Meadowland

Eine Filmkritik von Falk Straub

Leise Trauerarbeit

Drehbuchautor Chris Rossi wollte das Thema Kindesentführung einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Statt polizeilicher Ermittlungen steht das Leid der Eltern in Meadowland im Mittelpunkt. Regisseurin und Kamerafrau Reed Morano setzt ihr Drama, in dem allen voran Olivia Wilde glänzt, leise und berührend in Szene.
Mit einem ungewohnten Blickwinkel steigt Chris Rossis Drehbuch dann auch ein. Statt uns mit einem Establishing Shot langsam heranzuführen, wirft uns Rossi mitten ins Geschehen. Eben saßen wir noch mit Jessie (Casey Walker) im Wagen seiner Eltern auf dem Rücksitz, scherzten kurz darauf im Shop einer Tankstelle, nun suchen wir mit Sarah (Olivia Wilde) und Phil (Luke Wilson) die Umgebung nervös nach ihrem Sohn ab. Der Hinterausgang der Tankstellentoilette steht offen, führt über die angeschlossene Werkstatt ins Freie. Von Jessie ist keine Spur. Rufe werden zu Schreien. Ein harter Schnitt bringt uns ein Jahr in die Zukunft. Sarah und Phil sind bei ihren Bekannten Rob (Mark Feuerstein) und Kelly (Merritt Wever) zu Besuch. Während Phil den Verlust scheinbar gut verarbeitet hat, nimmt Sarah immer noch Medikamente, betäubt sich mit Alkohol und lenkt sich mit nächtlichen Spaziergängen von ihrer Schlaflosigkeit ab. Es sind bereits zehn Minuten vergangen, als wir dem Ehepaar zum ersten Mal in ihrem Berufsalltag begegnen. Und der trifft uns umso härter. Denn Sarah ist Lehrerin, Phil Polizist.

Kamerafrau Reed Morano (Kill Your Darlings, The Skeleton Twins) gibt mit Meadowland ihr Regiedebüt und zeigt, dass auch mit wenig viel möglich ist. Mit geringem Budget in nur wenigen Tagen gedreht, ist dieses Drama nicht nur bis in die kleinste Nebenrolle vorzüglich besetzt, sondern auch klug geschrieben, leise, aber nachdrücklich gespielt und trotz aller Schwere leichtfüßig inszeniert. Das ist nicht zuletzt zwei Entscheidungen Moranos geschuldet. Zum einen führt sie selbst Kamera, was dem in sanftes Licht getauchten Film eine wunderbar naturalistische Note verleiht. Zum anderen entschied sie sich dafür, auf ihre Hauptdarstellerin zu warten und den Beginn der Dreharbeiten zu verschieben, als diese schwanger wurde. Das mag auch daran liegen, dass Olivia Wilde den Film mit produziert hat, ist dessen ungeachtet dennoch ein Luxus, der bei sündhaft teuren Großproduktionen sicherlich nur schwer vorstellbar wäre.

Ohne die Leistung der anderen Schauspieler zu schmälern – allen voran Luke Wilson liefert als verzweifelter Vater, der als Gesetzeshüter seinen moralischen Kompass verliert, die beeindruckendste Leistung seit langem – ist Olivia Wilde das eigentliche Ereignis dieses Films. Ihre Sarah ist eine Orientierungslose, die ihrem Körper von außen zusetzt, um ihre innere Taubheit zu überwinden. Phil möchte seine Trauer gern mit ihr gemeinsam verarbeiten, bekommt seine Frau jedoch nicht mehr zu fassen. Phils suchtkranker Bruder Tim (Giovanni Ribisi), mit dem sich Sarah nie verstand, wird hingegen zu ihrem Spiegel. Nach und nach freundet sich Sarah mit dem autistischen Schüler Adam (Ty Simpkins) an, in dem sie weniger einen Ersatz für ihren Verlust als vielmehr einen Seelenverwandten sieht. Adam könnte schließlich auch der Schlüssel zur Lösung ihrer Probleme sein. All das spielt Olivia Wilde nur mit wenigen Blicken, mit einem gequälten Lächeln, müden Augen und ihrem zerbrechlichen, fast leblosen Körper.

Trotz der großen Namen ist Meadowland ein kleiner, intimer Film. Das bleibt er auch in der Umsetzung seiner Themen. Wie Phil und Sarah mit ihrer Trauer umgehen, dass am Verlust ihres Kindes ihr Berufs- und Privatleben zerbricht, ist nicht neu. Statt auf große Gesten und explizite Bilder setzt Meadowland jedoch stets auf Zurückhaltung. Und während Sarah bei ihrem Versuch, mit ihrer Trauer endlich abzuschließen, dank Tim und Adam erste Erfolge verzeichnet, entlässt uns Chris Rossis Drehbuch ebenso unvermittelt, wie es uns in die Geschichte gesogen hat.

Meadowland

Drehbuchautor Chris Rossi wollte das Thema Kindesentführung einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Statt polizeilicher Ermittlungen steht das Leid der Eltern in „Meadowland“ im Mittelpunkt. Regisseurin und Kamerafrau Reed Morano setzt ihr Drama, in dem allen voran Olivia Wilde glänzt, leise und berührend in Szene.
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