Gulabi Gang

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Die Perspektive Pink

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die Vergewaltigung einer Frau oder eines kleinen Mädchens in Indien berichtet wird. Weil sie sich gegen männliche Gewalt wehren, erfahren auch die in pinkfarbene Saris gehüllten Frauen der „Gulabi Gang“ — gulabi heißt rosa — , vermehrt mediale Aufmerksamkeit. In kleinen oder größeren Gruppen ziehen sie seit 2006 mit Stöcken bewaffnet durch die Dörfer der Region Bundelkhand, stellen Gewalttäter zur Rede und forschen nach, wenn es wieder einmal einen mysteriösen Todesfall gegeben hat. Nach Kim Longinottos Pink Saris von 2010 hat nun auch die indische Filmemacherin Nishtha Jain einen Dokumentarfilm über die streitbare Gruppierung gedreht: Gulabi Gang eröffnet als Deutschlandpremiere das Münchner Dokumentarfilmfestival, das am 8. Mai 2013 beginnt.
Mittlerweile sollen schon über 150.000 Frauen der „Gulabi Gang“ angehören, die in mehreren Bezirken lokale Ableger hat. Ihre Gründerin Sampat Pal ist eine Dorfbewohnerin aus der untersten sozialen Gruppe der Dalits oder Unberührbaren. Die Kamera folgt ihr in ein Dorf, in dem eine junge Frau zu Tode gekommen ist. Ihr verbrannter Körper liegt in einem Haus am Boden. Die Familie des Witwers behauptet, die Frau habe beim Kochen Feuer gefangen. Sampat Pal stellt Fragen wie eine Ermittlerin, treibt die Angehörigen in die Enge, konfrontiert sie damit, dass es keine Anzeichen für einen Brand gibt. Dann verkündet sie im Dorf, dass die Tote wahrscheinlich ermordet wurde und die Täter ins Gefängnis kommen werden. Der Vater der Toten aber will keine Anzeige erstatten. Sampat Pal geht selbst zur Polizei, sogar zu deren Bezirkschef, doch nichts passiert. Es sieht so aus, als würde wieder ein dürftig vertuschter Mord, wie er in der Region keine Seltenheit ist, ungesühnt bleiben.

Nishtha Jain verstärkt die Spannung mit erzählerischen Mitteln: Sie unterbricht diesen Fall zunächst, bevor er eine entscheidende Wende nimmt, um die „Gulabi Gang“ zu anderen Schauplätzen zu begleiten. Dabei erfährt man einiges über die schwierigen Lebensbedingungen auf dem Land, die weitverbreitete Armut und die Angst vieler Dorfbewohner. Sie erleben sich als machtlos gegenüber korrupten Behörden und einflussreichen Vorstehern aus den oberen Kasten. Auch für die oft um ihr Recht betrogenen Dalits setzt sich die „Gulabi Gang“ ein. Eine Ortsgruppe schließt sich in einem Dorf dem Hungerstreik von Einwohnern an. Sie wollen erzwingen, dass der kriminelle Vorsteher vor Gericht kommt.

Nishtha Jain hat ein Auge sowohl für die Schönheiten Indiens, als auch für Bildkomposition. Sie filmt die Frauen in den leuchtenden Gewändern als Blickfang in den Gassen mit den Lehmhäusern und vor den Feldern, die bis zum diesigen Horizont reichen. Der Frieden, der über der Landschaft liegt, kontrastiert wirkungsvoll mit den vielen Aufnahmen, in denen sich die Kamera vorwärts bewegt. Sie folgt den Frauen, wenn sie Einzug in einem Dorf halten und die Dinge dort gleich in Bewegung bringen, aus nächster Nähe. Die Filmemacherin beteiligt sich manchmal aus dem Off an Gesprächen, kommentiert aber nicht.

Auch in den eigenen Reihen stoßen Solidarität und Emanzipation an Grenzen: Bei den Dorfratswahlen bleibt eine Kandidatin der „Gulabi Gang“ erfolglos, weil viele ihrer Mitglieder nach traditionellen Mustern wählen. Am Schluss des Films kommt eine Mitstreiterin zu Wort, die in Konflikt mit den Zielen der Organisation gerät, als ihre Schwester ermordet wird. Sie lässt den Hauptverdächtigen, ihren Bruder, mit einer Falschaussage entlasten. Sampat Pals Argumentation lässt oft erkennen, dass sie nicht mit maximalem Erfolg rechnet. Als sie erzählt, dass sie in ihrem Dorf einst mit ein paar Frauen einen gewalttätigen Mann verprügelte, bilanziert sie: Es sei nicht so, dass dort keine Frau mehr geschlagen werde, aber die Leute würden es sich genauer überlegen.

Gulabi Gang

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die Vergewaltigung einer Frau oder eines kleinen Mädchens in Indien berichtet wird. Weil sie sich gegen männliche Gewalt wehren, erfahren auch die in pinkfarbene Saris gehüllten Frauen der „Gulabi Gang“ — gulabi heißt rosa — , vermehrt mediale Aufmerksamkeit. In kleinen oder größeren Gruppen ziehen sie seit 2006 mit Stöcken bewaffnet durch die Dörfer der Region Bundelkhand, stellen Gewalttäter zur Rede und forschen nach, wenn es wieder einmal einen mysteriösen Todesfall gegeben hat.
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