Günter Wallraff: Schwarz auf Weiss

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Allein unter Deutschen

Günter Wallraff war wieder einmal unterwegs in Deutschland. Dieses Mal nicht als BILD-Reporter, Leiharbeiter oder Call-Center-Angestellter, sondern als farbiger Migrant. Dank einer begabten Maskenbildnern und einer Perücke verwandelte sich der Undercover-Journalist in den Afrikaner Kwami Ogonno, der quer durch Deutschland zieht, um nachzuforschen, wie es um die berühmte Gastfreundschaft der Einheimischen bestellt ist. Das Ergebnis dieses gewagten filmischen Experiments unter der Regie von Pagonis Pagonakis und Susanne Jäger ist schlichtweg erschütternd. Was wir schon längst geahnt oder befürchtet haben, wird nun zur traurigen Gewissheit. Wir haben es nun im wahrsten Sinne Schwarz auf Weiss vor uns, wie tief verwurzelt der latente oder offensichtliche Rassismus in diesem Land noch ist.
Gleich die erste Szene macht dies mit aller Drastik deutlich: „Afrika den Affen, Europa für Weiße!“, grölt ein offensichtlich betrunkener junger Mann vor einem Lokal in Rosenheim der Kamera ins Gesicht. Wer der auf diese Weise Angesprochene ist, das erfahren wir kurz darauf: Günter Wallraff, seit Jahrzehnten der bekannteste investigative Journalist Deutschlands will es genau wissen, wie es um die vermeintliche Toleranz in Deutschland bestellt ist. Zu diesem Zweck lässt er sich von einem Maskenbildnerin mit einer Airbrush eine dunkelbraune Haut und eine dichte Perücke verpassen und zieht nun ein Jahr lang als Kwami Ogonno durch Deutschland. Das Ergebnis – man ahnt es schnell nach diesem Auftakt – ist äußerst bedenklich: Ob in Ost oder West, in Sachsen oder Bayern, in Köln oder in Rosenheim – überall begegnen Ogonno / Wallraff dumpfe Vorurteile, Gehässigkeit und offene Aggression. Die tritt zwar selten so deutlich in Erscheinung wie am Rande eines Fußballspiels zwischen Dynamo Dresden und Energie Cottbus. Doch Rassismus und Ausgrenzung sind vielfältig – und äußern sich auch in all den kleinen Gemeinheiten, die dieser Film minutiös festhält.

Da ist beispielsweise der Hundeclub, in den Kwami mit seinem Tier eintreten möchte. Spontan vermeldet der Verantwortliche der Hundefreunde, der Verein sei voll und habe einen Aufnahmestopp verhängt. Und nennt auf Nachfrage Kwamis astronomisch hohe Preise. Dass dies alles nichts als Lügen sind, um den ungeliebten Ausländer vom Club fernzuhalten, erfährt man später, als das Filmteam eine (weiße) Frau zu den Cluboberen schickt. Und plötzlich ist von einem angeblichen Aufnahmestopp keine Rede mehr, sind die Aufnahme- und Jahresgebühren um ein Vielfaches gesunken.

Ähnlich ergeht es Kwami bei der Wohnungssuche in Wallraffs angeblich so weltoffener und toleranter Heimatstadt Köln, beim gemeinsamen Wandern mit misstrauischen Rentnern, bei der Beantragung eines Jagdscheines in Rosenheim, wo der zuständige Staatsdiener ohne ersichtlichen Grund mit der Polizei droht und in etlichen anderen Situationen. Und doch: Manchmal, eher beiläufig, blitzt auch so etwas wie Hoffnung auf – eine kleine Geste, ein Akt der Solidarität und Zivilcourage, wenn Kwami wieder einmal hart angegangen wird. Man ist schon heilfroh über diese kleinen, eigentlich selbstverständlichen Gesten, die eigentlich normal sein sollten in Deutschland und die doch immer noch die absolute Ausnahme sind.

Dass einem nach diesem Film übel wird, liegt nicht (nur) an den eingangs doch sehr gewöhnungsbedürftigen Bildern jener kleinen Kamera, die Günter Wallraff teilweise direkt am Körper trug und die deshalb heftig verwackelt sind. Sondern vor allem an dem Ausmaß an ganz alltäglichem Rassismus, der sich quer durch alle Landesteile und Bevölkerungsschichten zieht.

Das Sommermärchen aus dem Jahre 2006, als Menschen aus aller Herren Länder friedlich miteinander die Fußball-WM feierten (und in dem bestimmte Regionen für manche Besucher zu No-Go-Areas erklärt wurden), es war wohl doch vor allem ein Märchen. Die Realität, das zeigt Schwarz auf Weiss deutlich, sieht anders aus. So erschütternd dieser Film als Bestandsaufnahme auch sein mag – man ahnt recht schnell, wie sich die allermeisten der Situationen entwickeln werden, was manche der Sequenzen ein wenig überflüssig erscheinen lässt. Angesichts der staunenden Augen des kleinen farbigen Jungen, der Wallraff fasziniert dabei zuschaut, wie dieser von der Maskenbildnerin wieder abgeschminkt wird und sich in einen Weißen verwandelt, ahnt man, dass dem Film etwas Entscheidendes fehlt: Der Moment des Erstaunens, der Entlarvung, des Nachdenkens seitens der vielen „Täter“. Denn wenn eines gewiss ist, dann das: Sie werden sich diesen Film eh nicht anschauen. Und all jene, die Schwarz auf Weiss im Kino sehen werden, sind sowieso für dieses Thema sensibilisiert. Die Kritik, die der Film übt, sie wird vermutlich ins Leere laufen und nahezu wirkungslos verpuffen. Und das ist dann doch verdammt schade.

Schwarz auf Weiss bildet den Auftakt einer neuen Filmreihe des X Verleih mit dem Titel „Neue Heimat“. Und wenn man sich diesen ersten Film der Reihe noch einmal vergegenwärtigt, könnte man wirklich zu dem Schluss kommen, dass wir dringend eine neue Heimat benötigen.

Günter Wallraff: Schwarz auf Weiss

Günter Wallraff war wieder einmal unterwegs in Deutschland. Dieses Mal nicht als BILD-Reporter, Leiharbeiter oder Call-Center-Angestellter, sondern als farbiger Migrant. Dank einer begabten Maskenbildnern und einer Perücke verwandelte sich der Undercover-Journalist in den Afrikaner Kwami Ogonno, der quer durch Deutschland zieht, um nachzuforschen, wie es um die berühmte Gastfreundschaft der Einheimischen bestellt ist. Das Ergebnis dieses gewagten filmischen Experiments unter der Regie von Pagonis Pagonakis und Susanne Jäger ist schlichtweg erschütternd.
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