Hell or High Water

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Allein gegen die Bank

Texas. Unendliche Weiten. Unendlich viele kleine Städte, Farmen, Öl- und Maisfelder. Dazwischen Casinos als Einnahmequelle für die Komantschen und andere Stämme, denen damals vor 200 Jahren von den weißen Siedlern alles genommen wurde. Doch die Eroberung des reichen Landes ist in Texas nicht abgeschlossen. Eine neue alles an sich reißende Macht ist angekommen: die Banken. Mit faulen Krediten, die sie den Farmern, die unter der Rezession leiden, zuschustern, vermögen sie sich das Land anzueignen, da es den meisten unmöglich ist, ihre Schulden zurückzuzahlen. Dafür haben die Banken mit hohen Zinsen und viel Kleingedrucktem schon gesorgt.

Aber die Texaner, egal ob Ureinwohner oder Siedler, sind seit jeher Kummer gewöhnt. „Hell or High Water“ – ob sich die Hölle auftut oder Hochwasser alles verschlingt – sie haben stets eine ganz eigene Reaktion auf Menschen, die sie über den Tisch ziehen wollen. Nicht umsonst ist in diesem Bundesstaat jeder bis an die Zähne bewaffnet und jederzeit bereit, alle umzunieten, die im Weg stehen. Yeeehaaa!

Toby (Chris Pine) und Tanner (Ben Foster) sind da nicht anders. Sie haben schon vieles überlebt. Ihren gewalttätigen Vater, den Tanner irgendwann „versehentlich“ erschoss, die Krankheit der Mutter, die Scheidung von der Frau, Tanner hat dazu noch 10 Jahre Knast hinter sich. Wegen eines Banküberfalls. Jetzt ist er wieder draußen und muss feststellen, dass die Farm und das Land bald an die Bank gehen werden. Aber da machen diese beiden Jungs nicht mit. No Ma’am. Sie drehen den Spieß einfach um und rauben mehrere Filialen der Texas Midland Bank aus. Immer nur kleine Beträge, keine Scheine über 100 Dollar. Danach geht es ab ins Casino, wo das Geld gewaschen wird. Der Plan ist, die Farm mit dem geklauten Geld der Bank zurückzukaufen. Doch ganz so clever stellen sich die beiden nicht an und haben bald den kurz vor dem Ruhestand stehenden Sheriff Marcus (Jeff Bridges, der hier sehr an Kris Kristoffersen erinnert) und seinen Deputy Alberto (Gil Birmingham) am Hals. Marcus ist der einzige, der das System hinter den Überfällen erkennt. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, dass Tanner ein bisschen verrückt ist und somit sehr eklektische Momente in die darauffolgende Verfolgung bringt.

David Mackenzies Hell or High Water ist ein wunderbar kratzbürstiger Genrefilm. Ein bisschen Road Movie, ein bisschen Heist-Film und ganz viele modernisierte Western-Anleihen. Das Drehbuch stammt vom Taylor Sheridan, der auch das Skript zu Sicario schrieb — und man merkt auch diesem Film die Tex-Mex Anleihen an. Aber Hell or High Water ist eben nicht nur ein Hau-Drauf-Western-Mischmasch mit ordentlichen Schießereien und einer mächtigen Portion Sarkasmus. Er ist vor allen am Rand seiner Bilder eine fast schon dokumentarische Aufnahme des Zustands der „kleinen Leute“ in den USA. Wenn Tanner und Toby in ihrem Auto von Kleinstadt zu Kleinstadt fahren, sind diese meist verlassen. Wenige Menschen leben noch hier; Texas stirbt aus. Oder besser: Texas wird leergesaugt. Denn in jeder noch so kleinen Butze gibt es eine Bank. Auf den Landstraßen stapeln sich riesige Plakatwände. Früher einmal wurden darauf die texanischen Kulturgüter Fleisch und Zigaretten angeboten. Jetzt ist jede Wand mit einer Anzeige für Kredite beklebt. Günstige Kredite, Kredite, um Kredite abzuzahlen, Kredite für die Überführung mehrerer Kredite in einen Kredit. Die Verzweiflung ist jedem anzusehen, das Land ist staubtrocken, das alte Texas ist mit seinen Cowboys inzwischen genauso vom Aussterben bedroht wie die Stämme der Ureinwohner ein paar Jahrzehnte zuvor. Und so wird Mackenzies Film auch ein Rache-Western, eine typische kinematographische Utopie, in der die Verlierer der Realität sich erträumen, wie sie es den anderen heimzahlen. Toby und Tanner sind das Vehikel. Sie geben den Banken den Staub zu fressen, den diese selbst produziert haben. Und selbst wenn man nicht in ihrer Situation steckt, ist das Gefühl von Rache, die Gerechtigkeit und Selbstbewusstsein für einen Moment zurückholt, unglaublich befriedigend. Genau dafür ist Hell or High Water wie gemacht.
 

Hell or High Water

Texas. Unendliche Weiten. Unendlich viele kleine Städte, Farmen, Öl- und Maisfelder. Dazwischen Casinos als Einnahmequelle für die Komantschen und andere Stämme, denen damals vor 200 Jahren von den weißen Siedlern alles genommen wurde. Doch die Eroberung des reichen Landes ist in Texas nicht abgeschlossen. Eine neue alles an sich reißende Macht ist angekommen: die Banken.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen