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‚Die Liebe ist ein seltsames Spiel’ – erst recht im tiefsten sibirischen Hinterland. Wird Olga Delane auf ihrem sehr persönlichen Liebestrip zu den Wurzeln ihrer Identität dieses Spiel gewinnen oder sich in den Weiten des Landes verlieren?

Liebe auf Sibirisch - Ohne Ehemann bist du keine Frau!

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Ich möchte keine Eisbärin sein im kalten Berlin

„Olga, was ist nur los mit euch in Berlin?“, möchte die bucklige Verwandtschaft von der Filmemacherin gleich zu Beginn von Liebe auf Sibirisch – Ohne Ehemann bist du keine Frau! mit Nachdruck wissen. Nach 20 Jahren in der deutschen Hauptstadt ist Olga Delane, jenseits der 30 und immer noch keine Mutter, für ihr fünfjähriges Filmprojekt gleich mehrfach in ihre alte, seltsam fremde Heimat zurückgekehrt. Genauer gesagt nach Onon Borzya, eine kleine Dorfsiedlung im hintersten Sibirien. China und die Mongolei lassen sich quasi schon aus der Ferne betrachten und die Uhren laufen – aus westlicher Sicht – in diesem Flecken der Erde noch bedeutend anders. Sofern es denn hier überhaupt welche geben sollte …
So meilenweit weg, so ungewohnt andersartig sieht vieles in diesem stillen Örtchen am gefühlten Ende der Welt aus. Olga Delanes renommierter Bildgestalter Nikolai von Graevenitz (Der Wald vor lauter Bäumen/The Future) fängt diese seltsam anmutende Weite der Landschaft, die Ödnis des monotonen Arbeitsalltags wie den pragmatisch-spröden Lebensmut der wenigen Einwohner gleich reihenweise in sehenswerten Tableaux vivants ein.

Sozusagen als Co-Regisseur sorgt er dafür, dass sich in Liebe auf Sibirisch – Ohne Ehemann bist du keine Frau! der an sich wenig spannungsreiche Dramaturgiebogen – eine gebürtige Sibirierin kehrt auf der Suche nach dem Glück nach langer Zeit als alleinstehende Künstlerin in ihre Geburtsregion zurück – nicht von vornherein zu sehr um sich selbst kreist. Im Gegenteil: Mit reichlich Neugierde und großer Lust am Hinschauen erfährt der Zuschauer in diesen nicht einmal 90 Minuten Dokumentarfilm doch jede Menge über Land und Leute in dieser recht abseitigen Bauernwelt.

Denn nur vordergründig geht es – wie der Untertitel des Films bereits holzhammerartig vorgibt – um das Suchen und Finden der Liebe in der ursprünglichen, immer noch ziemlich archaisch anmutenden Heimat der Berliner Filmemacherin, die einst 16-jährig mit ihrer Familie aus Krasnokamensk nach Deutschland gekommen war. Keine Sekunde denkt sie, die fast durchwegs hinter der Kamera agiert und nur aus dem Off heraus ihre Fragen stellt, ernsthaft daran, gerade dort erneut sesshaft zu werden. Geschweige denn, hier einen neuen Liebhaber oder gar möglichen Papa für ihr bislang unerfülltes Familienglück zu finden. Weit verbreiterter Alkoholismus, verlorene Illusionen und heimisches Schlagen der Ehefrauen sind und waren in Onon Borzya lange Zeit keine Seltenheit, sondern gängiger –obendrein gesellschaftlich akzeptierter – Standard.

Auch davon erzählt die klug beobachtende Regisseurin – glücklicherweise weitestgehend ohne moralische Scheuklappen – mit viel Verve und Aufrichtigkeit, was schnell dazu führt, dass man ihre ProtagonistInnen noch lange nach dem Kinobesuch im Herzen mit zu sich nach Hause trägt: All die zupackenden Omas und Tanten, die scheuen, aber selbstständigen Kinder genauso wie die oftmals auffällig sprachlosen Onkelfiguren, die nach eigener Aussage nur dem Idealbild eines echten russischen Bräutigams („Ein wahrer russischer Mann ist wortkarg.“) entsprechen wollen.

Und trotzdem darf – und soll auch, das ist in Delanes Regiehandschrift früh spürbar – zwischendurch immer wieder einmal laut gelacht werden, wenn zum Beispiel das westliche, von Selbstbewusstsein geprägte Frauenbild von den beiden ungleichen Parteien mit einer herrlichen Direktheit („Feminismus, was ist das?“) im O-Ton verhandelt wird oder auch die Filmemacherin selbst wiederholt grobschlächtigen Frotzeleien („So wie du herumläufst, hast du ein furchtbares Leben in Berlin“) aus dem Munde ihrer Verwandtschaft vor laufender Kamera ausgesetzt wird, ohne je in einen genervten „Beleidigt-Sein-Modus“ zu verfallen.

Schließlich spielen eben tradierte Rollenbilder, eine grundsätzliche Demut gegenüber der Natur wie der Landwirtschaft sowie ein gewisses Gefangensein in dieser monoton-rauen Alltagsroutine in jenem sibirischen Hinterlandflecken weiterhin eine eminent wichtige Rolle: Erst melken, dann füttern und die Stallarbeit machen, als nächstes danach schauen, dass draußen der Bulldog anspringt oder das klapprige Holzdach ohne TÜV-Siegel irgendwie noch länger oben bleibt. Zwischendurch eine Hausschlachtung oder etwas Marmelade einkochen: Mehr ist in dieser Dorfgemeinschaft nicht geboten, außer Arbeit, Arbeit, Arbeit. Olga Delane dabei zuzusehen, ist hingegen überhaupt keine Anstrengung, sondern Freude, Freude, Freude.

Liebe auf Sibirisch - Ohne Ehemann bist du keine Frau!

„Olga, was ist nur los mit euch in Berlin?“, möchte die bucklige Verwandtschaft von der Filmemacherin gleich zu Beginn von „Liebe auf Sibirisch – Ohne Ehemann bist du keine Frau!“ mit Nachdruck wissen. Nach 20 Jahren in der deutschen Hauptstadt ist Olga Delane, jenseits der 30 und immer noch keine Mutter, für ihr fünfjähriges Filmprojekt gleich mehrfach in ihre alte, seltsam fremde Heimat zurückgekehrt.
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