London to Brighton

Ein atemberaubendes Debüt

Auf einer öffentlichen Toilette bringt die hektische Frau, die offensichtlich gerade ganz derbe geprügelt wurde, das verängstigte junge Mädchen unter, bringt ihr etwas Fast-Food und verspricht, sie bald abzuholen und in Sicherheit zu bringen. Rasch besorgt sie ein wenig Geld, und dann fliehen die beiden Frauen mit dem Zug aus London nach Brighton, wo sie erst einmal bei einer Freundin unterkommen. Zweifellos ist es etwas Entsetzliches, vor dem Kelly (Lorraine Stanley) und Joanne (Georgia Groom) davonlaufen, von denen der Zuschauer noch gar nicht weiß, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Offensichtlich ist nur, dass sie etwas Grauenhaftes erlebt haben, gesucht werden und alles daran setzen, unauffindbar zu werden – alles andere ist zunächst einmal unwichtig.
Von der ersten Sequenz an gestaltet sich London to Brighton des britischen Regisseurs Paul Andrew Williams, der auch das Drehbuch verfasste und in einer kleinen Nebenrolle zu sehen ist, voll packender Spannung, die sich innerhalb einer sorgfältig und anregend konstruierten Dramaturgie immer wieder auflädt, während wenige ruhige und entspannte Szenen die Intensität und Dichte der Geschichte unterstreichen und den Figuren Raum zur Entfaltung bieten. In unvermittelt erscheinenden Rückblicken wird dabei die Entwicklung der Ereignisse angedeutet, die sich in aufregender Langsamkeit auf die zentrale Frage zubewegt, was genau in jenem Zimmer geschah, in dem die beiden Frauen mit einem einflussreichen Freier zusammen waren.

Derek (Johnny Harris) ist ein skrupelloser Zuhälter, der seinem reichen Kunden Duncan Allen (Alexander Morton), der dies von seinem eiskalten Sohn Stuart (Sam Spruell) organisieren lässt, auch schon mal mit Hilfe der Prostituierten Kelly ein sehr junges Mädchen besorgt. Nur höchst widerwillig stimmt Kelly zu, auch dieses Mal auf der Straße nach einem geeigneten Opfer Ausschau zu halten, und tatsächlich schließt sich ihr die zwölfjährige Joanne auch bereitwillig an, denn sie ist vor ihrem brutalen Vater fortgelaufen und ahnt nicht im Geringsten, was sie erwartet. Als Derek ihr hundert Pfund anbietet, um gemeinsam mit Kelly einem Mann eine Weile Gesellschaft zu leisten, stimmt Joanne zögerlich zu, und die beiden Frauen werden in Duncans Villa gebracht. Kelly spürt zunehmend Gewissensbisse, und als sich Duncan mit Joanne allein in sein Schlafzimmer zurückzieht und das Mädchen verzweifelt zu schreien beginnt, greift sie schließlich ein …

Überzeugende Darsteller, eine heftige, rasant erzählte und grandios inszenierte Geschichte, geradezu lähmende Spannung und tiefste Melancholie – das kann nur einen heftigen Thriller ergeben, der seine Spur tief in die Aufmerksamkeit des Zuschauers brennt. Der Film wurde beim Edinburgh Film Festival uraufgeführt und dort mit dem New Director´s Award für Paul Andrew Williams ausgezeichnet, und weitere Nominierungen und Preise folgten. Ein ganz beachtliches Spielfilmdebüt des Briten, dessen Entstehung von der Crew unter Fragen und Antworten bei den Extras geschildert wird. Freunde niveauvoller, dramatischer Hochspannung mit Tiefgang sei geraten, diesen begabten Filmemacher, der bereits mit seinem ersten Film einen außergewöhnlichen Stil ausgeprägt hat, im Auge zu behalten. London to Brighton ist ein rabenschwarzes Milieu-Stück mit pointierten, mitunter schaurigen Dialogen, das ohne Umwege auf ein erschütterndes Finale zuläuft, dessen aufwühlende Effekte und Schwerlastigkeit noch lange nachwirken.

London to Brighton

Paul Andrew Williams Langfilmdebüt ist ein schonungsloser und bitterer Thriller über Armut, Kinderprostitution und Mord.

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