Kill Your Friends

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Die Musikindustrie: ein Haifischbecken

In seinem makaberen Roman Kill Your Friends porträtiert Schriftsteller John Niven (Coma) die Musikindustrie als blutiges Schlachtfeld auf dem Weg zu Geld und Ruhm. In diesem Kosmos ist kaum jemand wirklich an hochwertigen Songs und herausragenden Künstlern interessiert. Vielmehr zählt einzig die Jagd nach dem nächsten Knüller und Mega-Event, um das Label an die Spitze der Charts zu bringen und den hoch bezahlten Entscheidungsträgern ein Leben aus Drogen, Penthouse-Suiten und Prostituierten zu finanzieren. Für seinen Erstling Kill Your Friends adaptierte TV-Regisseur Owen Harris (Holy Flying Circus – Voll verscherzt) den Bestseller nach Nivens eigenem Drehbuch zu einem filmisch furiosen, aber mitunter repetitiven schwarzen Thriller.
Im Mittelpunkt des Eröffnungsfilms des Fantasy Filmfests 2015 steht der ehrgeizige Steven Stetfox (Nicholas Hoult), der als Musikmanager bei dem wichtigen Londoner Plattenlabel Unigram arbeitet. Zwar fühlt sich der arrogante Talentscout als wichtigster Mann seiner Firma, doch ihm fehlt dringend ein weiterer durchschlagender Erfolg. Von Trends versteht er allerdings wenig, denn die steten Hinweise seiner Assistentin Rebecca (Georgia King) auf das Potential der Band The Lazies erstickt er im Keim. Schließlich verabscheut Steven Independent-Musik an sich und Bands im Allgemeinen.

Längst fixiert der glatte Aufsteiger den Chefposten der „A&R“-Abteilung („Artists & Repertoire“). Als ein erfolgloser Kollege seinen Hut nehmen muss, wird allerdings der freakige Kiffer Waters (James Corden) bei der Beförderung bevorzugt. Enttäuscht und verärgert will sich Steven diese Missachtung keineswegs gefallen lassen. Nach der Feier zu den „Brit Awards“ erschlägt er kurzerhand seinen arglosen Kumpan in dessen Appartement. Doch der Triumph, seine Stelle übergangsweise übernehmen zu dürfen, währt nicht allzu lange. Alsbald sitzt ihm der aufdringliche Polizist DC Woodham (Edward Hogg) mit eigenen Songwriter-Ambitionen im Nacken. Zudem engagiert sein Boss den Konkurrenten Parker-Hall (Tom Riley) als neuen Abteilungsleiter, da es dem smarten Geschäftmann gelang, die gehypten Lazies zu engagieren.

Seine zynischen Gedankengänge enthüllt der rücksichtslose Blender dabei stets in Zuschauerrichtung. Durchaus virtuos taucht Regisseur Harris mit filmischen Mitteln zwischen Zeitlupe, Rück- und Überblendungen in dessen Bewusstseinsstrom ein. Bei Geschäftsverhandlungen inszeniert er schon einmal Stetfox’ bösartige Ansichten als Traumsequenz und kontrastiert sie dadurch mit den tatsächlich ausgesprochenen Lügenmärchen. Letztlich kann Steven Stetfox einfach nicht anders, als seine Machoattitüde stets aufscheinen zu lassen, was in der Damenwelt, etwa bei Rosanna Arquettes witzigem Gastauftritt, mitunter auf wenig Gegenliebe stößt.

Harris’ Satire spielt Ende der Neunziger, bevor die Musikindustrie von Download- und Streaming-Portalen gebeutelt wurde. Neben Zeitanspielungen, etwa auf die AIDS-Furcht, finden sich reichlich Bandverweise und Songeinspielungen, etwa von Blurs „Beetlebum“, Radioheads „Karma Police“ oder (passend) Prodigys „Smack My Bitch Up“. Sogar Roy Black kommt während Moritz Bleibtreus herrlich überzogenen Szenen als langhaariger Proll-DJ für einige Sekunden zu Ehren. Für die Formation The Lazies standen damals angesagte Rave- und Gitarrenpopbands wie The Divinyls, Republica oder Curve Pate, die heute fast vergessen sind. In diesem Punkt besitzt Kill Your Friends ebenfalls Scharfblick: Viele gefeierte Indiebands schaffen es kaum bis zum dritten Album.

Auf Dauer kann der bissig-sezierende Humor nicht über manche Längen im Mittelteil hinwegtäuschen, in dem die Handlung zwischen endlosen Drogenexzessen und alkoholgeschwängerten Partys auf der Stelle tritt. Inhaltlich und inszenatorisch erinnert Kill Your Friends als Porträt eines materialistisch orientierten, selbstbezogenen Psychopathen sowohl an American Psycho als auch die derben Gesellschaftsporträts eines Irvine Welsh (Trainspotting, Drecksau), was schon auf die Romanvorlage zutraf.

Spätestens in der identischen Schlusseinstellung wird deutlich, bei welchem Film sich Harris und Niven (vielleicht unabsichtlich) am stärksten bedienten: In Karambolage (1963) verkörpert Jean-Claude Brialy einen vielversprechenden Neuling in einer profitorientierten Reiseagentur, der sich an die Spitze seiner Firma mordet. In der Filmgeschichte fällt es eben schwer, mit frischen Ideen aufzuwarten – selbst wenn man die Vorbilder an Sarkasmus und Drastik übertrifft.

Kill Your Friends

In seinem makaberen Roman „Kill Your Friends“ porträtiert Schriftsteller John Niven („Coma“) die Musikindustrie als blutiges Schlachtfeld auf dem Weg zu Geld und Ruhm. In diesem Kosmos ist kaum jemand wirklich an hochwertigen Songs und herausragenden Künstlern interessiert.
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