Macbeth (2015)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Große Gesten

Shakespeare-Verfilmungen sind immer eine heikle Sache. Wie soll man seine Texte für die Leinwand adaptieren? Was streicht man heraus, was lässt man drin? Und spricht man den Originaltext oder adaptiert man auch die Sprache? Wie unterscheidet man seinen Film von den anderen Filmadaptionen und wie macht man eine Geschichte, die die meisten im Publikum schon kennen, interessant? Ja, so ein Film ist ein ganz schönes Unterfangen, noch dazu wenn man Shakespeares Magnum Opus Macbeth wählt. Und das als bisher eher unbekannter Jungregisseur wie Justin Kurzel.

Und Kurzel wählt durchaus kluge und überraschende Wege, um mit diesem Stoff umzugehen. Die wohl klügste ist dabei wohl, dass er anstatt chronologisch zu bleiben und zu kürzen, Shakespeares Drama wahrhaft kinematografisch aufarbeitet und viele Ereignisse, die passieren werden, als Vorschau visualisiert, während die Figuren in ihren Monologen erahnen, was geschehen wird. Das ist wirklich clever, verschiebt er doch so viel des Textes auf die visuelle Ebene, die wiederum den Vorteil hat, viele Ideen und Geschehnisse mit einem präzisen Bild zu zeigen.

Die zweite kluge Wahl, die der Regisseur trifft, ist eine vortreffliche und qualitativ auf höchstem Niveau angesiedelte Kinematographie. Macbeth aus dem Raum des Theaters zu befreien und wahrhaft ins Kino zu holen, ohne dabei das Theater mitzunehmen oder in die Stilistik eines Historienschinkens zu verfallen, ist nicht einfach. Kurzel wählt den Weg eines halbmagischen Raumes. Ästhetisch kommt er dabei Nicolas Winding Refns Walhalla Rising sehr nah. Macbeths Welt ist vor allem eine Welt der Natur. Oft finden Szenen im Freien statt: auf kargen Feldern, vor großen Bergen mit Wetterphänomenen, die halb typisch schottisch, halb verzaubert sind. Der orange-rote Himmel verdunkelt sich und der kalte Regen prasselt auf die Protagonisten nieder, die sich am Anfang des Filmes im schlammigen Feld metzeln. Allen voran Macbeth (Michael Fassbender), der bis dato noch treue Vasall des Königs.

Doch auch die Innenräume vermitteln oft emotionale Aspekte durch ihre Einrichtung und ihre Lichtverhältnisse. So kehrt der Krieger nach gewonnenem Kampf heim zu Lady Macbeth (Marion Cotillard) in seine kleine, graue Enklave mit der kleinen, dunklen Kapelle, in der seine Frau wartet, zerfressen von der Trauer um ihr totes Kind und der Sorge um ihren Mann. Der spätere Einzug in das große Königshaus am Meer gestaltet sich im Gegensatz dazu hell und warm. In der Tat, die Bildkompositionen sind es, die diese Verfilmung herausragen lassen und dem alten Stoff eine wahrhafte Massivität und dramatische Tiefe geben.

Es wäre leicht, als Mensch, der durch solche poetischen und gewaltigen Kompositionen wandelt, von diesen verschluckt zu werden. Doch sowohl Michael Fassbender als auch Marion Cotillard spielen mit ganzer Macht ihre Rollen und stemmen so nicht nur die gewaltigen Shakespeare’schen Worte, sondern balancieren die Mächtigkeit der Bilder mit der Mächtigkeit ihres Schauspiels. Doch so sehr sie sich auch bemühen, die große Schwachstelle Macbeths können auch sie nicht ausbügeln: Der Film ist so sehr auf die dramatischen Aspekte der Geschichte ausgelegt, dass er zum einen sämtliche leichten, komödiantischen Aspekte, die das Schauspiel aufweist, komplett missachtet. Dies gepaart mit den großen Bildern, dem dramatischen Schauspiel, dem Leiden und Jammern der Macbeths macht Kurzels Werk zu einem schweren Werk, das sich Stück für Stück der Schwere dieses Leidens ergeben muss und am Ende an chronischer dramatischer Verstopfung leidet.

Die feinen Nuancen, die witzigen Momente, die dem Theaterstück erst seine ultimative Dramaturgie und emotionale Tiefe verleihen, gehen verloren im angestrengten Akt, die selbigen im Film zu visualisieren. Die großen Gesten, sie gelingen alle. Aber die leisen Zwischentöne, ja das feinsinnige, ambivalente Menschliche, das bleibt am Ende auf der Strecke.
 

Macbeth (2015)

Shakespeare-Verfilmungen sind immer eine heikle Sache. Wie soll man seine Texte für die Leinwand adaptieren? Was streicht man heraus, was lässt man drin? Und spricht man den Originaltext oder adaptiert man auch die Sprache? Wie unterscheidet man seinen Film von den anderen Filmadaptionen und wie macht man eine Geschichte, die die meisten im Publikum schon kennen, interessant?

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Meinungen

Martin Zopick · 13.03.2021

Eine sehr eigenwillige Shakespeare Adaption, die sich z. T. von der Vorlage des großen englischen Dichterfürsten unterscheidet. Neben der großartigen schottischen Landschaft, die als Lokalkolorit herhalten muss, bleibt die Sprache gewöhnungsbedürftig. Auch der permanent unterlegte Bassbrummer eines Dudelsacks nervt auf die Dauer. Weite Passagen werden dialogmäßig von einem Flüsterton bestimmt. Und in dem Maße, in dem der rote Faden des Plots immer dünner wird, muss sich die Konzentration der Zuschauer steigern. Da ist es hilfreich, wenn gewisse Namen wie Duncan, Banquo oder McDuff geläufig sind. Den Tod des Ehepaars Macbeth kann man ja noch notgedrungen als ausufernde Interpretation verstehen, doch die beiden Weissagungen, die bei Shakespeare von zentraler Bedeutung sind, wie der Laufende Wald oder einer, der nicht vom Weibe geboren wurde, hier wird ein Kaiserschnitt angedeutet, kommen hier unter die dramaturgischen Räder. Konsequent hat Regisseur Justin Kurzel eine düstere größtenteils auf freiem Feld stattfindende Handlung inszeniert. Die Atmosphäre ist dunkelbraun bis schwarz, nebelverhangen und in Kerzenlicht getaucht sodass die Aktionen bisweilen unsichtbar werden. Die Macbeths, hier vertreten von Michael Fassbender und Marion Cotillard stehen im Mittelpunkt des Interesses, was aber leider die Handlung nicht klarer werden lässt. Vor allem die unterschiedlichen, zeitlich versetzten Motivationen von Ihm und ihr kommen nur ganz flach rüber. Am Ende wird der Wunsch nach Polanskis Film verständlich, der wie die Filme von Kenneth Branagh eine echte Werbung für das klassische Theater ist.

walter schumann-hindenberg · 12.03.2016

ein sehr gelungenes werk der spannungsfaden läuft gut durch
in farbe und bildern schauspielerisch sehr gut.vor allem die
zeitlupe bei den schlachten kommt sehr gut an.das schluss
bild mit macbeth und maccolm ist sehr gut kann ich nur empfehlen
auch die vielen szenen in der natur sind sehr gut und kommen dem drama macbeth sehr nahe

Ralf Reck · 14.11.2015

Was interessiert heute einen Filmenacher an der Figur Macbeths? Wahrscheinlich das Blutrünstige. Kurzels Film badet daher auch im Blut, während der Eingangsschlacht in in überdehnter Slow Motion, immer wieder unterbrochen von Echzeitkampf, und das alles auf Breitwand, gefilmt wie von einer Handkamera. D.h. auch die Kamera kämpft, versucht sich der Bewegung anzupassen. Der Kameramann (Adam Arkapaw) verschneidet immer wieder weite schottische Nebellandschaft mit unscharf wirkenden Profilgroßaufnahmen der Handelnden. Allein das wirkt schon gespreizt. Hinzu kommt eine altertümliche Sprache, wie sie zur sehr naturalistsch aufgefassten Szenerie überhaupt nicht passt. Der synchronisierte Text (deutsche Fassung) folgt kaum den Lippenbewegungen der Darsteller. Diese im Theater (wo sich der Kampf und das Blutrünstige weitgehend im Kopf abspielt) bei großartigen Schauspielern beeindruckende „Shakespeare“-Sprechweise zieht sich leider durch den ganzen Film. Der Regisseur begibt sich damit der Möglichkeit, der extrem naturalistischen Handlung eine natürliche, die tiefere Handlung verdeutlichendere Sprache gegenüberzustellen. Theater und Film lassen sich nicht mischen, zumindest nicht von Justin Kurzel.

Wenig glaubhaft ist, dass sich ein Lehnsmann des schottischen Königs im 11. Jahrhundert kein steinernes Haus leisten konnte, sondern sich mit einer schmutzigen Holzhütte zufrieden gab, während dem König in seiner Burg bereits eine hochgotische, erst für das 13. – 14. Jahrhundert typische Kathedrale zur Verfügung stand. Wenn Kurzel durch die Obergadenfenster einfallendes Licht sich kreuzen lässt, wirkt das geschmäcklerisch, ebenso der Brand des Waldes von Birnam am Schluss des Films (nicht der Wald von Birnam - die gegen Macbeth ankämpfende Truppe tarnen sich bei Shakespeare mit den Bäumen- erreicht Macbeths Burg, sondern der Funkenflug). Wie zündet man außerdem einen Wald im ansonsten während des Films ständig nassen und nebligen Schottland an? Gegen die Schauspielerei von Michael Fassbender als Macbeth und Marion Cotillard als Lady Macbeth ist insgesamt nichts einzuwenden. Die visuelle Kraft ihrer Darstellung reicht aber nicht aus, um den wie aus dem Off kommenden antiquierten, zu den Gesichtern nicht passenden Sprechtext vergessen zu lassen. Alles wirkt wie ein Stummfilm, dem Sprechblasen aus einer anderen Zeit unterlegt sind. Warum der Film von der publizierten Filmkritik so gut bewertet worden ist, bleibt mir schleierhaft. Wahrscheinlich gehen Filmkritiker kaum ins Theater oder in die Oper und ihnen fehlen Vergleichsmöglichkeiten, wie Shakespears Drama immer noch beeindrucken kann. 4/10 Pkt.