehte Langfilm von Denis und für ihn kehrt sie zurück ins 1,66:1 Format, was vor allem in den Nahaufnahmen äußerst stark wirkt. Gesichter werden in schwebender Klarheit vom Hintergrund abgehoben. Auch das ist nicht typisch für Denis, die sonst ihre Orte sehr bewusst in den Fokus rückt. Hier wirken viele Locations wie der bloße Hintergrund einer Narration. Vielleicht passt dazu das Verhalten einer Gruppe von Städtern in der Natur. Sie verhalten sich wie Besitzer dieser in ihrer Wahrnehmung unschuldigen Schönheit, was bei Isabelle zu einem emotionalen Ausbruch führt. Auch im Film sind diese Orte eher Sets. Dass einige Kritiker den Film in die Nähe von Hong Sang-soo gebracht haben (bei dessen Claire’s Camera Claire Denis zur Verwirrung von vielen in Cannes mit über den roten Teppich marschierte), ist alleine deshalb fragwürdig.

Natürlich gibt es trotz dieser bildlichen Einschränkungen die obligatorische Tanzszene, die zu einem Film von Denis gehört wie der Soju zu Hong Sang-soo. In ihr taucht plötzlich ein markanter und schweigender Fremder (Paul Blain) auf und tanzt mit Isabelle zu At Last in der Version von Etta James. Es ist, als würde Denis kurz zeigen, welcher Film auch möglich wäre. Doch im Anschluss kehrt Meine schöne innere Sonne wieder zurück in den Modus einer verzweifelten Suche mit Worten und Begegnungen. Der Film stellt in Relation zum restlichen Werk von Denis eine interessante Frage: Was ist Sinnlichkeit? In den vergangenen Jahren ist der Begriff sehr in Mode gekommen, wenn über Filme gesprochen und geschrieben wird. Es ist durchaus erstaunlich, wie häufig dieser Begriff auch in Texten zu diesem Film genannt wird, obwohl vieles in ihm sehr anders arbeitet. Mit Vendredi soir, 35 Rum (35 rhums) und US Go Home hat Denis durchaus schon Filme gedreht, die vergleichbare Konflikte behandelten. Wie kann es sein, dass all das in dieser Verschiedenheit sinnlich sein soll? So werden in Meine schöne innere Sonne nicht Berührungen betont, sondern deren verbale Problematisierung. Es geht nicht um das Umarmen einer Dazwischenheit, sondern um die Suche nach dem Konkreten. Man wird kaum alleine gelassen mit Farben und Körpern, sondern immer verortet in den Wegen einer Protagonistin. Den Film in seiner Arbeitsweise als sinnlich zu bezeichnen, mutet komisch an. Es scheint, dass dieser Begriff ein wenig jenen der Nähe zu ersetzen trachtet. So ist man oft unangenehm nahe an Isabelle, zum Beispiel bei diversen Sexszenen, in denen die Sinnlichkeit mal fehlt, mal für Sekunden auftaucht. Diese Nähe ist in diesem Fall aber eher eine dramaturgische Notwendigkeit als eine ästhetische Kategorie.

Man sollte noch etwas sagen zum Ende des Films, in dem Gérard Depardieu einen gewohnt bemerkenswerten Auftritt als Therapeut hinlegt, der sich mehr oder weniger selbst als nächster Kandidat für das große Glück vorstellt. In dieser Szene wird die Bitterkeit dieser Suche nach einem Lächeln endgültig deutlich. Natürlich kann man während des Films lächeln, aber es ist ein wenig wie die gute Miene zum bösen Spiel. Vielleicht sind es auch unfreiwillige Regungen des Körpers, wie Roland Barthes nahelegt. Lächeln, die man gar nicht wahrhaben will, die auf frischer Tat ertappt werden und nicht reflektiert werden können. Lächeln, die verschwinden. Man bekommt so oder so das Gefühl, dass das Sich-Verlieben ein Gefängnis ist, und jedes Mal, wenn Isabelle sich daraus befreit, wartet schon das nächste Gitter.

Im Normalfall müsste man den deutschen Verleih (der sich hier auch dem amerikanischen angleicht) für seinen Titel (der Nebentitel des Films: Isabelle und ihre Liebhaber), die Plakate und die prinzipielle Ankündigung des Films als seichte Komödie kritisieren. Allerdings verweigert sich der Film dieser Bewerbung nicht ganz. Zu sehr schielt er auf eine Identifikation mit seiner Hauptfigur, zu sehr arbeitet er bewusst mit den Klischees sexueller Begegnungen, die oft mehr auf Kino- und TV-Bildern basieren, als auf tatsächlichem Leben. Was dann entsteht, ist eine merkwürdige Zwischenlösung, in der man sich finden kann, aber nicht muss. In diesem Sinn erfüllt sich im Marketing des Films vielleicht sein wahrer Traum: Das Finden einer inneren Sonne.

Meine schöne innere Sonne (2017)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Ein Schlag ins Gesicht

Selten war ein Prolog so bezeichnend für den Rest des Films. In den ersten fünf Minuten ist bei Un beau soleil intérieur alles gesagt. Isabelle (Juliette Binoche) hat Sex mit ihrem Geliebten. Er fragt, ob sie gleich komme. Sie sagt, er könne ruhig, das mache ihr nichts aus. Er fragt, ob sie bei ihrem vorigen Liebhaber schneller gekommen sei. Ein Schlag ins Gesicht.
 


Die Kamera hängt dabei ganz nah an den Köpfen der beiden, hat sich über den schönen Körper von Juliette Binoche herangearbeitet. Und klebt nun so nah an ihrem Hals, dass man ein wenig weiter in den Kinosessel rückt, weil das zu viel Nähe ist und man diesem Mann nicht so nah sein möchte, wie Isabelle es hier ist. Nachdem er sie so verletzt hat, weint sie. Man sieht nur ihren Rücken, zuckend und schluchzend. Er entschuldigt sich, versucht sie wieder an sich zu ziehen. Ein Machtspiel der Körper, und sie gibt nach. Legt sich auf ihn, küsst ihn wieder. Ein kurzer, zeitraffender Schnitt. Er steckt das blaue Hemd in seine Hose, schließt den Reißverschluss, sagt: „Ich ruf dich an, morgen.“ Und geht. Sie lässt sich aufs Bett fallen, ein Sonnenstrahl schlängelt sich durch den Vorhang auf ihre nackte Brust. Glücklich ist sie nicht.

Und das wird sie auch in den nächsten 98 Minuten nicht werden. Dabei ist Isabelle verzweifelt auf der Suche nach der großen Liebe. Jene, bei der alles andere verblasst. Bei der alles gut wird. Bei der sie den Mann trifft, der ihr Leben komplettiert. Und wie es so ist, wenn man annimmt, dass einen nur eine andere Person komplettieren kann, stolpert man von einer schlechten Beziehung in die nächste. Isabelle tut das im ganz klassischen Muster. Der Banker im blauen Hemd ruft natürlich am nächsten Tag nicht an und auch der Schauspieler, den sie als nächstes abschleppt, ist viel zu unentschlossen, ob das mit ihr nun die große Sache ist, nach der er sucht.

Und so reiht die französische Regisseurin Claire Denis eine Männerepisode an die nächste. Immer wieder landet die Künstlerin Isabelle dabei mit Männern im Bett, die ihr nicht guttun. Die unentschlossen sind. Die auf diese französische Art alles zerreden, weil sie sich für Feingeister halten. Oder die sie zu dominieren versuchen, ihr ihre Sicht der Dinge aufzuzwingen. Und obwohl sie eine kluge Frau ist, glaubt Isabelle ihnen, fällt auf ihre Manipulationen herein, macht sich selbst ein ums andere Mal unglücklich.

Dass man trotzdem nicht entnervt den Saal verlässt, liegt natürlich an Juliette Binoche, die das alles mit einer Intensität spielt, dass man ihr das Wanken zwischen Stärke und Verletzlichkeit vollkommen abnimmt. Zudem hat das Drehbuch einige witzige Wendungen, die sich dann doch über die prätentiöse Pariser Bourgeoisie mokieren. Etwa wenn Isabelle mit ihren Künstlerfreunden einen Ausflug aufs Land macht und alle in den Wald starren, seine Farbverläufe und die beruhigende Wirkung der Natur auf die Bauern des 19. Jahrhunderts erläutern – und sie plötzlich ausrastet und minutenlang anschreit, was sie sich einbilden und ob sie denn denken, all die Natur würde ihnen gehören.

Ist das nun eine Abrechnung mit jener französischen Mittelklasse, die für das derzeitige politische Dilemma des Landes verantwortlich ist? Die so sehr um sich selbst kreist und nur in ihren Milieu-Grenzen denkt, dass sie für alles außerhalb der eigenen Blase den Blick verliert und dennoch todunglücklich mit sich und der Welt zurückbleibt. Oder ist es gar der Abgesang auf diese Art von Frauen, die es trotz aller Emanzipation nicht schaffen, mit sich selbst ins Reine zu kommen, ihr Glück ständig von anderen abhängig machen und in einer verquer-romantischen Vorstellung ihr Gegenstück suchen, mit dem das Leben endlich komplett und ohne Probleme wäre? Vielleicht ist dieser Gedanke für Denis‘ Film auch viel zu weit hergeholt, denn eine Auflösung für das Problem liefert sie freilich nicht. Und so bleibt man zurück wie nach Gesprächen mit dieser einen Freundin, die sich immer über „die Männer“ beklagt, es dabei jedoch nie schafft, sich aus ihren toxischen Beziehungen zu lösen: Man ist ein bisschen verzweifelt und möchte eigentlich niemand anderem empfehlen, sich mit dieser Frau zum Kaffee zu verabreden, denn am Ende diskutiert man zwei Stunden ohne Erfolg über das gleiche Problem und eine Besserung der Situation ist nicht in Aussicht.
 

Meine schöne innere Sonne (2017)

In seiner Autobiografie schrieb die französische Regielegende Jean Renoir über den Grund seiner Zusammenarbeit mit Ingrid Bergman bei seinem „Weiße Margeriten“ („Elena et les Hommes“), dass er sie mal wieder lächeln sehen wollte. In den Filmen mit ihrem Ehemann Roberto Rossellini wären ihre Mundwinkel herabgesunken. Tatsächlich strahlt sich Bergman durch den wundervollen Film.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Anitteb · 31.12.2017

der schlechteste Film den ich je gesehen hab und zum Schluss machte er fast Agro ..einige haben die Vorstellung schpn wärend verlassen ..wir sahsen Fassungslos da und dachten das sich solch eine tolle Schauspielerin für so einen Film hergibt ...schade kann ich wie viele andere nicht weiterempfehlen ;O(

Joyce · 26.12.2017

Sehr langweiliger und lang gezogener Film ohne richtige Handlung, schade denn Titel war sehr interessant!

Edmee Becker · 04.10.2017

Ein Theaterstück hätte besser gepasst für dieses Drehbuch. Dass man hier den Saal nicht verlässt liegt nun wirklich nur an Juliette Binoche. Der Film lädt zum Nachdenken ein, ist aber etwas deprimierend.