Mein Freund Knerten

Eine Filmkritik von Lida Bach

Auf dem grünen Zweig

Knerten ist hölzern. Ein Makel ist das in Åsleik Engmark Kinomärchen nicht, im Gegenteil: Was für den Titelcharakter von Mein Freund Knerten gilt, gilt für die Familienunterhaltung aus Norwegen noch lange nicht. Eigenwillig, gewitzt und nicht ohne die nötige Spur Hintersinn verfliegt die magische Freundschaftsgeschichte in nur 78 Minuten. Umso länger bleibt dafür der liebenswerte Held in Erinnerungen. Eigentlich sind es zwei Helden, doch beide sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Oder gewachsen im Fall von Knerten. Der neue Gefährte des kleinen Lillebror ist kein gewöhnliches Kind, sondern dass eines Baumes. Was der sprechende Zweig und sein unerschrockener Menschenfreund gemeinsam erleben erzählt „Knerten“ zwischen Märchenparabel und Kinderfantasie.
Dass Lillebror og Knerten, so der norwegische Originaltitel des originellen Familienfilms und des Kinderbuchs, auf dem er basiert, ihre Abenteuer auch auf der Leinwand erleben, stimmt fröhlich und wehmütig zugleich. Die preisgekrönte Autorin Anne-Catharina Vestly, die in ihrem Heimatland nicht zu Unrecht fast so berühmt ist, wie Astrid Lindgren in Schweden, erlebte die Verfilmung nicht mehr. 2008 verstarb Vestly, nur wenige Monate, bevor Mein Freund Knerten in den Kinos anlief. Auf einen deutschen Kinostart des Animationsfilms, der im Generations-Programm der 60. Berlinale zum Publikumsliebling avancierte, wartete man bisher vergebens. Gerade aber wenn es trübe aussieht, kommt das Unvorhergesehene ins Spiel. Für den kleinen Lillebror im praktischen Sinne und sinnbildlich für das Publikum, dass seinen Erlebnissen auf der Leinwand folgt. Ein Traumhaus ist das neue Heim der Familie tatsächlich, mag es von außen auch unscheinbar wirken. Das Häuschen und der umliegende Garten verwandeln sich für den fantasiebegabten Lillebror durch seine Fremdheit zur magischen Stätte. Die kindliche Fantasiewelt nimmt Mein Freund Knerten genauso ernst wie die Realität der Erwachsenen und zeigt mit feinsinniger Ironie, dass es gerade die zu oft leichtfertig abgetanen Kinderfantastereien sind, die den nüchternen Erwachsenenalltag weniger trist machen.

Freunde fallen nun mal nicht vom Himmel. Doch wer sagt, dass sie nicht am Baum wachsen? Ein besonderer Zweig fällt aus allen Wolken oder besser gesagt: allen Wipfeln in Lillebrors Hände. Missmutig stromert Lillebror (Adrian Groennevik Smith) zuerst in der Landluft, die dem Stadtkind seit Kurzem um die Nase weht. Die Dorfgegend begegnet ihm als ein Ort definiert durch all das, was es dort nicht gibt. Hohe Preise und und Arbeitslosigkeit gibt es dort nicht, genauso wie Spielplätze und andere Kinder. Was das Land den Eltern einladend erscheinen lässt, lässt es auf Lillebror abweisend wirken. Sein freundliches Gesicht sieht er erst, als er seine Fantasie anstrengt. „Warum holst du dir nicht ein paar Blätter und Nägel und baust was Schönes?“, schlägt seine Mutter (Pernille Sørensen) vor. Ihrem Rat folgt Lillebror in so vielschichtiger Weise, dass sie von Erwachsenenaugen mitunter kritisch betrachtet wird. Um seine Einsamkeit zu bekämpfen baut er sich ein eigenes Abenteuerland, dessen wichtigster Bewohner der Zweigjunge Knerten ist. Auf ihn projeziert Lillebror seine kindlichen Ängste, aber auch den frechen Charme und den Mut, die er sich wünscht. Dass er beides im Grunde schon besitzt, beweisen eine kuriose Pfandaktion und ein gewitzter Werbeeinfall, die Lillebrors Vater unversehens zum erfolgreichen Geschäftsmann machen.

Ein wenig zu leicht lösen sich die Probleme in Mein Freund Knerten dank der Hilfe des kleinen Helden, doch diese Unbeschwertheit macht Engmarks liebevoll gestaltet Buchadaption zu einem angenehm ruhigen Kinderfilm, der die Jüngsten im Publikum ernst nimmt und weiß, dass auch leichtere Kindersorgen schwer wiegen können. Die dramaturgische Zurückhaltung lässt die liebevollen Animationen, die dem klassischen Puppentrick näher stehen als grellen CGI-Effekten, besonders gut zur Geltung kommen. Hölzern ist Knerten, stocksteif dafür kein bisschen.

Mein Freund Knerten

Knerten ist hölzern. Ein Makel ist das in Åsleik Engmark Kinomärchen nicht, im Gegenteil: Was für den Titelcharakter von „Mein Freund Knerten“ gilt, gilt für die Familienunterhaltung aus Norwegen noch lange nicht. Eigenwillig, gewitzt und nicht ohne die nötige Spur Hintersinn verfliegt die magische Freundschaftsgeschichte in nur 78 Minuten.
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