Liebe Halal

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Liebesleben hinterm Schleier

Wie „halal“ kann Liebe sein, wenn sie Begehren, Erotik und Sex einschließen will? Assad Fouladkar blickt in der libanesisch-deutschen Koproduktion Liebe Halal auf Leben und Lieben in den streng religiösen Vierteln von Beirut: Dort, wo in Kleidung, Technik und Verhalten zwar einerseits ein westlich-urbaner Lebensstil herrscht, wo aber andererseits die religiösen Traditionen eines strengen Islam gelebt werden, der die zwischenmenschlichen Beziehungen beherrscht. In diesem Milieu entspinnen sich die Episoden des Films – und die sind sehr farbig, sehr lebendig, mit viel Humor gestaltet, ganz gegen die oft vorurteilsbehafteten Ansichten über strenggläubige Muslime gebürstet, aber auch mit sanfter, ironischer Kritik an den Absurditäten gewisser Regeln und Vorschriften.
Zweitfrau, Ehe auf Zeit und die Möglichkeit der Scheidung durch öffentliches Aussprechen: Für den westlichen Zuschauer scheinen viele der Regelungen, auf denen die verwickelten Episoden von Liebe Halal beruhen, zunächst abwegig. Doch andererseits und unvoreingenommen betrachtet: Rituale, wie sie Hangover oder Brautalarm als vorhochzeitliche Bräuche zelebrieren, sind ebenso bizarr, besonders, wenn man bedenkt, dass derartige amerikanische Traditionen den guten alten Brauch des Polterabends (!) verdrängen – vom Regen in die Traufe, sozusagen. Im strengen Islam gibt es eben die Möglichkeit für den Mann, sich mehrere Frauen zu halten – so er sie denn ernähren kann – und zwei Liebende können sich auch auf eine probeweise Ehe auf Zeit einigen: Ob man wirklich zueinander passt, war im christlichen Abendland bis vor wenigen Jahrzehnten noch ein Vabanquespiel mit häufig bösem Erwachen nach der Hochzeitsnacht. Und wenn im Christentum nach strenger Auslegung die Scheidung das Ende jeder geschlechtlichen Betätigung bedeutet, hat man im gewissenhaft gelebten Islam noch immer die Möglichkeit, sich anderweitig zu verheiraten.

Andererseits ist – nach westlichem Standpunkt – vieles rückständig. Und wohl auch wegen der libanesischen Zensur hinterfragt der Film niemals die nachgeordnete Stellung der Frau, die in klarer Rollenverteilung für Haushalt und Kinder zuständig ist und in rechtlichen Fragen wenig Gehör findet. Aber – und das macht die große Stärke des Films aus –: Fouladkar macht die fehlende Möglichkeit echter Gesellschaftskritik wett, indem er ganz einfach aus der Perspektive der Frauen erzählt: Von Awatef, der mit Kinder und Küche alles zu viel wird, besonders weil ihr – durchaus liebevoller – Mann noch nächtliche eheliche Vergnügungen erfleht. Von Batoul, frisch verheiratet mit einem eifersüchtigen Choleriker, dem seine Ausbrüche hinterher ehrlich leidtut, und der auch ein fantastischer Liebhaber ist. Von Loubna, die geschieden ist und nun mit ihrer Jugendliebe – einen leider bereits verheirateten Gemüsehändler – eine Affäre beginnt.

Mit großem Spaß folgt man diesen Geschichten, die aus dem Alltag heraus ihren Witz beziehen, die mit muslimischen Regeln spielen und dabei die universellen Gefühle von Begehren und Begehrtwerden, von Bedürfnissen und Pflichten behandeln. Auch in einem uns fremden Kulturkreis kann eine Liebeskomödie funktionieren mit wirkungsvollen Mechanismen des Komischen wie der Umkehrung der Verhältnisse oder der missverständnishaften Verkennung wahrer Umstände. So ist für uns alle ersichtlich, mit welch großen, romantischen Träumen Loubna ihren Gemüsehändler begehrt – während er keinen Zweifel daran lässt, schlichtes Vergnügen in gutem Essen und dem Ausleben seiner Gelüste zu suchen. Während andererseits Awatef, die überforderte Hausfrau, ihren Mann zu einer Zweitfrau überredet, um wenigstens jede zweite Nacht Ruhe zu haben. Mit der schönen Pointe, dass ihr Mann ein älterer Herr mit schütterem Haar und Schmerbauch ist, der freilich ein recht beachtliches Talent für, nun ja, „nunu“ hat, wie man verschämt zu sagen pflegt …

Ja, Liebe Halal ist ein Vergnügen. Ein Blick hinter den Schleier oft verbrämter und im Westen oft unbekannter Lebensweisen im Liebesleben des Islam. Man kann neue Ansichten über die große, böse Weltreligion gewinnen, die ja von vielen als schreckliche Bedrohung angesehen wird; man kann auch einfach lachen. Weil Fouladkar zwar niemals explizit wird, aber doch stets von dem Einen spricht. Und weil dieses Eine im strengen Islam im Privaten offen gelebt wird, am öffentlichen Leben aber doch abperlt. Wie Awatefs Kinder erfahren müssen. Die nämlich werden in der Schule über die Frage aufgeklärt, woher die kleinen Kinder kommen. Nein, nicht von Allah, sie sind auch kein Geschenk oder entstehen aus Haaren – die Lehrerin ist entsetzt über derartig naive Vermutungen der junge Mädchen und gibt dann ganz lehrplanmäßig die Antwort: „Alaka“ heißt das Schlüsselwort, Mann und Frau müssen dabei sein, sie müssen sich gern haben, dann kriecht ein kleiner Wurm in die Frau, und schwups, ist das Baby da.

Liebe Halal

Wie „halal“ kann Liebe sein, wenn sie Begehren, Erotik und Sex einschließen will? Assad Fouladkar blickt in der libanesisch-deutschen Koproduktion „Liebe Halal“ auf Leben und Lieben in den streng religiösen Vierteln von Beirut: Dort, wo in Kleidung, Technik und Verhalten zwar einerseits ein westlich-urbaner Lebensstil herrscht, wo aber andererseits die religiösen Traditionen eines strengen Islam gelebt werden, der die zwischenmenschlichen Beziehungen beherrscht.
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