Luca tanzt leise

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Die dunklen Jahre hinter sich lassen

Philipp Eichholtz ist ein Anhänger der German-Mumblecore-Bewegung. Nein, keiner der Urväter, ein Nachfolger, der freilich Axel Ranischs Sehr gutes Manifest ernst und als Anleitung für das eigene Filmschaffen nimmt: Nach Liebe mich! von 2014 – in dem Ranisch mitspielt (als Hummel!) – kommt nun Luca tanzt leise, in dem Ranischs Oma Ruth Bickelhaupt, gesegnete 95 Jahre alt, eine kleine Rolle hat. Die Protagonistin bei Eichholtz aber ist Luca (Martina Schöne-Radunski), die mit ihrem Leben nicht zurechtkommt. Und was der Regisseur und der Film mit dieser zugegebenermaßen vagen Grundlage anstellen, ist wirklich sehenswert: Weil es emotional so richtig zupackt.
„Ein sehr guter Film hängt nicht vom Budget ab. Er entsteht in Freiheit selbstbestimmt und unabhängig quasi von glücklichen Filmautoren. Sehr gute Filme sind die Bio-Produkte der Deutschen Filmlandschaft.“ So lautet der erste Satz von Axel Ranischs Sehr gutes Manifest, an den sich Philipp Eichholtz angelehnt hat: Er schrieb das Drehbuch zu Luca tanzt leise in drei Tagen, 34 Szenen skizziert auf drei Seiten. Schnell gecastet, begann drei Wochen später der Dreh. Und das ist schon mal genau das, was diese frischen, frechen Filme dieser frischen, frechen neuen deutschen Welle ausmacht: Spontanität; der Wille, was rauszuhauen; und das Können, aus wenig alles zu machen. Wie es im Presseheft über Eichholtz heißt: „Liebevoll menschlich und finanziell unterstützt wurde Philipp in all den Jahren vor allem von seiner Oma. Weshalb der Name seiner Produktionsfirma ‚Von Oma Gefördert‘ weniger Ironie birgt, als man annehmen mag.“

Mit Liebe mich! hat Eichholtz gezeigt, was er kann, ein Erstlingsfilm über die Verirrungen und Verwirrungen in einem jungen Leben. Luca tanzt leise vertieft diese Thematik, angeregt von einem tatsächlichen Fall in Eichholtz‘ direktem Umfeld, der eine filmische Antwort verlangte. Luca hat einen Hund, mehr aber nicht im Leben. Der Hund ist der Grund, warum sie morgens aufsteht. Schließlich muss sie ihn füttern und Gassi gehen. Der Hund hat geholfen, dass sie sich aufrappelt. Dass sie ihr Leben wieder anpackt, so gut es eben geht, wenn man keinen wirklichen Zugriff hat. Luca holt das Abi nach, danach, tja, das Danach kommt später. Jetzt kämpft sie mit Mathe. Und freundet sich mit ihrem Sitznachbarn in der Volkshochschule an. Kurt (Hans-Heinrich Hardt) ist zwar schon 60, aber auch er arbeitet sich am Leben ab. Und hängt in Englisch ziemlich durch. Aber vielleicht sind die beiden ja gemeinsam stark?

Stärke aber ist nicht ihre Stärke, noch immer lässt sich Luca vor allem gängeln. Von der Mutter, die wenig Verständnis hat und wahrscheinlich keine Nerven mehr. Und von ihrem Ex-Freund, der ihr sehr weh getan hat, aber auch so zärtlich gucken kann wie ein Hundchen. Es geht alles nur Schritt für Schritt, immerhin hat sie die Kraft, morgens aufzustehen. Das könnte alles ein deprimierendes Drama um Depression sein – und ja: das ist es auch. Aber es ist eben auch mehr: Denn Eichholtz kennt sich sichtlich aus mit seinen Figuren, er nimmt spürbar seinen Film persönlich und kann gottseidank den Abstand der Ironie nutzen, um die Komik im Tragischen auszuspielen. Kann auch seine Protagonistin richtig schlecht aussehen lassen, wenn sie die Kontrolle über sich und ihr Leben verliert. Kann ihre Widersprüchlichkeit aushalten und ausstellen. Und zeigt auch Kurt nicht als Helden in schimmernder Rüstung, der zur Rettung eilt, sondern als einen, der halt so manche Erfahrung im Leben gesammelt hat: Einen Kater bekämpft man am besten mit Alkohol, gegen die Entzugserscheinungen bei Kokain weiß er aber auch nicht weiter.

Schnell und knallig kommt der Film zur Sache, beschönigt nichts in Lucas Phase, in der sie ihrer depressiven Lethargie zu entkommen versucht, und bringt mit ihrem berlinerisch-lakonischen Charme eine unaufdringliche Komik mit hinein. Das ist sehr gut anzuschauen – gegen Ende aber merkt man plötzlich, wie sehr einen diese Person und ihre Welt tatsächlich gefangen hält: Da nämlich wird es emotional richtig heftig, der Film packt einen so richtig am Genick. Und zwar nicht mit rührseliger Tränendrüsendrückerei – da sei das sehr gute Manifest vor! –, sondern als deutlichen Ausdruck des Leids in der Welt. Ein Leid, das man überwinden können muss.

Luca tanzt leise

Philipp Eichholtz ist ein Anhänger der German-Mumblecore-Bewegung. Nein, keiner der Urväter, ein Nachfolger, der freilich Axel Ranischs Sehr gutes Manifest ernst und als Anleitung für das eigene Filmschaffen nimmt: Nach Liebe mich! von 2014 – in dem Ranisch mitspielt (als Hummel!) – kommt nun Luca tanzt leise, in dem Ranischs Oma Ruth Bickelhaupt, gesegnete 95 Jahre alt, eine kleine Rolle hat.
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