Mahana - Eine Maori-Saga

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die Tyrannei des Schwächsten

Es ist das Leid des Klügeren, das Simeon (Akuhata Keefe) fast täglich in seiner Familie erfährt. Der Teenager ist der Bücherwurm der maorischen Großfamilie Mahana, die vom Patriarchen, seinem Großvater (Temuera Morrison), mit eiserner Hand geführt wird. Es gilt die alte Maori-Tradition, dass die Ältesten zu respektieren sind und diese für alle anderen die Entscheidungen treffen. Oder wie Simeons Lehrer George Bernard Shaw zitiert: „Familie ist eine Tyrannei, geführt von ihrem schwächsten Mitglied.“
Und die Schwäche des tyrannischen Großvaters ist die Gier nach Macht. Tagtäglich bestimmt er die Abläufe aller Mitglieder. Die Kinder gehen zur Schule, die Älteren werden in Arbeitskolonnen zum Schafe scheren geschickt. Keines der Kinder ist unabhängig, alle beugen sich seinem Willen und gehorchen. Alle bis auf Simeon, der einfach nicht anders kann, als den Patriarchen ständig zu hinterfragen. Dafür kommt er dann auch ins Kreuzfeuer. Der Zorn des alten Mannes führt sogar zu einer Auseinandersetzung, die zum Ausstoß von Simeons Familie aus dem Großfamilienbund führt.

Von Arbeits- und Obdachlosigkeit bedroht, rettet die Großmutter, was zu retten ist und gibt ihr altes Haus und ein Stück Land her. Doch Simeons Familie sind nicht die einzigen, die sich den Zorn des Alten zugezogen haben. Bald verstößt er noch weitere Mitglieder. Und dann sind da noch die Poatas, die schon seit langer Zeit eine Familienfehde mit den Mahanas pflegen. Der Grund ist schon fast vergessen, würde Simeon nicht dauernd Fragen stellen und so nach und nach das dunkle Geheimnis seiner Familie aufdecken.

Lee Tamahoris Film Mahana — Eine Maori-Saga, eine Verfilmung des gleichnamigen Buches von Whale Rider-Autor Witi Ihimaera, bearbeitet gleich mehrere Themen. Zum einen portraitiert er das harte Leben der Maori im Neuseeland der 1950er Jahre, einem Dasein, das vor allem vom Kampf ums Überleben bestimmt ist. Gleichzeitig zeigt er aber auch die schizophrene Situation, Menschen zweiter Klasse im eigenen Land zu sein. Die Sprache der Maori ist zu großen Teilen ersetzt durch Englisch, ihre Religion ist zu großen Teilen christlich, ihre Rechtslage grotesk. So dürfen sie im Gerichtsgebäude nicht ihre eigene Sprache sprechen und unterliegen den harschen Urteilen der Weißen, die über sie richten wie Vieh. Doch auch innerhalb der Maori-Familien, die sich in großen Clans über Wasser halten, herrscht Unfreiheit. Die alten Riten, verzerrt und verhärtet durch die Lebensumstände nehmen jegliche Luft zum Atmen und Freisein. Wie ein durch Prügel zur Härte erzogener Hund herrscht der Großvater über das Schicksal aller und lässt keinerlei Ausweg. Gedeckt wird dies durch Angst, Submissivität und Schweigen. Bloß nicht reden, das wird Simeon immer wieder eingebläut. Bloß nicht reden. Doch der Junge erkennt die Strukturen und seine Rebellion bringt das kranke Familiensystem letztendlich zum Kippen.

Schön ist Mahana — Eine Maori-Saga, im Ästhetischen wie im Erzählerischen. Das macht den Film zu einem einfachen und unterhaltsamen Erlebnis, gleichzeitig ist es aber auch schade, dass hier so wenige Ecken und Kanten übrig gelassen wurden und dass der Film an manchen Stellen fast etwas Naives an sich hat. Aber das ist Absicht. Mahana — Eine Maori-Saga ist klassisches Erzählkino mit der typischen Emanzipationsgeschichte eines jungen Mannes, der einmal ein Anführer sein wird. Um wie viel interessanter wäre es gewesen, diese Familiensaga etwas ambivalenter zu spielen. Denn Simeon, so wird einmal im Nebensatz erwähnt, ist dem Großvater doch sehr ähnlich. Genauso dickköpfig und persistent ist der Junge. Wird er also einst auch so eisern herrschen wie der alte Patriarch? Der Film aber entscheidet sich lieber für ein rundes, alles erklärendes Ende und bleibt damit konform. Und das macht ihn letzten Endes dann doch zu einem Werk, das nicht die nachhaltige Wirkung erzielt, die möglich gewesen wäre.

Mahana - Eine Maori-Saga

Es ist das Leid des Klügeren, das Simeon (Akuhata Keefe) fast täglich in seiner Familie erfährt. Der Teenager ist der Bücherwurm der maorischen Großfamilie Mahana, die vom Patriarchen, seinem Großvater (Temuera Morrison), mit eiserner Hand geführt wird. Es gilt die alte Maori-Tradition, dass die Ältesten zu respektieren sind und diese für alle anderen die Entscheidungen treffen. Oder wie Simeons Lehrer George Bernard Shaw zitiert: „Familie ist eine Tyrannei, geführt von ihrem schwächsten Mitglied.“
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