Marie Curie (2016)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Forscherin im Badezuber

Marie Curie war die erste Frau, die den Nobelpreis für Physik bekommen hat. Sie ist die erste Frau, die den Nobelpreis für Chemie bekommen hat. Sie ist die bisher einzige Frau, die mehr als einen Nobelpreis erhalten hat – und nur eine von zwei Personen, die Nobelpreise auf verschiedenen Gebieten erhalten haben. Sie prägte das Wort „radioaktiv“, sie entdeckte Polonium und Radium. Mit ihrem Mann Pierre. Es ist diese wachsende Liebesbeziehung zweier Wissenschaftler, die oftmals im Mittelpunkt von Filmen über Marie Curies Leben steht. Deshalb ist es anfangs eine freudige Abweichung, dass Marie Noëlle in ihrem Film Marie Curie zeitlich kurz vor der der Verleihung des ersten Nobelpreises beginnt. Marie (Karolina Gruszka) und Pierre (Charles Berling) sind bereits verheiratet, ihr zweites Kind ist so gut wie geboren und dieser Preis scheint der erste Höhepunkt ihrer gemeinsamen Forschungen zu sein. Doch dann stirbt Pierre durch einen Unfall – und damit könnte sich der Film voll auf Marie konzentrierten. Stattdessen aber erzählt er weniger davon, wie sich Marie voller Trauer in die Arbeit stürzt, die ihr den zweiten Nobelpreis einbringen wird, sondern von ihrer fünf Jahre nach Pierres Tod beginnenden Affäre mit ihrem verheirateten Kollegen Paul Langevin (Arieh Worthalter).

Von Anfang an inszeniert Maria Noëlle Marie Curie als sehr sinnliche und begehrenswerte Frau. Schon in ihrer Ehe mit Pierre – so legt es der Film nahe – waren Forschungen und Entdeckerdrang eng verbunden mit leidenschaftlicher Sexualität, so dass ein Stelldichein im Hotelzimmer beinahe die pünktliche Entgegennahme des Nobelpreises verhindert hätte. Diese Ehe erscheint ideal, sie teilen Hingabe in allen Bereichen. Nach Pierres Tod ist nun Marie nicht nur der Forschungspartner abhanden gekommen, sondern auch der Mann, mit dem sie ihre Leidenschaften ausleben konnte. Mit diesem Ansatz wird sehr deutlich, dass Marie Curie nicht nur eine bemerkenswerte Wissenschaftlerin war, dass sie auch Ehefrau, Geliebte und Mutter war. Daran ist im Grunde genommen nichts auszusetzen, versucht sie doch, auf diese Weise Marie Curies Sinnlichkeit in der Wahrnehmung der Welt herauszustellen. Dafür vertraut die Regisseurin darauf, dass dem Zuschauer das Leben und Wirken Curies bekannt ist. Nicht jeder Sprung wird durch eine Jahreszahl erklärt, nicht jedes biografische Detail mit einer Texttafel nachgereicht. Vieles wird nur angerissen, statt auserzählt, Maries Eintreten für eine ganzheitliche Bildung von Kindern beispielsweise. Aber leider wird auch ihre Forschungsarbeit nur kurz in einer Montage zusammengefasst. Hier wird ein wesentlicher Bestandteil von Marie Curies Wirken auf eine Bilderfolge reduziert, während ihre Ausstrahlung, die neben Langevin wohl auch Albert Einstein anziehend fand, ausreichend gezeigt werden kann. Immer wieder ist sie nackt zu sehen, im Bett, im Badezuber, immer wieder arbeitet sich die Kamera Zentimeter für Zentimeter an ihrem Körper entlang. Es ist wenigstens irritierend, dass die Nobelpreisträgerin auf diese Weise gezeigt wird, es drängt sich die Frage auf, ob ein Film über Albert Einstein beispielsweise den Protagonisten ähnlich präsentieren würde.

Diese biographische Gewichtung dieser acht Jahre ist umso bedauerlicher, als Kameramann Michal Englert mitunter sehr schöne, poetische Bilder findet, die die Faszination Marie Curies für ihre Forschungsarbeit zeigen. Aber leider drohen auch sie spätestens mit Beginn der Affäre mit Langevin in Kitsch zu verfallen. Daher ist es letztlich diese Affäre, unter der auch der Film zu leiden hat: Natürlich verweist sie auf die Bigotterie der patriarchalischen Gesellschaft und Wissenschaftswelt, die nicht nur daran Anstoß nimmt, dass Marie Curie eine Frau ist, sondern auch, dass sie aus Polen stammt und Jüdin ist, und deshalb allzu gerne diese Affäre mit einem verheirateten Mann als Anlass ihrer Entrüstung nimmt. Der Film will nun darauf verweisen, dass dieser Skandal instrumentalisiert wurde, um eine mutige Frau zu schwächen. Jedoch schöpft er das Skandalpotential dieser Affäre ebenso aus.

Insgesamt ist Marie Curie daher recht zwiespältig geraten: Auf der einen Seite überzeugt der Film mit einer detailgetreuen Ausstattung und insbesondere im ersten Drittel dem Mut, sich von den Erzählkonventionen eines klassischen Biopics zu lösen. Auf der anderen Seite aber versinkt er im letzten Drittel in den Untiefen einer vorhersehbaren Romanze und ergötzt sich weit mehr an der Nacktheit seiner Hauptfigur, ohne dass dies einen erzählerischen oder stilistischen Mehrwert hätte.
 

Marie Curie (2016)

Marie Curie war die erste Frau, die den Nobelpreis für Physik bekommen hat. Sie ist die erste Frau, die den Nobelpreis für Chemie bekommen hat. Sie ist die bisher einzige Frau, die mehr als einen Nobelpreis erhalten hat – und nur eine von zwei Personen, die Nobelpreise auf verschiedenen Gebieten erhalten haben. Sie prägte das Wort „radioaktiv“, sie entdeckte Polonium und Radium.

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