Inside A Skinhead

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Provokante Unbehaglichkeit zum Thema Antisemitismus

Es ist eine gewaltige Herausforderung, bei der Inszenierung sozialpolitisch höchst brisanter Gegenstände wie Rassismus und Antisemitismus eine adäquate und bestenfalls würdige Form der Darstellung und Inhalte zu finden, die dennoch die brennenden Ambivalenzen derartiger Stoffe als notwendiges Konfliktpotenzial transportiert. Wenn es in diesem Zusammenhang um die Thematisierung eklatant grenzwertiger Positionen geht, bietet sich ein Kunstgriff an, der zumindest zur Relativierung der Explosivität beiträgt: Es wird eine Figur entworfen, die gleichermaßen die Eigenschaften eines extremen Charakters und seines Antagonisten vereint, praktisch Täter und potentielles Opfer in einer Person, vereinfacht ein schwarzer Rassist oder – wie in Inside a Skinhead von Henry Bean aus dem Jahre 2001 – ein antisemitischer Jude.
Da verhält sich ein offensichtlich rechtsextremer Skinhead in der Bahn in New York einem jungen Juden gegenüber unverblümt gewalttätig. Den Gesichtern einiger Fahrgäste ist die Missbilligung deutlich anzusehen, doch dabei bleibt es, und als der eingeschüchterte Attackierte aussteigt, folgt ihm der Peiniger und verprügelt ihn, nicht ohne den wenig wehrhaften Mann aufzufordern, sich gefälligst zu verteidigen. Es ist ein ungezähmter Hass, der den kulturell und religiös ungewöhnlich gebildeten Danny Balint (Ryan Gosling) antreibt, mit Gleichgesinnten Anschluss an rechtsradikale Gruppen zu suchen, um auf intellektuellem Terrain und auch durch brutale Anschläge seinen rassistischen und vor allem antisemitischen Haltungen Ausdruck zu verleihen. Die absurd anmutende Ahnung, die den Zuschauer rasch beschleicht, verdichtet sich bald zu einer kuriosen Gewissheit: Danny selbst stammt aus einer jüdischen Familie und war einst ein gleichermaßen wacher wie aufsässiger Torah-Schüler, dessen unorthodoxe, rebellische Positionen zu seinem Rauswurf aus dem Unterricht führten. Dieser in Rückblicken präsentierte Hintergrund des jungen Danny (Jacob Green) transportiert bereits die unversöhnliche Zerrissenheit dieses tragischen Protagonisten, der sich trotz seiner Abkehr von den tradierten Lehren seiner Religion als wahrhaft Gläubigen bezeichnet.

Innerhalb eines Kreises von antijüdischen Theoretikern um die resolute Lina Moebius (Theresa Russell), die bemüht ist, politische Macht zu erlangen, wird Danny zu einem gern gesehenen Gast, dessen außergewöhnliche Eloquenz zur Bindung unentschiedener Sympathisanten genutzt werden soll. Hier lernt Danny auch Carla (Summer Phoenix) kennen, Linas exzentrische Tochter, deren erotisch-sexuelle Vorlieben, in die sie den smarten Skin rasch verwickelt, für eine junge Frau Anfang zwanzig reichlich heftig erscheinen. Dennoch entwickelt sich zwischen den beiden eine engere Bindung, als Carla sich auffällig intensiv für das Judentum zu interessieren beginnt und ausgerechnet von Danny Unterweisungen verlangt, die dieser ihr zunächst zögerlich gewährt. Als der versierte Redner allerdings seine ganz eigenen, verstörenden Strategien einsetzt, um seine antisemitischen Ansichten zu veranschaulichen, indem er eine entsprechende Veranstaltung mit einem jüdischen Gebet eröffnet, kommt es zum Eklat mit Lina, die ihn schlicht als Referenten feuert. Zudem sickert immer nachhaltiger sein wohl gehütetes Geheimnis durch, dass er selbst Jude ist, was ihn zu einem Einzelkämpfer werden lässt, der sich im wahrsten Sinne des Wortes in eine tickende Zeitbombe verwandelt …

Auf dem Sundance Film Festival, wo Inside a Skinhead uraufgeführt wurde, gewann dieses zutiefst beunruhigende Drama den Großen Preis der Jury, und auch auf weiteren internationalen Festivals gab es einige Nominierungen und Auszeichnungen für das Spielfilmdebüt von Regisseur Henry Bean, der bereits die Drehbücher für Filme wie Internal Affairs (1990) mit Richard Gere und Basic Instinct 2 mit Sharon Stone (2006) verfasste. Bei Inside a Skinhead handelt es sich allerdings um ein ganz anderes Kaliber von Film voller gewagter Provokationen, die in der Konfrontation einer (t)rotzigen Truppe von Neonazis mit Überlebenden der Shoah einen unbehaglichen Höhepunkt finden, der von der Verharmlosung des Holocausts bis hin zu Vorwürfen einer passiven „Opferhaltung“ der jüdischen Menschen übelste Polemik skizziert. Die Installation von (pseudo)intellektuellen Diskursen über Judentum und Antisemitismus, die dem Zuschauer mitunter einiges an entsprechenden Kenntnissen abverlangt, birgt neben der drastischen Haltung und des ebensolchen Verhaltens der Hauptfigur den explosivsten Zündstoff in sich, dessen Effekt von Unbehagen bis hin zu tiefer Verstörung reicht.

Das Motiv eines rechtsextremistischen jüdischen Skinheads mit all seinem zerstörerischen, ausweglosen (Selbst-)Hass ist der tatsächlichen Person des US-Amerikaners Daniel „Dan“ Burros entlehnt, der sich in den 1960er Jahren innerhalb der faschistischen American Nazi Party engagierte und nach seiner öffentlichen „Denunzierung“ als Jude Selbstmord beging. Inside a Skinhead ist wahrhaft ein dichter, spannungsreicher und schockierender Film über einen in seiner Identität völlig zerrissenen Charakter, der geradezu gespenstisch überzeugend von Ryan Gosling verkörpert wird, dem man die unversöhnliche Aggressivität ebenso abnimmt wie die geistigen Paradoxien und die im Grunde tief religiöse Neigung, die ihn nach der Verwüstung einer Synagoge die heiligen Torah-Rollen sorgfältig reparieren lässt. Die mächtige Ungefälligkeit und auch die Ratlosigkeit, die sich immer wieder in den heftigen Sequenzen der Dramaturgie ausbreitet, verlässt den Zuschauer auch am Ende des Films nicht, denn Regisseur und Drehbuchautor Henry Bean lässt zwar in gewissem Sinne bei seinem Protagonisten, jedoch nicht beim Publikum letztlich erlösende Gnade walten.

Inside A Skinhead

Es ist eine gewaltige Herausforderung, bei der Inszenierung sozialpolitisch höchst brisanter Gegenstände wie Rassismus und Antisemitismus eine adäquate und bestenfalls würdige Form der Darstellung und Inhalte zu finden, die dennoch die brennenden Ambivalenzen derartiger Stoffe als notwendiges Konfliktpotenzial transportiert.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen