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Was einmal klappt, geht auch zwei Mal gut. So ähnlich muss es sich Matthew Vaughn nach dem ersten Kingsman Teil gedacht haben. Aber wie wir wissen, sind Nachfolger meist nicht so gut, wie ihre Vorgänger. Ob Vaughn dieses Phänomen umgehen kann?

Kingsman: The Golden Circle (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Mit Schirm, kaum Charme und zu wenig Emotionen

Britische Edelschneider, die im Verborgenen als unabhängiger Geheimdienst agieren – mit dieser abgedrehten Idee gelang Regisseur Matthew Vaughn mit Colin Firth und Taron Egerton in den Hauptrollen 2014 ein Überraschungserfolg. Kingsman – The Golden Circle spinnt die Agentenfilmvariante nun weiter und holt sich bei Channing Tatum, Halle Berry und Julianne Moore Unterstützung.
 

Matthew Vaughns Kino ist eine süße Wundertüte, die sich sichtlich an der bonbonbunten Welt der Bildergeschichten bedient. Schon sein Regiedebüt Layer Cake (2004) ist wie ein Comic angelegt. Drei Jahre später setzte der gebürtige Londoner Der Sternenwandererum, einen Roman des Comicautors Neil Gaiman, den in der Originalausgabe fantastische Illustrationen schmücken. Seither basiert jeder seiner Filme auf einer Vorlage aus der Neunten Kunst. Was Vaughn aus seiner Tüte zieht, ist ganz unterschiedlich. Mal ist es wie im Sternenwanderer märchenhaft, mal wie in X-Men: Erste Entscheidung (2011) politisch, mal wie in Kick-Ass (2010) politisch unkorrekt. Mit Kingsman – The Secret Service gelang ihm 2015 schließlich eine veritable Überraschung. Noch mehr als zuvor Kick-Ass traf sein Agentenfilm um den kleinkriminellen Gary „Eggsy“ Unwin (Taron Egerton) und dessen Mentor Harry Hart (Colin Firth) Publikum wie Kritiker unvorbereitet; nicht zuletzt, weil die Vorlage, die wie schon bei Kick-Ass von Mark Millar stammt, kaum einer kennt.

Nun also die Fortsetzung, zudem Vaughns erste. Von Kick-Ass 2(2013) ließ er wohlweislich die Finger. Bei seinen britischen Agenten konnte er jedoch nicht widerstehen. Ein dritter Teil ist bereits in Planung. Doch zunächst zum zweiten: Durch Harrys harte Schule gegangen, ist Eggsy zum Agenten gereift. Privat ist er mit der schwedischen Thronfolgerin Tilde (Hanna Alström) liiert, der er im Vorgängerfilm das Leben rettete. Beruflich nimmt er unter dem Codenamen „Galahad“ am Tisch in der Londoner Savile Row längst Harrys Platz ein. Als Poppy (Julianne Moore), der Kopf des Golden Circle, des größten Drogenkartells der Welt, die Kingsman einen Kopf kürzer machen will, ersuchen die Briten mit dem feinen Zwirn Hilfe bei ihren amerikanischen Kollegen. Nicht bei den offiziellen Adressen, sondern bei den Statesman, die wie ihre Pendants von der Insel unabhängig operieren. Als Tarnung und Hauptquartier dient ihnen eine Destillerie in Louisville, Kentucky. Dort verrichten die Agenten Tequila (Channing Tatum), Whiskey (Pedro Pascal) und Ginger Ale (Halle Berry) unter dem wachenden Auge ihres Chefs Champagne (Jeff Bridges) mit Jeans, Cowboyhut, Flinte und (elektrischem) Lasso ihren Dienst. Mehr sollte nicht verraten werden.

Denn auch Kingsman – The Golden Circle ist eine Wundertüte, bei der das Publikum nie weiß, was es als Nächstes bekommt. Irgendwie schmecken die bunten Leckerli, die Matthew Vaughn einem zuwirft, aber auch abgestanden, wie schon einmal konsumiert; andere wiederum, wie ein ziemlich unappetitlicher, frauenfeindlicher Gag, stoßen übel auf. Das wir uns nicht falsch verstehen: Kingsman – The Golden Circle ist kein schlechter Film. Die Story von Vaughns Leib- und Magen-Autorin Jane Goldman ist wild und schräg und visuell betörend, die Action ist teils atemberaubend, teils ziemlich unterhaltsam. Und doch krankt der zweite Teil an dem, was man als Fortsetzungssyndrom bezeichnen könnte. Er muss wissende wie unbeleckte Zuschauer gleichermaßen abholen, die Geschichte weiterspinnen und den Vorgänger übertrumpfen. Statt kreativer Lösungen bleibt vieles lediglich Variation, manches gar einfallslose Kopie aus Teil eins, die vor allem auf ein Übermaß setzt: noch mehr Action, noch mehr spektakuläre, scheinbar ungeschnittene Stunts, in denen die Körper be- und entschleunigt mit der Kamera durch die Luft wirbeln, und noch mehr Figuren in noch mehr Handlungssträngen. Das führt dann dazu, dass Halle Berry, Jeff Bridges und Channing Tatum in ihren Rollen nicht nur völlig verschenkt sind, sondern der Film Tatum nach seiner gelungenen Einführung im übertragenen wie im Wortsinn postwendend auf Eis legt.

Bei all dem Übermaß kommen die Emotionen zu kurz. Vor allem vom im ersten Teil so trefflichen, trockenen Humor, von Colin Firth‘ Charme und von der Diskrepanz zwischen Coolness und Vulgarität, zwischen Upperclass und Gosse ist in der Fortsetzung viel zu wenig zu finden. Selbst Julianne Moore, die als irre Drogenkönigin in ihrem selbst errichteten Gaga Land ihre Gegner zu Hackfleisch verarbeitet, reicht letztlich nicht an Samuel L. Jacksons Bösewicht aus dem Vorgänger heran. Spätestens, wenn Schreibtischagent Merlin (Mark Strong) Eggsy nach der Exposition zurechtweist, hätte das Publikum sich das aber auch denken können. Denn die Worte, die er wählt, können zwischen all den Metaebenen aus Parodie und Hommage auch als Kommentar auf die Fortsetzung verstanden werden: „Keine Zeit für Emotionen in diesem Szenario.“

Auch eine andere Szene ist bezeichnend. Einmal fragt Halle Berry als Ginger Ale ihre britische Entsprechung Mark Strong, ob er sich nicht auch manchmal mehr wünsche, vom Schreibtisch in den Außeneinsatz wolle, ob ihm das alles nicht zu wenig sei. Mit einem Augenzwinkern haken diese Sätze die Rolle der weiblichen Agenten in diesem Film ab. Während die eine dem Geschehen nur aus der Ferne zusieht, Merlin aber dann doch noch ins Feld darf, wird die andere, Eggsys Kollegin Roxy (Sophie Cookson), nach einer Viertelstunde von einer Rakete getroffen. Natürlich ist das zu wenig, möchte man Halle Berry und Matthew Vaughn antworten. Statt das nur augenzwinkernd zu kommentieren, hätte Vaughn es schließlich einfach anders schreiben und inszenieren können. Vielleicht macht er das ja beim nächsten Mal. Gegen Ende deutet sich zumindest eine größere Rolle für Halle Berry im dritten Teil an.

Kingsman: The Golden Circle (2017)

Die britischen Agenten Eggsy Unwin und Merlin reisen gemeinsam in die Vereinigten Staaten von Amerika und treffen in der Fortsetzung auf ihr amerikanisches Äquivalent, die Statesmen. Der Hauptsitz der amerikanischen Spionage-Vereinigung befindet sich unter einer stillgelegten Brennerei mit dem Namen „Statesman Whiskey“. Zu den Statesmen zählen unter anderem Agentin Ginger und Agent Jack Daniels. Beide Organisationen müssen zusammenarbeiten, um gegen einen gemeinsamen Feind vorzugehen: Poppy.

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